Martin Schmidt überzeugt als Trainer beim nächsten VfB-Gegner Mainz 05 und ist in einem Punkt sogar besser als seine Vorgänger Thomas Tuchel und Jürgen Klopp.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Mainz - Urig-rustikale Berghütten und mondäne Chalets, die sorgsam arrangiert an verschneiten Berghängen kleben, deftiges Raclette, gewaltige Kuhglocken, kein Autoverkehr, dafür Pferdeschlitten und eine glasklare Luft, gekrönt vom Blick auf den Aletschgletscher und die Gipfel der Viertausender; man muss nicht beim Tourismusverband Oberwallis angestellt sein, um zu erkennen: Dort oben auf der Belalp, in Nachbarschaft zu Riederalp und Bettmeralp, auf 1600 Meter Höhe und in Sichtweite des Matterhorns, kann das Leben paradiesisch schön sein.

 

Martin Schmidt hat als Junge meist die Sommer auf der Belalp verbracht. Aufgewachsen in Natters im Wallis, hütete er dann vor der Alphütte des Großvaters oft die Schafe. „Natürlich gehen mir die Berge ab“, sagt der einstige Extremskifahrer, der auf ungewöhnlichen Pfaden vom Naturidyll der Südschweiz zum FSV Mainz gekommen ist. Als Trainer der 05er (nächster Gegner ist am Freitagabend der VfB Stuttgart) bleibt ihm jetzt nur die spielfreie Zeit für eine Stippvisite in der Heimat, wo man stolz ist, dass es ihrem Martin als siebtem Schweizer nach Rolf Fringer, Martin Andermatt, Hans-Peter Latour, Marcel Koller, Christian Gross und Lucien Favre gelungen ist, einen Chefposten in der Fußball-Bundesliga zu erobern.

Seit 2010, als er zunächst beim FSV Mainz II begann, ist ihm Vater Rhein nur ein schwacher Naturersatz; doch der Umzug inklusive Karnevals- und Kulturschock musste einfach sein: Denn Martin Schmidt, der gläubige Katholik mit der Holzkreuz-Kette als Talisman, der in der Mainzer Innenstadt immerhin in Reichweite des Doms St. Martin wohnt, der war bereits über 30 Jahre alt, als er ultimativ feststellte, „dass ich jetzt mit Haut und Haaren nur noch Fußballtrainer sein will“.

Früher war Schmidt Stuntman und Mechaniker

Davor hatte sich der Autoliebhaber, der es als Spieler auch aufgrund diverser Knieverletzungen lediglich in die zweite Schweizer Spielklasse, die Nationalliga B, geschafft hatte, beruflich auf ganz anderem Terrain ausgetobt: Wie Art Furrer, der hierzulande durch die Fernsehsendung „Verstehen Sie Spaß?“ bekannte Ski-Stuntman von der Riederalp, war Martin Schmidt auf zwei Brettern tollkühn zu Tal gesaust; er hatte als Mechaniker eine Werkstatt eröffnet, war als Schrauber auch Teil der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft (DTM) – und hat erfolgreich eine Textilfirma gegründet, die heute seine Schwestern mit ihm als stillem Teilhaber führen. Ein leidenschaftlicher Macher ist er immer gewesen, heißt es in der Schweiz über Martin Schmidt, ein Mann voller Überzeugungskraft und ohne Angst.

Sein Mentor Thomas Tuchel holte ihn zur zweiten Mannschaft des FSV, die er später von der Regionalliga Südwest in die dritte Liga führen sollte. Ausschlaggebend war dabei das Finale des Pfingstturniers von Ergenzingen im Jahr 2009, wo Schmidts A-Junioren des FC Thun gegen Tuchels Mainzer gewannen. Danach hat „der Thomas wohl gemerkt hat, dass sein Gegenüber auch was kann.“

Liiert mit dem XL-Model Jana Azizi

Als sich Tuchel im Vorsommer als Bundesligacoach eine Auszeit gönnte, da war die Zeit aber noch nicht reif für den U-23-Coach. Erst, als der Tuchel-Nachfolger Kasper Hjulmand Mitte Februar nach nur einem Sieg aus 13 Spielen mit seinem Fußballlatein am Ende war, durfte Schmidt ran. Die Uefa-Profitrainerlizenz hatte er inzwischen in der Schweiz gemacht.

Durch ein 2:0 gegen den 1. FC Köln am 33. Spieltag haben die Mainzer Anfang Mai den Klassenverblieb gesichert. Doch Schmidt, der bei vielen Bundesligaspielen von einer Abordnung aus dem Oberwallis mittels Kuhglocken angefeuert wird, weiß: „Trainer in der Bundesliga zu werden, das ist das eine – es auch zu bleiben, das andere.“ Privat ist Schmidt mit dem 22 Jahre jüngeren XL-Model Jana Azizi liiert. Beruflich sitzt er fest im Sattel: Angeführt von ihrem Regisseur Yunus Malli (acht Tore, eine Vorlage) und dem japanischen Stürmer-Neuzugang Yoshinori Muto (sieben Tore, vier Vorlagen) rangieren die Rheinhessen auf dem siebten Tabellenplatz.

In einer Wertung liegt der beim Publikum beliebte Eidgenosse, der die FSV-Philosophie vom laufintensiven Offensivfußball „mit viel Pressing aus einer sauberen Grundordnung heraus“ ebenso wortgewaltig und engagiert umsetzt wie seine Vorgänger, sogar vorne: Mit 1,46 Punkten pro Spiel hat der 48-Jährige durch das 3:1 von Hamburg nun seine prominenten Mainzer Vorstreiter Tuchel (1,41) und Jürgen Klopp (1,13) überholt.