Die VfB-Stuttgart-Spieler sind nach dem 2:3 gegen Dortmund nur kurz ausgepfiffen worden. Danach folgte der große Friedenspakt, der im Abstiegskampf helfen soll.

Stuttgart - Georg Niedermeier ahnte schon unter der Woche, was am späten Freitagabend auf ihn zukommen würde: ein sehr undankbarer Gang in die Cannstatter Kurve. Mit seinem Mitspieler Martin Harnik besprach der VfB-Verteidiger die genaue Vorgehensweise im Falle einer weiteren Niederlage, die im Anschluss an das 2:3 gegen Borussia Dortmund in die Tat umgesetzt wird: Unaufhaltsam marschiert Niedermeier vorneweg und lässt sich auch von den wütenden Pfiffen der eigenen Fans nicht beirren:„Da gehst du erstmal auf eine Wand zu“, berichtet hinterher der 28-Jährige, der in Abwesenheit von Christian Gentner an diesem Abend die Kapitänsbinde getragen hat.

 

Verbrüderungen am Fanzaun

Ein missratenes Heimspiel, enttäuschte Spieler, pfeifende Fans – das hat man beim VfB in den vergangenen Jahren schon oft gesehen. An diesem Abend aber bietet sich ein ganz anderes Bild als sonst: Diesmal machen die Profis nicht auf halbem Weg kehrt und schleichen in die Umkleidekabine, diesmal suchen sie den direkten Kontakt zu den aufgebrachten Fans am Zaun. Es wird erst gestritten und gestikuliert, dann verbrüdern sich plötzlich beide Parteien und liegen sich friedlich in den Armen. „Wir haben glaubhaft versichert, dass wir alles dafür tun werden, damit der VfB in der Bundesliga bleibt“, sagt Niedermeier. Nichts anderes hätten die Fans im Sinn: „Wenn du den Leuten ins Gesicht schaust, merkst du, dass es keiner böse meint.“

Timo Baumgartl erfährt besonders viel Trost und Zuspruch und kann sich vor Schulterklopfern kaum retten. 80 Minuten lang war der Innenverteidiger „unser bester Spieler“ (VfB-Trainer Huub Stevens), dann begann er plötzlich zu wackeln und verschuldete schließlich mit einem haarsträubenden Fehler das spielentscheidende 1:3 durch Marco Reus. Tränen der Enttäuschung standen dem 18-Jährigen unmittelbar nach dem Schlusspfiff in den Augen, ehe er nach dem Gang in die Fankurve aufrecht und vorsichtig lächelnd das Stadion verlässt. „Die Worte der Fans haben mir sehr gutgetan“, sagt Baumgartl.

Robin Dutt lobt den Vertrauensvorschuss

„Außergewöhnlich“ und „hoch spannend“ fand der VfB-Manager Robin Dutt die Reaktion des Anhangs und sieht darin „die wichtigste Erkenntnis“ des Dortmund-Spiels: „Unsere Fans haben ein enormes Gespür gezeigt und für sich dafür entschieden, Zuversicht, Entschlossenheit und eine Jetzt-erst-recht-Mentalität zu zeigen“, sagt Dutt und wertet dieses Verhalten als „enormen Vertrauensvorschuss“. An der Mannschaft liege es nun, „diesen Ball der Fans aufnehmen. Da wurde eine gewaltige Energie frei, die unsere Spieler aufgesaugt haben. Das wird ihnen in den nächsten Wochen sehr helfen.“

Er wisse genau, wovon er spreche, sagt der Manager und verweist darauf, dass er als Trainer schon zweimal „die Extremsituation eines Abstiegskampfes“ erlebt habe, erst in Freiburg, später bei Werder Bremen: „Zweimal hat es funktioniert, weil der ganze Standort zusammengehalten hat“, sagt Dutt. Nun gelte es auch in Stuttgart für alle Beteiligten, die Köpfe hochzunehmen und miteinander nach vorne zu schauen: „Eine andere Alternative gibt es nicht.“