Ein 37-Jähriger steht wegen versuchten Totschlags vor dem Stuttgarter Landgericht. Er soll einen 49 Jahre alten Kumpel mit einem Messer angegriffen haben. Der Angeklagte bestreitet die Tat.

Kornwestheim - In einer turbulenten Sitzung hat die 9. Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts am Donnerstag versucht, herauszubekommen, was am 20. Oktober 2011 im Haus des 37-jährigen Angeklagten in Kornwestheim passiert ist. Diesem wird vorgeworfen, an jenem Tag einem 49 Jahre alten Kumpel im Treppenhaus ein Messer in den Rücken gerammt zu haben. Doch sowohl das Motiv als auch der genaue Hergang der Tat liegen nach mehreren Stunden Verhandlung noch im Dunkeln. Der Angeklagte streitet seine Schuld ohnehin ab.

 

Es war mühsam und es war zäh. Rund zwei Stunden lang ließen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung allein schon den Angeklagten immer wieder bis ins kleinste Detail rekapitulieren, was am Tag der Tat geschehen ist. Hatte das spätere Opfer fünf oder zehn Mal beim Angeklagten angerufen, bevor es vorbeikam? Was genau hatte der Angeklagte am Telefon gesagt? Schaute er aus dem Flur- oder aus dem Schlafzimmerfenster, nachdem es an seiner Tür geklingelt hatte? Wieder und wieder wurden dem 37-Jährigen Fragen wie diese gestellt. Wieder und wieder beharrte der Mann auf bestimmten Aussagen, bis das Gericht ihm vorhielt, bei der Polizei andere Angaben gemacht zu haben – was ihn sichtlich verwirrte und verunsicherte.

Angespannte Atmosphäre im Gerichtssaal

Hinzu kam eine generell angespannte Stimmung. Man fiel sich ins Wort, wies sich gegenseitig zurecht, stöhnte ungeduldig oder verdrehte die Augen. Nicht nur einmal wurde der Vorsitzende Richter angesichts ausufernder Diskussionen oder unerwünschter Wortbeiträge laut. Und nicht nur einmal gab er es angesichts anhaltender Unstimmigkeiten in den Aussagen des Angeklagten oder von Zeugen entnervt auf, ein Detail zu klären.

Lediglich ein grobes Raster der Vorkommnisse offenbarte sich im Lauf der Verhandlung. Demnach war der Angeklagte am Nachmittag jenes Oktobertages zu Hause in seiner Wohnung, als sein Kumpel mehrfach versuchte, ihn anzurufen. Angeblich wollte der 49-Jährige nur „mal schauen, was bei ihm los ist“. Ein weiterer Zeuge, der an dem Tag mit dem 49-Jährigen unterwegs war, berichtete allerdings, man habe Marihuana bei dem Angeklagten besorgen wollen. Jedenfalls gingen die beiden etwa eine halbe Stunde nach den Anrufen bei dem 37-Jährigen vorbei. Der 49-Jährige klingelte, wurde eingelassen und stieg die Treppe zur Wohnung hoch.

Angeklagter und Opfer widersprechen sich

Die Darstellungen davon, was dann geschah, widersprechen sich. Der Angeklagte behauptete vor Gericht, sein Kumpel habe ihn unvermittelt angegriffen und mit einem Messer gefuchtelt. Daraufhin habe er ihm so fest in den messerschwingenden Arm gegriffen, dass dieser über seinen Kopf nach hinten knickte und das Messer ihn im Rücken traf. Der 49-Jährige hingegen schilderte, dass der Angeklagte ihn mit Fußtritten an der Wohnung empfangen und immer wieder attackiert habe. Er habe ihn daraufhin zu Fall gebracht und zu Boden gedrückt, um von ihm zu erfahren, was los sei. Irgendwann habe er einen Schlag gehört und gesehen, dass ein Messer zu Boden gefallen sei. Daraufhin sei er gegangen, weil ihm die Situation zu heikel geworden sei. Erst draußen habe sein Bekannter, der dort auf ihn gewartet habe, gesehen, dass er stark am Rücken blutete. Er selbst habe von dem Stich gar nichts mitbekommen. Auch das Verhältnis der beiden Kontrahenten zueinander konnte nicht eindeutig geklärt werden. Der 49-Jährige behauptete, man sei einige Jahre lang sehr eng befreundet gewesen, was der Angeklagte abstritt. Beide deuteten zwei „Vorfälle“ an, bei denen es offenbar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam und nach denen man den Kontakt gemieden habe. Die Verhandlung wird am 24. Mai fortgesetzt.