Die Mannschaft des VfB-Trainers Armin Veh verfügt über zu wenige Fußballer, die anderen Halt geben könnten. Die Führungsspieler suchen ihre Form, die jungen Profis sind verletzt oder überfordert – was die Aufgabe am Samstag gegen Leverkusen nicht leichter macht.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - So ein interaktives Managerspiel kann eine feine Sache sein. Denn es verleiht einem ja eine Ahnung davon, wie eine ausgefeilte Kaderplanung verläuft. Man denkt sich eine starke Mittelachse, flankiert diese mit reichlich guten Perspektivspielern und setzt noch ein paar hoffnungsvolle Ausnahmetalente ein, die am besten durch die Fußballdecke schießen sollen – fertig ist die Wunschelf.

 

Theoretisch. Praktisch hält sich die Realität nicht immer an die Vorstellungen der Manager und Trainer. Weder im interaktiven Spiel noch auf den wahren Bundesligafeldern. Weshalb sich zum Beispiel beim VfB Stuttgart schon früh in der Saison zeigt, dass er weiter über zu wenige Spieler verfügt, die andere besser machen und ihnen so in kritischen Phasen Halt geben.

Gedacht war ursprünglich an eine Achse Ulreich-Gentner-Ibisevic, gestützt durch Nationalspieler wie Martin Harnik oder Alexandru Maxim – was aber schon eine strukturelle Schwäche offenbart: Es gehört kein Innenverteidiger dazu.

Führungsspieler auf der Suche nach ihrer Form

Das hat vor allem drei Gründe. Erstens: Daniel Schwaab – ein Spieler, dem das Potenzial für Führungsaufgaben zugeschrieben wird, der aber oft dann schwächelt, wenn er Stärke demonstrieren müsste. Zweitens: Antonio Rüdiger – ein Spieler, dem aufgrund seiner Emotionalität das Potenzial zum Aggressive Leader zugeschrieben wird, der aber auch immer mal wieder zurückfällt, wenn er sich zu Höherem berufen fühlt. Drittens: Georg Niedermeier – ein Spieler, der lange als Führungskraft galt, der aber jetzt ein Problem hat: Er zählt gar nicht mehr zur Stammelf.

Wie der Torhüter Sven Ulreich. Und von Vedad Ibisevic weiß im Moment in Stuttgart keiner so recht, ob er wieder der Ibisevic wird, der er einmal war: ein gefürchteter Torjäger. Bleibt also noch Christian Gentner – ein Kapitän, den regelmäßig die Zweifel einholen, ob er das Ruder auf dem Rasen auch tatsächlich in der Hand hält.

Veränderungen sind nötig

„Die Zeit der klassischen Leitwölfe wie einst Franz Beckenbauer oder Stefan Effenberg ist aber vorbei“, sagt der VfB-Trainer Armin Veh, „die neue Generation kommt wie Bastian Schweinsteiger oder Philipp Lahm über das Team.“ Auch Gentner ist kein Lautsprecher, kein Mann der großen Gesten. Einfluss nimmt der Mittelfeldspieler trotzdem. Nur: es braucht mehr als nur eine Konstante, um eine Mannschaft zu stabilisieren und zu führen.

Armin Veh kennt die Besonderheiten einer Teamhierarchie, das Risiko, das personelle Verschiebungen in einem Mannschaftsgefüge auslösen können. Doch der Trainer weiß ebenso gut, dass er es auch im inneren Machtzirkel der Mannschaft nicht einfach so weiterlaufen lassen kann. Es braucht Veränderungen, um nach dem Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen Bayer Leverkusen nicht schon wieder für längere Zeit im Tabellenkeller festzuklemmen.

Diese Sorge treibt den Trainer dazu, es quasi mit der Quadratur des Fußballkreises zu versuchen. „Ich muss im Jetzt die Zukunft gestalten“, sagt Veh. Dabei kann er jedoch nicht wie einst bei Eintracht Frankfurt in Pirmin Schwegler, Sebastian Rode und Sebastian Jung auf Kräfte bauen, von denen er wusste, dass sie für längere Zeit bleiben würden.

Der Teufelskreis mit den Leihgaben

In Stuttgart gibt es den Sonderfall, dass der Trainer auf die Qualitäten von Spielern setzen muss, über deren Zukunft er gar nicht entscheiden kann. Denn spielen die Leihgaben Oriol Romeu (FC Chelsea) und Moritz Leitner (Borussia Dortmund) gut, sind sie weg, weil ihre Clubs sie zurückbeordern oder meistbietend weiterverkaufen. Spielen sie aber schlecht, sind sie auch weg, weil sie den VfB nicht weiterbringen.

Ein Teufelskreis, aus dem Veh versucht auszubrechen, in dem er den Pragmatismus den Prinzipien vorzieht, in dem er weniger an seinen geschätzten Offensivfußball denkt als an gute Ergebnisse, um auch Zeit zu gewinnen. Zeit, die ebenso Talenten wie Timo Werner, Filip Kostic oder Carlos Gruezo zugutekommen soll, weil diese sich in einem stabilen Mannschaftsgefüge wesentlich besser entwickeln könnten.

Zusammen mit den aktuellen sportlichen Baustellen bleibt es für Veh also die größte anzunehmende Herausforderung, den VfB aus dem Abstiegskampf herauszuhalten und gleichzeitig eine Mannschaft zu formen, die mehr verspricht. Um Antonio Rüdiger und Daniel Didavi herum könnte sie entstehen. Zwei Spieler, denen Veh auf lange Sicht viel zutraut. Doch das ist die Vision. Die Wirklichkeit sieht so aus, dass mit Rüdiger über eine vorzeitige Vertragsverlängerung verhandelt wird, Didavi verletzt ausfällt – und die Mannschaft nach Halt sucht.