Der Sportchef des VfB Stuttgart, Jan Schindelmeiser, vereint Spieler aus aller Herren Länder – was auch Gefahren für den Bundesligisten birgt.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Natürlich wäre in Zeiten wie diesen Vieles vorstellbar. Ein Spieler aus China zum Beispiel. Schließlich verspräche der sicherlich gute Vermarktungsaktivitäten in Fernost. Wie man anhand von Takuma Asano gut beobachten konnte. Kein Zweitliga-Kick, bei dem nicht wenigstens drei Reporter aus der Heimat des Japaners über den Angreifer und seinen Arbeitgeber berichteten. Ein hübscher Nebeneffekt, allemal.

 

Nun hat auch der Bundesliga-Rückkehrer VfB Stuttgart die Märkte und Geschäftsmodelle in Fernost und Übersee nicht aus dem Blick verloren. Vorrangig richten sich die Ziele aber auf das rein Sportliche: den Überlebenskampf im Fußball-Oberhaus. Um alles in der Welt will der fünfmalige deutsche Meister einen erneuten Absturz verhindern. Weshalb Sportvorstand Jan Schindelmeiser auch niemals auf die Idee käme, einen Spieler nur aus PR-Gründen unter Vertrag zu nehmen. Etwa aus China.

Kicker aus sämtlichen Kontinenten

Schindelmeiser sondiert lieber die Märkte im benachbarten europäischen Ausland. Afrika und Südamerika stehen ebenfalls hoch im Kurs. Weil sie den größten Fundus an Fußballern bereithalten, auf die es der VfB gegenwärtig abgesehen hat: Jung, hungrig, bezahlbar. Eigenschaften, die auf sämtliche Neuzugänge in der Ägide des Sportchefs zutreffen: Auf Orel Mangala genauso wie auf Chadrac Akolo, Anastasios Donis, Dzenis Burnic sowie Schindelmeisers frisch gezücktes As: Den Brasilianer Ailton Ferreira Silva. Nicht zu vergessen die erste und zweite Transfer-Generation um Benjamin Pavard, Carlos Mané, Takuma Asano, Ebenezer Ofori, Jerome Onguené, Josip Brekalo und Julian Green.

Spieler aus aller Herren Länder, die ihre sportlichen Qualitäten erst zum Teil unter Beweis stellen konnten. Und die aus dem VfB Stuttgart inzwischen einen VfB International gemacht haben. 25 Kicker, 16 Nationalitäten – von Argentinien über Australien, Japan, Griechenland bis Ghana sind sämtliche Kontinente an der Mercedesstraße vereint.

Was einerseits die Realität im modernen Fußball abbildet und in einer weltoffenen Stadt wie Stuttgart auch kein Akzeptanzproblem mehr darstellen dürfte. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht mit der Stuttgarter Multi-Kulti-Truppe.

Übersetzer fester Bestandteil des Trainerteams

Zumindest gewisse Verständigungsprobleme lassen sich nicht wegdiskutieren. Das betrifft vor allem die French Connection um Pavard, Onguéné und Akolo. Dem Trio wurde mit Matthieu Delpierre ein Übersetzer an die Seite gestellt, genauso wie dem Japaner Takuma Asano mit Jumpei Yamamori. Co-Trainer Miguel Moreira kümmert sich um die Portugiesisch-Fraktion um Mané und Ailton.

Nun ist eine Trainingseinheit aber kein Pro-Seminar. Fußball lebt von der direkten Ansprache und schnellen Befehlen. Hannes Wolf erntete in den ersten Tagen noch reichlich fragende Blicke von seinen Neuen – auch wenn der Cheftrainer sich größte Mühe gibt, auf Deutsch und Englisch wenigstens den Großteil seiner Truppe direkt zu erreichen.

„Das ist eben die Herausforderung des modernen Fußballs“, sagt Wolf. „Der stellen wir uns.“ Wer wie er im Ruhrgebiet jugendliche Fußballer unterrichtet habe, verfüge aber zwangsläufig über eine gewisse sprachliche Flexibilität, fügt er mit einem Lächeln hinzu.

Wolf muss sprachlich flexibel sein

„Natürlich würden wir viel lieber deutsche oder deutschsprachige Spieler verpflichten“, sagt Jan Schindelmeiser. Von seinen 13 Einkäufen seit Amtsantritt sind Ron-Robert Zieler, der Deutsch-Amerikaner Green sowie der Deutsch-Bosnier Burnic bislang die einzigen. Angesichts der Preisstruktur ist auch nicht davon auszugehen, dass ausgerechnet auf den Wunschpositionen in der Defensive noch ein weiterer hinzukommt.

Dem Sportchef geht es um schnelle Integration – aber auch um Identifikation. „Nichts lieber als das“, antwortet er auf die Frage, ob er auf lange Sicht nicht eine ausgeglichenere Struktur aus Jung und Alt, aus eigenen Talenten und internationaler Klasse anstrebt. Auch, weil zumindest der konservative Teil des Anhangs lieber einen Kicker aus Cannstatt als aus dem Kongo auf dem Platz stehen sieht.

Solche Rufe werden spätestens dann laut, wenn es sportlich nicht läuft. Eine Erfahrung, die der VfB um die Jahrtausendwende mit einer Reihe von Legionären (Sasa Markovic, Florin Raducioiu, Adhemar, Rui Marques, Mitko Stojkovski) schon einmal machen musste.

Schindelmeiser weiß um die Gefahren. Im Moment kann er aber nur auf die wirtschaftliche und sportliche Ist-Situation verweisen. In der andere Dinge Priorität genießen – die sportliche Konsolidierung in der Bundesliga.