Beim VfB-Gegner Hannover 96 stehen zwei gebürtige Stuttgarter im Fokus. Zum einen der Stürmer Joselu, der für die nötigen Tore sorgt, zum anderen der Trainer Tayfun Korkut, der für die nötige Ruhe sorgt.

Hannover - Der Kronzeuge für ihren Erfolg belässt es gerne bei leisen Tönen. „Stimmt. Jetzt ist es wirklich ein guter Saisonstart für uns“, sagte Joselu und gab sich große Mühe, nicht zu forsch oder gar überheblich zu klingen. Der neue Torjäger von Hannover 96 wird regelmäßig gebeten, das Erfolgsgeheimnis seines Vereins zu erklären. Drei Heimspiele, drei Siege, Sprung auf Platz drei: Nach dem jüngsten 1:0-Erfolg gegen den 1. FC Köln gab Joselu in einer munterem Mixtur aus Deutsch und Spanisch Einblicke in das Innenleben einer bestaunten Mannschaft.

 

Unter der Regie des Trainers Tayfun Korkut vollzieht sich bei Hannover 96 ein Umbruch. Die Niedersachsen drängen zurück in das internationale Geschäft. Ihr Trainer achtet dabei penibel darauf, dass keiner seiner Schützlinge aus der Reihe tanzt. Bisher klappt die Polonaise der Vernunft mit dem Spanier Joselu an der Spitze recht gut. Dabei waren sie durchaus belächelt worden.

Fünf Millionen Euro Ablösesumme? Für einen Stürmer, der in der Bundesliga gerade einmal eine gute Saison gezeigt hatte? Dass Joselu, dieser in Stuttgart geborene, an Eintracht Frankfurt ausgeliehene und am Ende der TSG Hoffenheim abgekaufte Stürmer kritisch beäugt werden würde, war in Hannover allen Beteiligten klar. Aber der teuerste Einkauf in der Vereinsgeschichte lässt angesichts seiner Tore (vier in Liga und Pokal) und hoher Einsatzbereitschaft alle Kritiker verstummen. „Er hat einfach Qualität und passt perfekt zu dem System, das wir spielen wollen“, sagt Korkut über José Luis Sanmartin Mato, so sein offizieller spanischer Name.

Man sieht Joselu meist mit dem Rücken zum Tor stehen, wie er den Ball annimmt, zum Nebenmann schiebt und nach einer kurzen Drehung – wie gegen Köln – im Tor versenkt. Seine Gabe, sich unter Druck zu behaupten und den Egoismus eines Stürmers immer wieder abzuschütteln, macht ihn so wertvoll.

Amtssprache Schwäbisch

Der 24-Jährige hat in Hannover Mame Diouf (Stoke City) schnell vergessen gemacht. Es sind ziemlich viele alte Zöpfe, die der neue Cheftrainer in Hannover innerhalb kürzester Zeit abgeschnitten hat. Vor fast neun Monaten durfte der Bundesliganovize Korkut den erfolglosen Mirko Slomka ablösen. Seitdem sind dem Verein mehrere Publikumslieblinge wie Diouf, Didier Ya Konan und Szabolcs Huszti abhanden gekommen.

Die meisten von ihnen hatten als Profis individuelle Klasse, aber auch Ecken, Kanten und Allüren. Korkut, der als Deutsch-Türke in Stuttgart aufgewachsen ist und an diesem Samstag beim VfB in der alten Heimat vorspielt, macht kein Geheimnis daraus, dass Extravaganzen Gift für eine intakte Mannschaft sind. Zielstrebig, ehrgeizig und fleißig geht der immer noch schwäbelnde, frühere türkische Nationalspieler seinen Weg. „Tayfun Korkut bleibt seiner Strategie treu. Er erkennt Potenzial und entwickelt Möglichkeiten“, sagt Martin Kind, der oft sehr strenge, in dieser Saison aber auch sehr spendable Präsident von 96. Zehn Neuzugänge aus aller Welt sind genehmigt worden.

Für Sportdirektor Dirk Dufner und Korkut ist die Vorgabe eindeutig: Kind möchte seinen Verein nicht im Mittelmaß versinken, sondern im internationalen Geschäft glänzen sehen. Das Heuern und Feuern von Trainern und Managern treibt im Profifußball immer merkwürdigere Blüten. Korkut war zunächst als Slomkas Assistent ausgesucht worden. Jetzt macht der 40-Jährige in leitender Position selbst Karriere und tritt nach einer anfänglichen Zurückhaltung sehr forsch auf.

Die Mannschaft folgt seinem Plan. „Die Spielanalysen von Korkut sind aus meiner Sicht überragend“, berichtet etwa der Mittelfeldspieler Ceyhun Gülselam. Die Versuche seines Trainers, den jüngsten Erfolg möglichst klein zu reden, sind aber auch nicht zu verachten. „Spitzenmannschaft? Wir sind keine Spitzenmannschaft. Und das Wort gefällt mir überhaupt nicht“, sagt Korkut, wenn eine zu hohe Erwartungshaltung ins Spiel kommt.