Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen baut eine Bundeswehr-Einheit zur Abwehr von Attacken aus dem Netz auf.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Sagen will sie es fürs Erste nicht so klar. Aber die Marschrichtung, die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgibt, heißt, dass die Bundeswehr neben Heer, Luftwaffe, Marine, Sanitätsdienst und Streitkräftebasis eine neue Teilstreitkraft eigens für die Bekämpfung von Cyber-Gefahren bekommen soll. Was zu einer großen Reform für die Truppe werden kann, fängt allerdings klein an. Zunächst schafft die Ministerin einen zehnköpfigen Aufbaustab unter Leitung von Generalleutnant Markus Kneip, der bis zum Frühjahr die Grundlagen für das künftige Cyber-Informationsraum-Kommando legen soll. Den bundeswehrtypisch langen Namen dieser Truppe könnte man gleich wieder vergessen – oder zum prägnanten „Cyber-Kommando“ – verdichten, wenn er nicht ein so hübsches und anspielungsreiches Akronym ergeben würde: CIRK erinnert vor allem in der anglisiert gesprochenen Form doch sehr an den legendären Captain James T. Kirk aus dem TV-Serie über die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise in den Tiefen des Weltraums.

 

Dabei hat es die künftige Cirk-Truppe weder mit Science-Fiction noch mit dem All zu tun. Doch die Tiefen von Internet und Cyberspace, die das Einsatzgebiet der künftigen Soldaten am Laptop sein werden, wirken auf viele Normalbürger nach wie vor genauso abenteuerlich – obwohl die Gefahren dort längst nicht mehr fiktiv, sondern real sind. Bis zu 6500 Hackerangriffe auf die Netze des Bundes gibt es nach Angaben des Verteidigungsministeriums jeden Tag. Allein im ersten Halbjahr 2015 wurden 4353 Computer dort mit Schadsoftware infiziert. 1,8 Millionen sicherheitsrelevante Ereignisse an den Schnittstellen der speziell gesicherten Bundesnetze mit dem öffentlichen Internet wurden in den ersten sechs Monaten gezählt. Die Soldaten in den Auslandseinsätzen registrierten im gleichen Zeitraum 105 000 versuchte Attacken aus dem Netz.

Die Ministerin sieht die Digitalisierung als Chance

„Die Bedeutung des Cyber-Raums nimmt immer mehr zu, das haben wir spätestens mit dem Hackerangriff auf den Bundestag gemerkt“, betont Ursula von der Leyen. Sie will deshalb die schon vorhandenen Fähigkeiten der Bundeswehr auf diesem Feld bündeln und schlagkräftiger aufstellen. Was das genau heißt, soll durch den jetzt geschaffenen Aufbaustab und die Debatte über den Inhalt des geplanten Weißbuchs festgelegt werden. Immerhin 15 0000 Menschen – zwei Drittel davon Soldaten – sind bisher schon verstreut über verschiedene Dienststellen und Kommandos in der bundeswehreigenen Informationstechnologie vorhanden. Für die engere Cyber-Abwehr sind aber lediglich 320 Soldaten und Zivilisten abgestellt.

Ursula von der Leyen hat bei dem Weißbuch-Kolloquium an diesem Donnerstag dazu aufgerufen, die Digitalisierung der Streitkräfte nicht als Gefahr, sondern vor allem als Chance zu begreifen. Was das genau heißen soll, sagte sie nicht. Klar ist jedoch, dass die Truppe sich nach dem Willen der Ministerin zunächst auf die Abwehr von Cyber-Gefahren konzentrieren soll – und die sind erheblich: in ihre Netze investiert die Bundeswehr jedes Jahr eine Milliarde Euro. Waffensysteme, Kommandos und Verbündete sind vernetzt. Allein in einem einzigen Eurofighter sind Hundert Kilometer Kabel und achtzig Computer verbaut. „Was für ein Ziel für Hacker“, sagte von der Leyen.

Wo sind die Soldaten wirklich zuständig?

Wo genau die Aufgaben der Cyber-Soldaten aufhören und die Zuständigkeit des Innenministeriums, des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für die Sicherheit der Informationstechnik anfangen, bleibt bis auf Weiteres unscharf. Die Federführung liegt unbestritten beim Innenminister; allerdings denkt von der Leyens Truppe weniger in den Kategorien von Abgrenzung denn von „Überlappung“. Außerdem wird versichert, dass die künftigen Cyber-Kräfte der Bundeswehr ausschließlich im Rahmen von Bundestagsmandaten oder den Vorgaben des Grundgesetzes stattfinden werde.

Was das bedeutet, gibt in der Planungsphase des Projektes noch Rätsel auf. Aber eines scheint klar: bei von der Leyens Beispiel mit den Bundestags-Hack hätten die Soldaten gar nichts tun können. Laut Grundgesetz wird die Bundeswehr zur Verteidigung nur eingesetzt, wenn der Bundestag zuvor den Verteidigungsfall festgestellt hat. Das dürfte bei einem Angriff aus dem virtuellen Raum nicht so einfach sein. Laut Verteidigungsministerin von der Leyen werden raffinierte und groß angelegte Attacken aus dem Internet im Schnitt erst 205 Tage nach ihrem Beginn erkannt.