800 Menschen haben sich bereits als Ehrenamtliche für die Vesperkirche gemeldet – mehr als im vergangenen Jahr. Die Hilfsaktion startet am 17. Januar. Sieben Wochen lang stehen diejenigen im Mittelpunkt, die sonst im Abseits sind.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Zu Beginn der Planungen haben sich die Organisatoren der Stuttgarter Vesperkirche durchaus Gedanken gemacht, ob sich dieses Mal weniger Ehrenamtliche für die Hilfsaktion melden würden, da sich sehr viele bereits in ihren Gemeinden für Flüchtlinge engagieren. Doch das ist nicht der Fall. Auch für die 22. Vesperkirche kann die Diakoniepfarrerin Karin Ott die stolze Zahl von rund 800 Personen verkünden, die sich gemeldet haben, weil sie in den sieben Wochen vom 17. Januar bis 5. März ehrenamtlich mitarbeiten wollen – das seien knapp 100 mehr als zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr. Erstmals will sich auch der VfB-Stuttgart einbringen, darunter auch Mitglieder der Mannschaft.

 

„Wir wollen alles tun, damit es nicht zu einer Konkurrenzsituation zwischen sozial Benachteiligten und Flüchtlingen kommt“, sagt der Dekan Klaus Käpplinger bei der Vorstellung des Programms der 22. Vesperkirche. Auch er freut sich deshalb, dass die Zahl der Ehrenamtlichen gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Die Diakoniepfarrerin geht zudem nicht davon aus, dass Flüchtlinge in den sieben Wochen verstärkt die Vesperkirche aufsuchen werden. Man biete traditionelle deutsche Hausmannskost, das sei für diese nicht so attraktiv. Anders sieht das für Menschen aus dem osteuropäischen Raum aus, die wegen Armut und Diskriminierung ihre Heimat verlassen haben, hier rechnet sie mit steigenden Besucherzahlen.

Altersarmut hat zugenommen

Willkommen sei bei Ihnen jeder – ob alt oder jung, ob stark oder schwach, wohlhabend oder wohnungslos. „Es ist genug für alle da“, sagt Karin Ott – das gilt für sie nicht nur für die Vesperkirche. „Die Welt ist gesegnet mit materiellen Gütern und Gaben“, so die Pfarrerin. Umso deprimierender empfindet sie die Armutszahlen in Stuttgart. Knapp 48 000 Menschen bekämen entweder Hartz IV oder Sozialhilfe. In den vergangenen zehn Jahren sei der Anteil derer, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, von 5754 auf 8205 gestiegen. Altersarmut habe also zugenommen. „Vesperkirche heißt, nicht wegschauen, sondern der Armut ins Gesicht zu schauen“, meint Karin Ott. Klaus Käpplinger fordert zudem von der Stadt, wieder mehr den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Kritisch merkt er an, dass soziale Themen in den Haushaltsplanberatungen zu wenig auftauchten.

Die Vesperkirche in der Leonhardskirche wird in den sieben Wochen jeden Tag offen sein – und zwar von 9 bis 16 Uhr. Die Besucher bekommen ein frisch zubereitetes Mittagessen zum Preis von 1,20 Euro, kalte und warme Getränke und kostenlose Vesperbrotbeutel. Mediziner sind vor Ort, ein Friseur, die Fahrradwerkstatt der Neuen Arbeit. Zudem wird Tierfutter ausgegeben. Erstmals gibt es eine Sozialrechtsberatung. Neu ist auch, dass 40 Beschäftigungsgutscheine für Langzeitarbeitslose ausgegeben werden, finanziell unterstützt von der Vesperkirche.

Hochkarätiges Kulturprogramm

Jeden Sonntag gibt es in der Vesperkirche zudem ein besonderes Kulturprogramm, auch das ist bereits Tradition. Am 17. Januar, am Eröffnungstag, wird der Staatsopernchor um 16 Uhr singen. Eine Woche später folgt der Knabenchor Collegium Iuvenum Stuttgart. Der Eintritt ist frei, Spenden sind aber erwünscht.