Es hat schon fast Tradition, dass der Oberbürgermeister der Stadt für einen Nachmittag die Vesperkirche besucht. Doch Kuhn ist nicht allein deshalb hier, um Kuchen zu verteilen.

Stuttgart - Es hat schon fast Tradition, dass der Oberbürgermeister der Stadt für einen Nachmittag die Vesperkirche besucht. Auch Fritz Kuhn (Grüne) ist der Einladung der Diakoniepfarrerin Karin Ott in diesem Jahr wieder gefolgt und am Mittwoch in die Leonhardskirche gekommen. Er hat Rührkuchen mit Obst dabei, den er den Besuchern der Vesperkirche höchstpersönlich serviert. „So einen frischen und leckeren Kuchen gibt es hier sonst nicht“, darin sind sich die Besucherinnen Dimitra und Karin einig. „Meinetwegen kann Herr Kuhn jeden Tag kommen“, sagt Karin lachend, doch Dimitra wendet ein: „Zweimal die Woche reicht auch.“

 

Doch Kuhn ist nicht allein deshalb hier, um Kuchen zu verteilen. Er will sich selbst vor Ort ein Bild machen, wer in die Vesperkirche kommt und wie groß der Bedarf ist. Tatsächlich fällt ihm sofort beim Betreten auf: „Ich habe das Gefühl, in diesem Jahr sind es noch mehr Besucher als im vergangenen Jahr.“ Der Bedarf sei offenbar groß, sagt er, „offenbar auch bei milden Temperaturen um die zehn Grad“.

Die Vesperkirche war eingerichtet worden, um Bedürftigen in der kalten Jahreszeit einen warmen Zufluchtsort zu bieten. „Das zeigt, wie wichtig und wie gefragt die Vesperkirche ist“, lobt der Oberbürgermeister die Einrichtung.

Kuhn tauscht Jackett gegen Küchenschürze

Die Besucher nutzen die Gelegenheit, mit dem Stadtoberhaupt über die Themen zu reden, die sie bewegen. Kaum ist er durch das Eingangsportal der Kirche gegangen, sprechen ihn die ersten Vesperkirchen-Besucher an. Dabei stehen nicht etwa Beschwerden über mangelnde Sozialleistungen im Mittelpunkt, sondern der Dauerbrenner Tiefbahnhof: „Warum lässt du S 21 jetzt einfach so durchgehen?“, fragt jemand. Kuhn erklärt geduldig, versucht sich Zeit zu nehmen für jede einzelne Frage. Er gibt sich bürgernah und sagt: „Ich sehe mich als Bürgermeister für alle, ob Millionär oder Obdachloser.“

Also tauscht er kurze Zeit später sein Jackett gegen die Küchenschürze („Wegen des Wirtschaftskontrolldienstes“, erklärt Ott), verteilt Kuchen und setzt sich anschließend bei einer Tasse Kaffee an den Tisch, um weiter mit den Menschen zu reden. „In der Markthalle wird viel Obst täglich weggeschmissen“, sagt Besucherin Inge. Ihr Anliegen: „Könnten Sie nicht anregen, dass das hierherkommt?“

Heidi fragt nach dem Pavillon am Mineralbad Berg: „Der steht schon mindestens zwei Jahren leer, kann man da nicht was machen?“ Fritz Kuhn verspricht, sich darum zu kümmern. Nach anderthalb Stunden geht er wieder. Vom Kuchen ist nichts übrig geblieben.