In dieser Woche will Labbadia nicht gestört werden. Er will im Fernsehsessel entspannen - bei seiner Lieblingssendung, dem Europapokal.

Stuttgart - In dieser Woche will Bruno Labbadia nicht gestört werden. Der Trainer des VfB Stuttgart hat vor, den einen oder anderen Abend im Fernsehsessel zu verbringen. Es läuft seine Lieblingssendung: Fußball total. Die internationalen Wettbewerbe beginnen - und der VfB ist erstmals seit fünf Jahren nicht dabei, wenn sich die besten Clubs in der Champions League und der Europa League messen. Deshalb hat Labbadia jetzt Zeit. Ein Dauerzustand soll die Abstinenz auf der großen Bühne jedoch nicht werden. Denn der verpasste Europapokal hat gravierende Folgen.

 

Erstens fehlt Geld in der Kasse - und zwar bis zu 25 Millionen Euro. Ungefähr so viel kassierte der VfB, als er sich 2007 und 2009 für die Königsklasse qualifiziert hatte. Die Teilnahme an der Europa League ist zwar bei Weitem nicht so lukrativ, es sei denn, die Mannschaft schafft mindestens den Sprung ins Halbfinale. Unabhängig davon schlägt sich das Verfehlen der internationalen Ziele nun in der Bilanz des Geschäftsjahres 2011 nieder, die auf der nächsten Mitgliederversammlung im Sommer 2012 vorgelegt wird.

Schere geht auseinander

Schon für das Jahr 2010 hatte der VfB einen Verlust von 2,2 Millionen Euro verbuchen müssen, obwohl in diese Zeit noch die Einnahme aus dem Achtelfinale in der Champions League gegen den FC Barcelona fiel. Insgesamt verläuft die Entwicklung ohnehin so, dass die Schere zwischen den reichen Clubs in der Königsklasse und dem Rest immer weiter auseinandergeht.

Zweitens können sich die Stuttgarter Profis jetzt nicht im internationalen Schaufenster zeigen - was gleichzeitig immer auch eine gute Gelegenheit ist, sich für die Nationalmannschaft zu empfehlen. Bezeichnenderweise sind in dieser Woche außer Lukas Podolski alle Stammspieler des Bundestrainers Joachim Löw im Einsatz. Nachteilig wirkt sich das beim VfB vermutlich speziell für Serdar Tasci aus, da die vier Hauptkonkurrenten des Innenverteidigers sogar alle in der Champions League mitmischen: Holger Badstuber, Jérîme Boateng (beide FC Bayern), Mats Hummels (Dortmund) und Per Mertesacker (Arsenal). Zudem können vor allem junge Spieler in internationalen Vergleichen vieles lernen, was für ihre Karriere nützlich ist. Diese Chance haben sie beim VfB gerade nicht.

Kein so großer Kader notwendig

Drittens ist ohne Europapokal kein so großer Kader notwendig, wie ihn der VfB nach wie vor unterhält. Das weiß der Club auch, aber es ist ihm im Sommer nicht gelungen, sich von einigen überzähligen Spielern zu trennen. Eine zweite Saison ohne internationale Perspektive würde einen solchen Schnitt jedoch zwingend erfordern - allein schon aus Kostengründen. Siehe die Bilanz bei der Mitgliederversammlung.

Viertens leidet das Image des Vereins. Der Europapokal ist in den Medien das zentrale Thema, der VfB findet da praktisch nicht statt. So ist er zumindest überregional eine graue Maus und wird auf einer Stufe mit Köln, Freiburg und Co. wahrgenommen. Dadurch ist es wiederum schwierig bis unmöglich, sich für neue Sponsoren interessant zu machen und zusätzliche Unternehmen für sich zu gewinnen. Die vorhandenen Partner sind ebenfalls unzufrieden, auch wenn sie die Prämien sparen, die bei internationalen Auftritten fällig werden. Auch dieses Geld muss der Club also abschreiben. Zudem ist der VfB deshalb nicht besonders attraktiv für mögliche Neuzugänge. Denn richtig starke Spieler sind in der Regel nur zu bekommen, wenn internationales Flair gewährleistet ist.

Enorme Probleme

Fünftens ist es aber auch so, dass sich die Mannschaft voll auf die Bundesliga konzentrieren kann - und da auf die nächste Partie am Freitag in Freiburg. Das wäre anders, wenn zuvor ein Spiel im Europapokal auf dem Programm stehen würde. Viele Mannschaften haben jedenfalls direkt nach internationalen Duellen enorme Probleme, auf den Ligabetrieb umzuschalten.

Sechstens könnte die jetzige Situation ein gutes Omen sein. Denn nach der Saison 2006/07 war der VfB international immer vertreten. Die damalige Runde stand also unter ähnlichen Vorzeichen wie die aktuelle - und sie endete mit der Meisterschaft.

PS: Nach den ersten fünf Spieltagen der Saison 2006/07 lag der VfB mit sieben Punkten auf Rang zehn. Aber siebtens dürften Parallelen zu heute rein zufällig sein.