In der zweiten Liga hat Simon Terodde in den vergangenen zwei Jahren 50 Tore geschossen, in der Bundesliga wartet er noch auf seinen Premierentreffer. Was auch damit zu tun hat, dass der VfB-Stürmer andere Aufgaben hat, als im Strafraum auf Flanken zu warten.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Mönchengladbach - Die weiße Binde am linken Oberarm kennzeichnet ihn seit der schweren Gesichtsverletzung von Christian Gentner als Spielführer des VfB Stuttgart – doch in Wirklichkeit ist Simon Terodde eine der größten Arbeitsbienen im Team des Aufsteigers. 11,8 Kilometer hat der Blondschopf bei der 0:2-Niederlage am Dienstagabend im Gladbacher Borussia-Park abgespult. Für einen Stürmer, der seine Stärken vor allem als Knipser im Strafraum hat, ist dies ein außergewöhnlicher Wert. Nur der Sechser Santiago Ascacibar lief noch mehr. „In einem so schweren Auswärtsspiel muss man als Mannschaft taktisch gut nach hinten arbeiten“, sagt Teamplayer Terodde, der sich vor allem auswärts bereits als Kilometerfresser einen Namen gemacht hat.

 

Was in der Ära von Gerd Müller, Uwe Seeler, Horst Hrubesch und Co. noch undenkbar war, gehört in Zeiten von Vollgasfußball, Ein-Kontakt-Spiel und falscher Neun inzwischen zum Stürmeralltag. Ausschließlich vorne im Strafraum auf die Flanken zu warten, das reicht nicht mehr. Nicht nur für Terodde. Allerdings stellt sich beim aktuellen Blick auf den stets aufopferungsvoll kämpfenden Angreifer schon die Frage, ob der 29-Jährige bei all der Schufterei eigentlich noch hinreichend dazu kommen kann, seine ureigene Aufgabe, das Toreschießen, zu erledigen. Bei null Erstligatreffern liegt nach fünf Spieltagen die Zwischenbilanz des Mannes, der in den beiden Vorjahren als Zweitliga-Torschützenkönig jeweils 25-mal reüssierte.

Rückendeckung von VfB-Trainer Hannes Wolf

VfB-Trainer Hannes Wolf lobt seinen Stürmer weiterhin: „Er hängt sich immer voll rein. Das ist das Entscheidende.“ Und auch Terodde selbst murrt nicht: „Ich kam in aussichtsreiche Positionen. Da kann ich nicht bemängeln, dass ich nicht unterstützt werde“, sagt der große Blonde.

Tatsächlich aber hat sich mit dem Aufstieg die Balance zwischen Abwehr- und Angriffsarbeit beim VfB augenscheinlich verschoben – und nicht nur der neue Spielführer ist dabei ein Opfer der Umstände. Weil für den VfB-Trainer Wolf nach der Rückkehr ins Konzert der Großen erst einmal „safety first“ gilt, leidet das Offensivspiel. Lediglich drei Tore haben die Stuttgarter in den ersten fünf Saisonspielen zustande gebracht, was immerhin zu zwei 1:0-Heimsiegen gegen den FSV Mainz 05 und den VfL Wolfsburg reichte.

Auch Asano, Donis und Brekalo bekommen die defensivere Ausrichtung zu spüren

Doch die neue Hinten-dicht-Devise bekommen neben Terodde auch die Flügelspieler wie Takuma Asano, Anastasios Donis und Josip Brekalo zu spüren, denen sich im Vorwärtsgang oft zu wenige Anspielstationen bieten. Das verwundert kaum: Sind im aktuellen VfB-System mit einem in Gladbach wie an der Schnur gezogenen Fünferriegel sowie einer vorgelagerten Doppel-Sechs ja inzwischen sieben Feldspieler vornehmlich mit Defensivaufgaben beschäftigt.

„Wir wollten hinten so lange wie möglich die Null halten – und dann zu Kontern kommen“, erläutert VfB-Sportvorstand Michael Reschke den Stuttgarter Matchplan in Mönchengladbach, der inzwischen beinahe für alle Spiele gilt. Und so ist der VfB in der Kategorie Ballbesitz meist nur zweiter Sieger. Immerhin gibt es einen positiven Nebeneffekt: Vor Saisonbeginn als großes Sorgenkind eingestuft, steht die Stuttgarter Abwehr um ihren neuen, stark auftrumpfenden Juniorchef Benjamin Pavard inzwischen ziemlich stabil. Dies gelang zuletzt auch ohne den verletzten Holger Badstuber, der mit Blick auf die Heimpartie am Samstag (15.30 Uhr) gegen den FC Augsburg wieder eine Alternative sein soll.

VfB-Sportvorstand Michael Reschke vermisst den "Lucky Punch“

Dass es nun vornehmlich in der Vorwärtsbewegung hakt, ist dem Trainer Wolf natürlich nicht entgangen. „Wir wollten die ganze Zeit nach vorne spielen. Doch Wollen und Können sind manchmal zwei Paar Schuhe“, sagt der 36-Jährige, dessen Verteidiger Timo Baumgartl von „mangelnder Durchschlagskraft“ sprach. Der VfB-Sportvorstand Reschke vermisste derweil ganz simpel den „Lucky Punch“.

Während der angeschlagene Stürmer Daniel Ginczek weiter ein Wackelkandidat ist, macht immerhin die Rückkehr des in Gladbach kurzfristig wegen Oberschenkel-Problemen ausgefallenen Chadrac Akolo vor dem Augsburg-Spiel Hoffnung auf mehr Offensiv-Esprit. Immerhin hat Akolo bereits zwei Tore und damit zwei Drittel sämtlicher Stuttgarter Treffer erzielt. Es bleibt abzuwarten, ob Wolf gegen Augsburg taktisch mutiger wird.

Allerdings gilt es so langsam auch an den stets bescheidenen Spielführer zu denken. Stürmer leben von Toren – und Simon Terodde wartet, seine Kölner Zeit vor sieben Jahren mit eingerechnet, inzwischen seit zehn Spielen auf seinen ersten Erstligatreffer.