In Dzenis Burnic, Ebenezer Ofori und Berkay Özcan sind drei Mittelfeld-Talente beim VfB Stuttgart fast von der Bildfläche verschwunden. Doch das kann sich bei Trainer Hannes Wolf schnell wieder ändern.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Hannes Wolf ist immer für eine Überraschung gut. Zumindest wenn er sich in die Gedankenwelt eines modernen Fußballlehrers begibt. Denn wenn der Trainer aus den Tiefen seiner Überlegungen über Laufwege und Räume wieder auftaucht, dann hat er nicht nur seinen sogenannten Matchplan parat, sondern ebenso die elf Spieler ausgewählt, die diesen mit Leben füllen sollen.

 

Verblüffende Lösungen ergeben sich da häufig mit Blick auf die Aufstellungen des VfB. Wie zuletzt gegen den FC Augsburg (0:0), als sich im Vorfeld erahnen ließ, dass der Trainer im defensiven Mittelfeld etwas ändern würde. Auf Benjamin Pavard, der aus der Abwehr nach vorne geschoben wurde, ist aber keiner gekommen, der nicht Hannes Wolf heißt. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Pavard hat das gut gemacht. Doch gerade in diesem Bereich verfügen die Stuttgarter über genügend andere Fachkräfte – und jetzt könnten sich Dzenis Burnic und Ebenezer Ofori schon fragen, was eigentlich mit ihnen ist?

Die jungen Spieler suchen das Gespräch

Zunächst nichts. „Wir sind eine Bundesligamannschaft, und da muss sich jeder strecken“, sagt Wolf. Es gilt das Leistungsprinzip und von einem Matchplan kann man nicht verlangen, dass er Gefühle zeigt. Allerdings ist es auch so, dass sich Enttäuschungen auswirken können. „Wir haben einige junge Spieler, die draußen sitzen“, sagt Wolf, „da gibt es Frust und es werden Gespräche gesucht.“

Diese werden auch geführt. Zum einen, um zu erklären, warum sich der Trainer für den einen und damit gegen den anderen Spieler entschieden hat. Zum anderen, um den Talenten den Weg aufzuzeigen, wie sie zurück ins Team gelangen. „Die Jungs müssen Gas geben und im Training voll dran bleiben“, sagt Wolf. Denn in die zweite Reihe zu rücken, bedeutet bei ihm nicht abgeschrieben zu sein. Und so schnell wie einer rausrotiert wird, kann er wieder hineinkatapultiert werden. Siehe in der Vorsaison Alexandru Maxim und Florian Klein, die als Nationalspieler häufig auf der Tribüne saßen und im Saisonendspurt wichtig für die Aufstiegsmannschaft wurden.

Auch Burnic muss sich jetzt gedulden. Als Gewinner der Vorbereitung durfte sich die 19-jährige Leihgabe von Borussia Dortmund fühlen. Dann kam der 13. August und das DFB-Pokalspiel bei Energie Cottbus. Auf der Taktiktafel stand die neue Mitte mit Burnic und Ofori. Das Duo hatte es geschafft, den Kapitän Christian Gentner auf die Bank zu drücken. Theoretisch. Praktisch fiel plötzlich der Innenverteidiger Timo Baumgartl aus und die komplette Statik des Teams veränderte sich. Burnic musste gegen den Regionalligisten links hinten aushelfen. Er spielte schlecht. Ebenso wie Ofori im Mittelfeld – und raus waren sie.

Seit dem Pokalspiel hat sich viel verändert

Das ist zumindest die Außenwahrnehmung, weil beide seither kaum noch eingesetzt wurden. „Dzenis Burnic hatte aber schon um das Cottbus-Spiel herum seine super Form etwas verloren“, sagt Wolf. Seine anschließende Nichtberücksichtung war also nicht die Folge einer schwachen Vorstellung in der Lausitz, sondern die Summe vieler Eindrücke aus mehreren Trainingswochen. Vertrauen in ein Talent zu setzen, ist deshalb die eine Seite der Trainermedaille. Die Kehrseite ist es, eine so hohe Leistungsdichte zu haben, dass gleich Orel Mangala seine Chance nutzte. Zudem hat der Manager Michael Reschke dem Kader seither mit dem Argentinier Santiago Ascacibar weitere jugendliche Klasse sowie mit Dennis Aogo und Andreas Beck noch Erfahrung zugeführt.

Nun kämpfen Burnic und Ofori um den Anschluss. „Die Spieler müssen an ihren Qualitäten arbeiten und für den Moment bereit zu sein, wenn es losgeht“, sagt der Trainer. Hart kann das sein, auf diese Chance zu lauern, wenn am Freitagnachmittag die 18 Namen derjenigen aufgerufen werden, die auf den nächsten Spielberichtsbogen sollen – und der eigene fehlt.

Berkay Özcan stand in dieser Saison selten drauf. Auf 18 Erstligaminuten gegen den FSV Mainz 05 bringt es der 19-Jährige und ist damit fester Bestandteil des Reservistentrainings am Tag nach den Pflichtspielen. Aber was heißt schon Reservistentraining? Nie würde es Wolf in den Sinn kommen, diesen Begriff zu verwenden. Eine Übungseinheit ist eine Übungseinheit und ernsthaft anzugehen.

Dem ersten Training nach einer Partie misst Wolf sogar besondere Bedeutung zu. Weil er sieht, wie die zu kurz Gekommenen mit ihrer Situation umgehen. Hadern sie – oder kämpfen sie? Denn was für die Anfangself das Ende der alten Arbeitswoche bedeutet, ist für den Rest der Ausgangspunkt für neue Hoffnung. Ehe der Trainer wieder in seiner Gedankenwelt versinkt – und vielleicht vor der Begegnung in Frankfurt mit einer Überraschung auftaucht.