VfB-Aufsichtsratschef Joachim Schmidt und sein Stellvertreter Eduardo Garcia haben ihre Ämter niedergelegt. Im Verein betrachtet man die personelle Vergangenheitsbewältigung damit als vorerst beendet an.

Stuttgart - Im Moment der schweren Niederlage versuchte Joachim Schmidt, sich gewohnt kämpferisch zu geben. Er verstehe zwar die Enttäuschung der Leute, sagte er, nachdem am Sonntag mehr als 70 Prozent der anwesenden VfB-Mitglieder dem von ihm geführten Aufsichtsrat die Entlastung verweigert hatten. Doch zog der sturmerprobte Manager daraus zunächst nur eine Konsequenz: Als „Ansporn“ verstand Schmidt das niederschmetternde Votum und versprach, alles dafür zu tun, das Vertrauen zurückzugewinnen.

 

Ein Rücktritt schien ausgeschlossen, weil Schmidt (67) eigentlich kein Mann ist, der sich von den Launen der Basis aus dem Konzept bringen lässt und aufgibt, wenn er Gegenwind spürt. 24 Stunden später aber kam der frühere Daimler-Vertriebschef zu einer anderen Einsicht. Wohl nicht ganz freiwillig legte der Aufsichtsratschef am Montagabend, ebenso wie sein Stellvertreter Eduardo Garcia, sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder.

„Ich möchte dem Neuanfang nicht im Wege stehen“

Vorausgegangen waren viele Telefonate mit den Kollegen aus der Clubführung, immer lauter werdende Hinweise darauf, dass Schmidt den propagierten Neubeginn blockiert, und offenbar auch deutliche Signale seines ehemaligen Arbeitgebers. Daimler hatte ihn einst in den VfB-Aufsichtsrat entsandt – und sorgt sich nun zunehmend um die Reputation des Krisenclubs von der anderen Straßenseite. Mit seinem Schritt ziehe er „die Konsequenz aus der nicht erfolgten Entlastung“, sagt Schmidt und fügt an: „Offensichtlich wollte ein großer Teil der anwesenden Mitglieder einen personellen Neuanfang. Dem möchte ich nicht im Wege stehen.“ Das dürfte dann auch im Sinne des VfB-Präsidenten Bernd Wahler gewesen sein. Er wurde zwar ebenfalls nicht entlastet, will aber dennoch „den Wandlungsprozess mit Nachdruck weiterverfolgen“.

Der große Schatten von Dieter Hundt

13 Jahre lang saß Schmidt im VfB-Aufsichtsrat und hat sich, wie der Ehrenratsvorsitzende Hermann Ohlicher sagt, „große Verdienste um den Verein erworben“. Den Fans allerdings ist er immer suspekt geblieben. Das liegt einerseits daran, dass Schmidt eine gewisse Selbstgefälligkeit nachgesagt wird und er für viele das Bild des machtbewussten Managers verkörpert. Andererseits konnte er nie den Verdacht entkräften, sein Amt in der Tradition seines Vorgängers Dieter Hundt zu führen, der sich immer forsch ins Tagesgeschäft eingemischt hatte und zum großen Feindbild der VfB-Fans geworden war.

Vergeblich wehrte sich Schmidt gegen den Vorwurf, es nicht bei der Kontrolle des Vorstands zu belassen, sondern selbst aktiv einzugreifen. Es sei nicht seine Aufgabe, einen neuen Trainer zu engagieren, beteuerte er auf der Mitgliederversammlung, als er gefragt wurde, warum er Thomas Tuchel abgesagt habe. Ironischerweise hätten sich viele Fans in eben diesem Punkt gewünscht, dass die von Schmidt auf höchster Daimler-Ebene initiierten Gespräche mit dem einstigen Wunschtrainer weitergeführt worden wären. Am Ende wurde ihm zum wiederholten Male die Entlastung der Mitglieder verweigert – nicht einmal Dieter Hundt hatte noch weniger Rückhalt.

Eduardo Garcia will „auch in Zukunft ein VfBler bleiben“

Als Überbleibsel des alten VfB-Systems musste sich auch Eduardo Garcia von dem Misstrauensvotum angesprochen fühlen und zog ebenfalls die Konsequenzen. Es half wenig, dass er auf der Mitgliederversammlung darauf verwiesen hatte, den VfB mit seinem einstigen Engagement als Hauptsponsor vor dem finanziellen Kollaps bewahrt zu haben. „Das war für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt der Gazi-Chef und will wie Schmidt „auch in Zukunft ein VfBler bleiben“. Sein Sponsoring als sogenannter Premiumpartner läuft bis 2016.

Dem Aufsichtsrat gehören nun nur noch der Daimler-Vorstand Wilfried Porth, der Kärcher-Boss Hartmut Jenner und der Würth-Vertriebschef Martin Schäfer an. Sie wurden erst 2014 ins Amt gewählt und gelten daher als weitgehend unbelastet. Als vorerst abgeschlossen gilt damit die personelle Vergangenheitsbewältigung, nachdem zuletzt auch der Vorstand mit Robin Dutt (Sport), Stefan Heim (Finanzen) und Jochen Röttgermann (Marketing) neu formiert wurde. Bernd Wahler, seit 2013 im Amt, ist nun der Dienstälteste in der VfB-Führung und sagt: „Jetzt wollen wir die Veränderungen auch auf dem Platz sichtbar werden lassen.“

Wer wird neuer Aufsichtsratschef?

Bei der nächsten Mitgliederversammlung im Juni 2016 soll der Aufsichtsrat wieder komplettiert werden – „bis dahin sind wir weiterhin voll handlungsfähig“, sagt Bernd Wahler. Bereits bei nächster Gelegenheit sollen die drei verbliebenen Räte einen Vorsitzenden bestimmen. Hartmut Jenner gilt als Mann mit großen Ambitionen, Martin Schäfer beherrscht die Sprache der Fans – doch spricht viel dafür, dass Daimler im Vorgriff auf die geplante Ausgliederung auch dieses Mal seinen Einfluss geltend macht. In diesem Falle dürfte Wilfried Porth das Erbe von Joachim Schmidt antreten.