Beim Neujahrsempfang des VfB Stuttgart punktet Präsident Bernd Wahler mit einer leidenschaftlichen Rede. Zuvor war er eher für mal nichts­sagende, mal vielsagende Darbietungen bekannt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Die Rede fängt schon gut an. „Ich verzichte darauf, Gäste namentlich zu begrüßen“, sagt der Präsident Bernd Wahler. Während seine Vorgänger im höchsten VfB-Amt beim traditionellen Neujahrsempfang des Fußball-Bundesligisten ebenso traditionell viel Zeit darauf verwendeten, die Vertreter aus dem Rathaus, von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst noch mit dem dazugehörigen Dienstgrad willkommen zu heißen, wählte Wahler die vollkommen ausreichende Abkürzung: „Guten Abend alle zusammen.“

 

An diesem guten Abend hatte Wahler den Partnern des VfB Wichtigeres zu sagen als ein langatmiges „Grüß Gott“. Präzise, leidenschaftlich, ja kämpferisch sprach der Präsident und traf damit in der schwierigen Situation, in der sich der Verein sportlich und finanziell befindet, genau den richtigen Ton. Er beschwor den Teamgedanken und forderte nicht nur die Spieler, sondern jeden Vereinsmitarbeiter auf, spätestens jetzt „bis an die Leistungsgrenze zu gehen“, um den Bundesligaabstieg zu verhindern. Außerdem bekannte sich Wahler in aller Deutlichkeit zum Jugendkonzept und konnte mit der Vertragsverlängerung des Abwehrtalents Timo Baumgartl gleich einen Beleg anführen.

Schlüssige Erläuterung, mitreißende Ansprache

Dann erläuterte Bernd Wahler schlüssig die Umstrukturierung der Führungsebene und die Berufung der langjährigen Mitarbeiter Stefan Heim (Finanzen) und Jochen Röttgermann (Marketing) in den Vorstand. Abgerundet wurde die Rede mit dem Blick nach vorn: „Das Schlimmste zu verhindern ist keine motivierende Perspektive. Ziel muss für den VfB sein, im oberen Tabellendrittel zu stehen. Dann will ich bei einem Neujahrsempfang sagen können: gemeinsam haben wir den VfB Stuttgart auf Erfolgskurs gebracht.“

Getreu des Wahler-Mottos – „Leidenschaft statt lamentieren, Taten statt Worte“ – war die mitreißende Rede des Präsidenten nach nicht einmal 20 Minuten beendet. Das nennt man auf den Punkt gebracht.

Ein starker Auftritt.

Der Neujahrsempfang am Montagabend könnte damit für Wahler so etwas wie der persönliche Befreiungsschlag nach eineinhalb Jahren Präsidentschaft werden – und damit auch seine zuvor mal nichtssagenden, mal vielsagenden Darbietungen vergessen machen. Beim 56-Jährigen hatte man bisher den Eindruck, ihm widerstrebe es, vor großem Publikum zu sprechen. Deshalb war er jetzt nicht wiederzuerkennen und erinnerte in der so motivierten wie motivierenden Ansprache fast schon an die Ehrenpräsidenten und Rampensäue Gerhard Mayer-Vorfelder und Erwin Staudt.

So scheint es fast, als habe sich Wahler über die Wirkung seiner Auftritte und Aussagen zuletzt Gedanken gemacht. Das könnte mit seinen teilweise irritierenden Stellungnahmen im VfB-Trainingslager an der Algarve zu tun haben. Dort sagte er über den Trainer Huub Stevens folgende Sätze: „Er passt zu unserer Philosophie und zu unserer Strategie.“ „Ich kann mir super vorstellen, mit Huub Stevens über die Saison hinaus zusammenzuarbeiten.“ „Wir sind in Gesprächen.“ Alle anwesenden Journalisten kamen anhand dieser Sätze unabhängig voneinander zum selben Fazit, das so lautete: „Wahler will mit Stevens verlängern.“ Allein für den Präsidenten war dieser Rückschluss nicht legitim.

Bei einem Bundesliga-Boss wird genau hingehört

Wahler fühlte sich wieder einmal falsch verstanden. So wie nach einem Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung, als er den Stürmer Kevin Kuranyi auf Nachfrage als sehr interessant für den VfB bezeichnete – die entsprechende Berichterstattung dann aber als unseriös bezeichnete. Zuletzt tat er dies im Trainingslager vor Journalisten. Zwei von ihnen hätten Wahler zuvor schon einmal richtig reinlaufen lassen können, als er sich ihnen gegenüber direkt nach dem VfB-Sieg in Hamburg sehr abfällig über Spielweise und Qualität des HSV äußerte. Eine knackige Überschrift mit dem O-Ton Wahlers hätte bundesweit Wirbel ausgelöst. Garantiert.

Der Bedeutung seiner Worte ist sich Bernd Wahler nicht immer bewusst gewesen. Bei einem Bundesliga-Manager wird aber genauer hingehört als bei einem Adidas-Manager, der Nachrichten zu verkünden hatte wie die Verlängerung des Ausrüstervertrags mit der, sagen wir, mexikanischen Fußball-Nationalmannschaft. Rund um den Chefsessel beim VfB stehen eindeutig mehr Fettnäpfchen. Und immer gerecht behandelt wird man in dieser Position auch nicht. Zumal die Qualität des Präsidenten in erster Linie an der Leistung der Mannschaft abgelesen wird.

Nach dem Auftritt beim Neujahrsempfang und der Umstrukturierung der Vereinsführung kann Bernd Wahler ein Vorwurf nun aber nicht mehr gemacht werden: dass er Veränderungswillen vermissen lasse. „Fragt sich nur, ob deshalb der Ibisevic jetzt wieder trifft?“, murmelte ein Zuhörer am Ende von Bernd Wahlers Rede.