Die 36-jährige Frau, die im Oktober 2014 ihre Tochter mit Messerstichen tötete und ihren Sohn schwer verletzte, ist vom Landgericht Ulm verurteilt worden.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Kreis Göppingen/Ulm - Die Frau, die am 19. Oktober an der Autobahn 8 bei Merklingen (Alb-Donau-Kreis) ihre Tochter erstochen und den Sohn schwer verletzt hat, ist am Montag vom Landgericht Ulm wegen Totschlags, versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Die Kammer unter dem Vorsitz des Richters Gerd Gugenhan verhängte eine Haftstrafe von neun Jahren. Zugleich ordnete das Gericht die weitere Unterbringung der 36-Jährigen, die zuletzt in Bad Ditzenbach wohnte, in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

 

Eine Tragödie mit zwei Toten und einem verletzten Kind

Mit dem Urteil endet ein Prozess, der den Wortlaut der Anklageschrift vollständig bestätigte. Der späte Abend des 19. Oktober, als Autofahrer auf der A 8 in Fahrtrichtung München knapp einer blutverschmierten Frau auswichen und die Polizei alarmierten, markiere den „Endpunkt einer Tragödie mit zwei Toten und einem verletzten Kind“, resümierte am Montag der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Der Ehemann hatte einen Arbeitskollegen brutal getötet

Diese Tragödie, so die Überzeugung des Gerichts, habe am 7. Februar 2013 begonnen. Die Angeklagte lebte mit ihrem Mann und den zwei Kindern zu diesem Zeitpunkt in der Schweiz. Der Ehemann tötete brutal einen Arbeitskollegen, mit dem er eine illegale Haschischanlage in Zürich-Kloten betrieb. Am 27. Mai desselben Jahres verurteilte das Bezirksgericht Bülach den Mann wegen Mordes zu 13 Jahren Haft.

Nach der Untat des Ehemannes brachen bei seiner Frau Depressionen aus

Nach der Festnahme des Ehemannes und der erzwungenen Ausreise aus der Schweiz, zurück in die Nähe der Eltern und Schwiegereltern, brachen bei der Frau Depressionen aus, verbunden mit wahnhaften Fantasien von Mobbing und Verfolgung. „Sie fühlte sich für die Tat des Ehemanns mit verantwortlich“, sagte der Richter über die Angeklagte. Nachdem die Frau im Sommer 2014 in einem Brief angekündigt hatte, sich das Leben nehmen zu wollen, wurde sie in die Göppinger Klinik Christophsbad eingewiesen, wo sie vom 21. Juli bis 9. August wegen Depressionen und Wahnvorstellungen behandelt wurde.

„Alle Empfehlungen in den Wind geschlagen“

Die Besserung danach sei nur „vorübergehend“ gewesen, so der Richter, es sei danach zu einer „akuten Verschlechterung“ gekommen: Die Frau habe geglaubt, jeder kreisende Hubschrauber diene ihrer Überwachung, das Telefon werde abgehört, Texte im Internet enthielten verschlüsselte Anschuldigungen gegen sie und die Kinder. Die Eltern, eine Freundin in der Schweiz, sogar der Ehemann, der aus dem Gefängnis heraus immer wieder mit der 36-Jährigen telefonieren durfte, sahen deutlich die Verschlechterung. Sie beschworen die Frau laut dem Gericht, sich wieder ins Krankenhaus einweisen zu lassen, sogar noch einen Tag vor der Bluttat. Doch die Angeklagte, so Gugenhan, habe „alle gut gemeinten Empfehlungen in den Wind geschlagen“.

Beiden Kindern Beruhigungsmittel eingeflößt

Stattdessen habe sie die „Mitnahmetötung“ an der Autobahn 8 geplant – zwar wahnhaft beeinträchtigt, aber durchaus planvoll, so das Gericht. Die 36-Jährige meldete am 18. Oktober die elfjährige Tochter für den nächsten Tag an der Schule ab. Sie gab abends am Tattag den Kindern Beruhigungsmittel als Einschlafhilfe, nahm ein Küchenmesser von zu Hause und fuhr im Auto los. Als die Kinder schliefen, kurz nach 22 Uhr, stach die Mutter 26 Mal auf die Tochter ein, elfmal auf den damals zweijährigen Sohn. Sie schnitt sich in die eigenen Arme und lief auf die Autobahn, um sich überfahren zu lassen. Das Mädchen starb auf der Rückbank des Autos der 36-Jährigen, der Junge konnte durch eine Notoperation gerettet werden.

Die Schuldfähigkeit der Frau sei eingeschränkt gewesen, schuldunfähig sei sie nicht gewesen, so das Gericht. In der Psychiatrie bleibe sie, weil sie ohne Therapie weiter eine „Gefahr für die Allgemeinheit darstelle“. Ziel der Anordnung sei es, „die Erkrankung zu behandeln“. Der Aufenthalt in der Psychiatrie wird mit der Haftstrafe verrechnet.