Von Sven Ulreich und Bernd Leno bis demnächst zu Odisseas Vlachodimos – wiederholt sich die Geschichte der Stuttgarter Torwartprobleme?

Stuttgart - Wenn der Tag 25 Stunden hätte, würde sich Huub Stevens 25 Stunden mit Fußball beschäftigen – und speziell noch damit, wie sich seine Mannschaft entwickelt. 24 Stunden reichen dem akribischen Trainer jedoch auch, um zu erkennen, dass der VfB in den vergangenen Wochen einige Fortschritte gemacht hat: in der Offensive, beim Teamgeist, in der Stabilität, bei der Chancenverwertung oder auch bei den Ergebnissen. Immerhin holte die Mannschaft zuletzt aus vier Partien sechs Punkte. Eines aber dürfte auch in den Augen von Stevens gleich geblieben sein. Es fallen zu viele Gegentore. Insgesamt acht waren es in diesen vier Spielen wieder. Und das führt dann zu der Frage: Hat der VfB ein Torwartproblem?

 

Armin Veh war der Vorgänger von Stevens, der darauf mit Ja geantwortet und gehandelt hat. Er ersetzte Sven Ulreich (26) im Herbst durch Thorsten Kirschbaum (28), um nach sechs Einsätzen aber zu sagen: Kommando zurück, durch den Tausch wird es auch nicht besser. Seitdem ist Ulreich wieder die Nummer eins, doch er gab auch beim 1:2 am Samstag in Augsburg bei beiden Gegentreffern eine unglückliche Figur ab. Solche Aktionen ziehen sich seit langer Zeit wie ein roter Faden durch seine Auftritte. Deshalb wird er im Fachblatt „Kicker“ auf seiner Position im Vergleich zu den Konkurrenten in der Bundesliga auch weit hinten auf Rang 16 geführt, was seinen Notendurchschnitt in dieser Saison betrifft. Das ist bedenklich, zumal es jetzt nicht das erste Mal wäre, dass sich im Abstiegskampf die Clubs retten, die den zuverlässigeren Keeper haben.

Fehlentscheidungen oder mangelnde Lernfähigkeit?

Ulreich hat Stärken, vor allem die Reaktionsschnelligkeit und die Geduld im direkten Duell, wenn ein Stürmer alleine vor ihm auftaucht. Aber seine Schwächen (Strafraumbeherrschung, Ausstrahlung, Spieleröffnung) sind seit Jahr und Tag offensichtlich, ohne dass sich daran etwas geändert hätte. Die Arbeit von Andreas Menger trägt nicht die erhofften Früchte – wobei ungewiss ist, ob das an dem Torwarttrainer oder an Ulreich oder an beiden liegt.

Klar ist dagegen, dass diese für den VfB so kritische Situation zwischen den Pfosten hausgemacht ist. Denn vor knapp vier Jahren hatte der Verein die Wahl zwischen Ulreich und Bernd Leno (23), der in Fachkreisen schon damals als Mann der Zukunft gegolten hat. Ein offener Zweikampf war ihm in der Vorbereitungsphase auf die Saison 2011/12 versprochen worden, doch dann legte sich Menger sofort auf Ulreich fest – worüber sich nicht wenige Experten wunderten, die den Weg der beiden Torhüter bis dahin verfolgten. Ein Gschmäckle bekam die Sache zudem dadurch, dass Ulreich den gleichen Berater wie der damalige VfB-Manager Fredi Bobic hatte.

Leno war frustriert. Als Folge wurde er an Bayer Leverkusen zuerst verliehen und anschließend für 7,5 Millionen Euro verkauft. Nun steht er auf dem dritten Platz der „Kicker“-Rangliste und wird von dem Champions-League-Sieger Real Madrid umworben. Der Trainer Carlo Ancelotti hat angekündigt, dass ein neuer Torwart geholt wird, der Iker Casillas (33) ablösen soll – David de Gea (24) von Manchester United oder Leno, der Bayer für eine festgeschriebene Ablöse von 18 Millionen Euro Bayer im Sommer verlassen könnte. Ob das passiert, entscheidet sich nach dem letzten Spieltag in dieser Runde am 23. Mai. Leno gehört inzwischen auf jeden Fall zu den begehrtesten Vertretern seines Fachs – international und national, da ihn vor einem Jahr auch der FC Bayern gelockt hat, um auf einen eventuellen Abgang oder eine schwere Verletzung von Manuel Neuer (29) vorbereitet zu sein.

Chancen nicht verpassen

Mit Leno würde der VfB heute aller Voraussicht nach ein bisschen weiter oben in der Tabelle stehen, doch diese Chance wurde in der Vergangenheit verpasst. Dagegen zeichnet sich in naher Zukunft wieder eine ähnliche Konstellation ab wie vor vier Jahren. Nachdem der Transfer von Kirschbaum zum 1. FC Nürnberg nahezu perfekt ist, könnte der VfB zwar auch einen erfahrenen Schlussmann als neuen Rivalen von Ulreich verpflichten. Der Plan sieht jedoch anders aus. Demnach soll wie einst mit Leno in Odisseas Vlachodimos (20) erneut ein Talent aus den eigenen Reihen die Möglichkeit erhalten, sich bei den Profis durchzusetzen – dieses Mal ernsthaft?

Vlachodimos hat von der U 15 bis zur U 20 alle deutschen Nachwuchsnationalmannschaften durchlaufen – eine weitere Parallele zu Leno. Gerade bemüht sich aber der griechische Verband darum, ihn für sein A-Team zu gewinnen, was laut Statuten noch erlaubt wäre. Vlachodimos überlegt – und konzentriert sich auf den VfB. In dessen zweiter Mannschaft hat er bei 49 Einsätzen nachgewiesen, dass er trotz seiner Jugend zu den besten Torhütern in der dritten Liga zählt – wie einst Leno. Er war bei seinem Wechsel nach Leverkusen übrigens fast genauso alt wie Vlachodimos jetzt.