Nach der Verletzung von Kevin Großkreutz kommt Florian Klein beim VfB wieder zum Zug. Auch wenn sie grundverschiedene Typen sind, macht dem Trainer Jürgen Kramny diese Umstellung keine Sorgen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Fast wäre Florian Klein schon am Samstag in Ingolstadt wieder auf die Position als rechter VfB-Verteidiger zurückgekehrt. Dann vermutlich, wenn Kevin Großkreutz schneller gemerkt hätte, dass er nicht weiterspielen kann. Doch der ehemalige Dortmunder verpasste es, seine Verletzung in Richtung Stuttgarter Bank anzuzeigen. So nahm Jürgen Kramny in diesem Moment nicht Großkreutz aus dem Spiel, sondern wechselte die Stürmer Timo Werner und Boris Tashchy gegeneinander aus. Mit einem Muskelbündelriss musste sich Großkreutz die letzte Viertelstunde über den Platz schleppen, weil der Trainer bereits dreimal ausgewechselt hatte. Trotzdem gelangen dem VfB praktisch in Unterzahl noch zwei Tore zum 3:3-Endstand.

 

Auf diese verpasste Viertelstunde kommt es Florian Klein jetzt aber auch nicht mehr an. Der 29-Jährige musste schon zuvor sehr viel Geduld beweisen, kann sich nun aber ziemlich sicher sein, Großkreutz auf der rechten Abwehrseite in den verbleibenden acht Bundesligaspielen zu ersetzen. Und so bekommt die persönliche Saisongeschichte des Florian Klein jetzt noch einmal einen ganz neuen Dreh.

Die fußballerischen Qualitäten waren nicht entscheidend

Eigentlich stand Florian Klein bereits als besonderer Stuttgarter Härtefall der Spielzeit 2015/2016 fest. Ausgerechnet als sich unter dem neuen Trainer Jürgen Kramny beim VfB am Ende des vergangenen Jahres ganz viel zum Besseren wendete, konnte Klein nach einem Bandscheibenvorfall nur zuschauen. In der Winterpause wurde Kevin Großkreutz verpflichtet, den Kramny etwas überraschend als Rechtsverteidiger eingeplant hatte. „Das war die knappste und auch schwierigste Entscheidung von allen“, sagte Kramny nach dem Trainingslager, als er Kevin Großkreutz und nicht Florian Klein in seine Stammformation berufen hatte.

Es dürften weniger die fußballerischen Qualitäten gewesen sein, die für Großkreutz den Ausschlag gegeben hatten. Im Abstiegskampf spielen andere Kriterien eine größere Rolle. Der 27-Jährige strahlt einen großen Willen aus, hat mit seinem stabilen Körper eine enorme Präsenz und kann bei Bedarf auch mal den bösen Buben geben – in einer Mannschaft, die in der Vorrunde als viel zu brav wahrgenommen wurde. Kevin Großkreutz ist ein Kämpfer, der jede Aufgabe aggressiv anpackt. Das wird auch im Zusammenhang mit seiner Verletzung deutlich. „Neidern und Kritikern, die mir das so oft gegönnt haben, werde ich zeigen, dass mich nichts umwirft“, lautet seine ganz aktuelle Instagram-Botschaft.

Aus Kleins Ruhe spricht die Erfahrung

So etwas würde es von Florian Klein nie zu hören oder zu lesen geben – auch deswegen stellt er fast schon den Gegenentwurf zu Kevin Großkreutz dar. „Es gehört einfach zum Fußball dazu, dass man auch mal nicht dabei ist“, sagt Klein. Er fühle sich beim VfB und in Esslingen, wo er mit seiner Familie wohnt, sehr wohl und wolle seinen Vertrag erfüllen, der bis 2017 läuft. Er habe auch nie um die Freigabe gebeten. Aus dieser Ruhe spricht Erfahrung.

Klein weiß, dass man seine Lage mit Selbstmitleid oder Kampfansagen nicht verbessert. Auch dass ihm als VfB-Ersatzspieler immer wieder der Verlust des Stammplatzes in der österreichischen Nationalmannschaft prophezeit worden war, hat ihn nicht nervös gemacht. Was auch damit zu tun hatte, dass die Signale, die er aus der Heimat bekam, ganz andere waren. Der Nationaltrainer Marcel Koller sah nie eine Veranlassung, von Klein abzurücken. Schließlich war der bei jedem EM-Qualifikationsspiel dabei und hat maßgeblichen Anteil daran, dass Österreich es nun erstmals auf sportlichem Weg zur Europameisterschaft geschafft hat.

Während Joachim Löw die Nationalmannschaftskarriere von Kevin Großkreutz für beendet erklärt hat, steuert sie bei Florian Klein gerade auf den Höhepunkt zu. Noch so ein Unterschied zwischen den beiden Profis, die Kramny gleichermaßen schätzt. Dem VfB-Trainer hat bisher wohl keine Umstellung so wenig Sorgen gemacht wie der Wechsel Klein für Großkreutz. Obwohl sie doch so verschieden sind. Auf der einen Seite der filigrane Österreicher, auf der anderen das Dortmunder Kraftpaket, das ankündigt, mit ihm sei in der neuen Saison wieder ganz fest zu rechnen. Mit Florian Klein allerdings auch.