Es gibt einige gute Gründe, warum der VfB Stuttgart so lange wie möglich am umstrittenen Alexander Zorniger festhält. Eine Analyse von Sportredakteur von Peter Stolterfoht.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Es gibt eine Alexander-Zorniger-Episode, die gibt dem VfB eine Art Resthoffnung. Diese Geschichte beginnt allerdings zunächst mit einem der üblichen krawalligen Auftritte des Stuttgarter Trainers. In einer Pressekonferenz hatte sich Zorniger nach dem bisher einzigen Saisonsieg des VfB in Hannover diesmal die Journalisten vom „Kicker“ vorgeknöpft, weil die seiner Meinung nach den Stürmer Daniel Ginczek mit einer Note von 3,5 deutlich zu schlecht bewerteten. Von „Schwachmaten“, die sich nur in den VIP-Räumen die Bäuche vollhauen und deshalb vom Spiel nichts mitbekommen würden, war da die Rede. Als Zorniger danach von verschiedener VfB-Seite darauf hingewiesen wurde, dass solche Äußerungen nicht unbedingt zielführend seien, zeigte sich der Trainer einsichtig, griff von sich aus zum Telefonhörer und entschuldigte sich in der Redaktion für seinen „Ausrutscher“.

 

Zornigers Reaktion ist dann so etwas wie der Mutmacher beim VfB. Vielleicht ist er ja doch nicht beratungsresistent und grundsätzlich zum Einlenken bereit, so heißt es jetzt auch wieder, nachdem der Trainer in Hoffenheim erneut gewaltig übers Ziel hinausgeschossen war. Dort stellte er Timo Werner bloß, indem er dessen Küsse Richtung Tribüne nach dem Tor zum 2:2-Endstand aggressiv imitierte. Und wieder gab es klare Worte vom Sportvorstand Robin Dutt in Richtung Trainer.

Der ganze Verein hat sich hinter dem Konzept versammelt

Die Vereinsführung hat es bisher bei deutlichen Ansagen belassen, obwohl Alexander Zorniger der Trainer in der VfB-Geschichte ist, der am erfolglosesten in eine Saison gestartet ist und nebenbei noch die lautesten Nebengeräusche produziert hat. Früher reichte es beim VfB für eine Entlassung, wenn nur einer von diesen beiden Tatbeständen erfüllt worden ist.

Es gibt natürlich Gründe, warum die Clubführung mehr Geduld für den impulsiven Alexander Zorniger aufbringt als für viele seiner Vorgänger. Dies hat damit zu tun, dass sich der VfB wohl noch nie so kategorisch auf das Konzept eines Trainers eingelassen hat. Zornigers Offensivphilosophie soll zum Markenzeichen des ganzen Vereins werden und von der U 11 bis zu den Profis gelehrt werden. Den Cheftrainer zu entlassen hieße gleichzeitig, die Mission des ganzen Clubs für gescheitert zu erklären. Dieses Eingeständnis soll es nur geben, wenn es aus Sicht der handelnden Personen gar nicht mehr anders geht.

Alle im Verein haben sich hinter dem Zorniger-Konzept versammelt, das auch bei Bedarf einen kompromisslosen Umgang mit den von den Vorgänger-Trainern oft geschonten Spielern vorsieht.

Außerdem wäre auch der starke Mann beim VfB geschwächt, wenn sich die Verpflichtung Zornigers als Fehlgriff herausstellen würde. Robin Dutt hat seinen schwäbischen Wunschkandidaten gegen diverse Bedenken von außen durchgesetzt. Und dann erinnert Zorniger die Vereinsführung um den Präsidenten Bernd Wahler immer wieder daran, nicht die Katze im Sack verpflichtet zu haben. Es ist dann doch eher – um im Tierbild zu bleiben – ein leinenloser Kampfhund. Und das wusste man. Ebenso dass in einer Negativserie jeder Trainer dünnhäutiger wird. Bei dem sowohl auf wie neben dem Platz voll auf Attacke geeichten Zorniger hat das dann unkontrollierte Folgen, die den Verein über die sportliche Misere hinaus beschäftigen.

Schwäbische Rumpelstilzchen-Version

Während es Fans gibt, die der schwäbischen Rumpelstilzchen-Version durchaus auch etwas abgewinnen können, haben die Sponsoren aus Imagegründen zunehmend ihre Probleme mit dem wilden Trainer. Auch deshalb wird Zorniger gerade verstärkt zur Mäßigung geraten. So hofft man beim VfB weiter, dass mit Alexander Zorniger alles gut wird – doch wetten will darauf im Moment niemand mehr.

Nach den fünf Auftaktniederlagen setzte ein wichtiger VfB-Sponsor im privaten Rahmen noch zwei teure Flaschen Wein darauf, dass Zorniger auch an Weihnachten VfB-Trainer ist. Das würde er vermutlich jetzt nicht mehr machen.