Union und SPD blockieren sich im Bereich Bildung und Forschung bei den Haushaltsberatungen. Jetzt melden sich die Leidtragenden zu Wort.

Berlin - Es ist lange her, dass das Spitzenbündnis aus Wissenschaft und Forschung gemeinsam vor Journalisten der Bundespressekonferenz auftrat, um Alarm zu schlagen. 2005 war das, als Bund und Länder sich bei der Föderalismusreform im Streit um die Zuständigkeiten heillos verhakt hatten. Neun Jahre später warnten die Spitzenvertreter von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG), Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Wissenschaftsrat abermals vor einem Stillstand in Forschung und Lehre. Wieder ist es der Umstand, dass sich Bund und Länder gegenseitig blockieren, der die drei Spitzenvertreter auf den Plan rief. Der gemeinsame Auftritt solle „den Ernst der Lage dokumentieren“, sagte DFG-Präsident Peter Strohschneider. Man wolle „ein Zeichen zu setzen“. So wie 2005 nehme die Politik die Wissenschaft in „eine Art Geiselhaft“.

 

Drastische Worte sind das, um einen Machtpoker zu beklagen, der sich auch als Fortsetzung der Koalitionsverhandlungen beschreiben lässt. In keinem anderen Bereich hatten sich Union und SPD so ineinander verbissen wie bei Bildung und Forschung. Entsprechend vage war das Verhandlungsergebnis. Sechs Milliarden Euro wollen Union und SPD an Bundesmitteln für Kitas, Schulen und Hochschulen in die Hand nehmen, dazu drei Milliarden für die Forschung. Aber wie das Geld auf die einzelnen Bereiche verteilt werden soll, vor allem: wie es an die Länder weiter geleitet wird, blieb bis heute offen.

Die drei Spitzenvertreter fürchten, bei der Verteilung der Milliarden zu kurz zu kommen. Sie fordern Planungssicherheit. Die ungeklärte Perspektive zwinge die Hochschulen, immer mehr Mitarbeiter befristet anzustellen, sagte HRK-Präsident Horst Hippler – mit dem Risiko, dass Spitzenkräfte dem Land den Rücken kehrten. Um den dauerhaften Einstieg des Bundes in die Grundfinanzierung der Hochschulen zu ermöglichen, müsse deshalb endlich auch das Kooperationsverbot aufgehoben werden. Dieses untersagt es dem Bund, verlässlich in die Finanzierung von Bildung, Hochschulen und Forschung einzusteigen – zeitlich begrenzte Projekte ausgenommen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Wolfgang Marquardt sagte: „Wer, wenn nicht eine große Koalition“ sei in der Lage, die dafür notwendige verfassungsändernde Mehrheit zustande zu bringen.

In all diesen Fragen ist die Koalition aber weiter zerstritten. Die 500 Millionen Euro, die 2014 an zusätzlichen Mitteln fließen sollen, sind noch nicht einmal im Etat der Bundesbildungsministerin Johanna Wanka aufgelistet, sondern im Einzelplan 60 („Allgemeine Finanzverwaltung“) geparkt. Weshalb darüber auch nicht Wanka federführend für die Union verhandelt, sondern Finanzminister Wolfgang Schäuble. Dessen Gegenspieler bei den Sozialdemokraten ist – wie schon bei den Koalitionsverhandlungen – Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz.

Zweckbindung oder Blankoscheck?

Die Unionsseite beklagte zuletzt, dass die SPD erneut Punkte aufrufe, die in den Koalitionsverhandlungen abgeräumt worden seien. Dazu zähle das Drängen, ein Ganztagsschulprogramm aufzulegen. Auch die Forderung, das Geld über einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer – ohne Zweckbindung – überwiesen zu bekommen, erfährt angeblich eine Renaissance. Das aber lehnt Wanka kategorisch ab. Es werde „keinen Blankoscheck“ geben, lässt ihr Haus verlauten. Auch die Vertreter aus Wissenschaft und Forschung warnten jetzt davor, das Geld „cash und ohne jede Zweckbindung“ den Ländern zu überlassen.

Ein Spitzengespräch der Parteichefs Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer mit Scholz und Schäuble ist vor kurzem ergebnislos verlaufen. Dabei wäre Eile von Nöten. Anfang Juni sollen in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses Nägel mit Köpfen gemacht werden. Er erlebe es zum ersten Mal, dass ein Bundesministerium keine mittelfristige Finanzplanung vorlegen könne, beklagt der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Kai Gehring. Der Streit kaschiert nach Ansicht des Fachpolitikers zudem, dass die in Aussicht gestellten neun Milliarden Euro in der kommenden Legislaturperiode überhaupt nicht reichen würden, die verlässliche Finanzierung von Kitas, Schulen, Hochschulen und Forschung zu garantieren. Von einer Erhöhung des Bafög ganz zu schweigen. Die SPD habe im Wahlkampf aus guten Gründen den Mehrbedarf auf 20 Milliarden Euro beziffert – pro Jahr. Stattdessen flössen jetzt jährlich zweistellige Milliardenbeträge in Mütterrente und Rente mit 63. „Das ist ein abenteuerliches Missverhältnis, wenn man zugleich stets behauptet, es gehe einem um die Zukunft“, sagte Gehring der StZ.