Trotz des 1:1 gegen Werder Bremen zeigt sich, dass der VfB-Trainer Thomas Schneider und die Mannschaft mehr und mehr an Profil gewinnen. Zwischenbilanz einer Saison, deren Ausgang noch ganz und gar nicht feststeht.

Stuttgart - Die erste Arbeitsthese ist schnell formuliert gewesen: Der VfB Stuttgart tritt nach dem 1:1 gegen Werder Bremen in der Fußball-Bundesliga auf der Stelle. Doch beim Verein für Bewegungsspiele ist tatsächlich einiges in Bewegung geraten. Ein Zwischenfazit.

 

Die Lage in der Liga

Fredi Bobic hat es einfach nicht mehr ausgehalten. Solche Fragen! Nach diesem Spiel! Zu dem wenig variablen Spiel in der Offensive sollte der Manager des VfB Stuttgart Stellung nehmen. Und zur vermeintlichen Unerfahrenheit der Innenverteidiger, die womöglich das Gegentor begünstigt hatte. Das ging gar nicht. Dachte Bobic und wähnte sich bei einem anderen Fußballspiel – obwohl doch alle im gleichen Stadion gesessen hatten. Also verließ der Manager kopfschüttelnd den Medienraum.

Ziemlich eng

Der VfB macht es einem aber auch nicht leicht, seine Leistungen einzuordnen. Aus so gut wie keinem Spiel lässt sich eine stabile Zukunft ableiten. Bobic weiß das. Und wenn es nicht gerade unmittelbar nach einer Pflichtpartie ist, dann erklärt er einem auch gerne, wie es um den VfB bestellt ist. Wobei vieles in die Erkenntnis mündet: „Das ist die Bundesliga!“

Eine verdammt enge Kiste. Vor allem in dem Segment, in dem sich der VfB bewegt. So war er nach dem siebten Spieltag ein Gewinner und sprang in der Tabelle von Platz zwölf auf sechs. Vor dem achten Spieltag liebäugelten sie im schwäbischen Lager sogar damit, sich schon mal auf Rang vier zu schieben – dem heimlichen Traumziel der Fans und Verantwortlichen. Doch es hat nicht gereicht, weil sich wieder einmal gezeigt hat, dass es nicht nur in der Tabelle eng hergeht, sondern ebenso auf dem Platz.

In den Begegnungen zwischen den Mannschaften von Rang vier bis 14 entscheiden häufig nur Kleinigkeiten. Wenn man so will: Zentimeter. Wie bei Martin Harniks Rückpass auf Vedad Ibisevic, der den Ball dann ins Tor drosch. Doch das Spielgerät war vorher eben schon im Aus gewesen. Oder eben bei den zig anderen Stuttgarter Versuchen, den Bremer Abwehrriegel zu knacken. „Wir haben viele Situationen spielerisch gut gelöst“, sagt Bobic. Nach Harniks frühem Führungstor (6.) ging es jedoch nur noch drumherum, aber nicht mehr hinein ins Werder-Tor. Der große Kampf des VfB bleibt somit – wie für die meisten Konkurrenten – ein Kampf um mehr Konstanz.

Das Potenzial des Kaders

Der Gegner kennt das Potenzial des VfB

Thomas Tuchel hat es getan. Armin Veh. Auch Christian Streich, und nun Robin Dutt. Die gegnerischen Trainer heben gerne das enorme Potenzial des VfB-Kaders hervor. „Hut ab, wenn du so eine Waffe hast wie die Standards von Alexandru Maxim“, sagt zum Beispiel Werder-Coach Dutt. Ein Eckball führte auch zum Gegentreffer. Äußerst schwer zu verteidigen, und zurzeit die größte Stärke der Stuttgarter im Angriff.

Das ist gut. Andererseits führt das aber zu dem Punkt, dass aus dem Spiel heraus weitaus weniger passiert. Schon seit langem wissen die Gegner in der Mercedes-Benz-Arena, dass sie den Ball ruhig den Gastgebern überlassen können. Dann tun diese sich schwer, und man selber hat es leichter. Thomas Schneider arbeitet nun daran, einen schnelleren Fußball zu implantieren. „Man kann aber nicht erwarten, dass wir zurzeit so kreativ wie der FC Bayern nach vorne spielen“, sagt der Trainer.

Am Europacup dran

Das ist auch nicht der Maßstab. Immerhin läuft es für den VfB aber schon so gut, dass er an den Europapokalrängen dran ist. Wenngleich die Elf wie nach der Führung auch noch in den alten Trott zurückfällt, was Nils Petersen zum 1:1 (37.) nutzte. Die Partie gegen Werder lässt aber ebenso die Vermutung zu, dass sich der erneuerte VfB-Kader unter Qualitätsgesichtspunkten bereits seiner oberen Grenze nähert.

Mit Ausnahme von Daniel Schwaab spielen ja auch die bewährten Kräfte der Vergangenheit. Was ein Blick auf die Bank verdeutlicht. Dort saßen die Hoffnungsträger Timo Werner und Rani Khedira, der gute alte Cacau sowie die Hannover-Fraktion. Mohammed Abdellaoue, Konstantin Rausch und Karim Haggui. Geholt, um den anderen nicht nur Beine zu machen, sondern um sie abzulösen. Doch sie hieven das Team (noch) nicht auf ein höheres Niveau. So muss die VfB-Elf weiter an ihrem oberen Limit spielen, um nicht abzufallen.

Der Einfluss des Trainers

Robin Dutt erinnert daran, wer er ist

Der Trainer von Werder Bremen heißt Robin Dutt. Das ist eigentlich bekannt, aber sicherheitshalber weist Robin Dutt am Samstag noch mal darauf hin. „Ich bin Trainer in Bremen“, sagt er am Ende seiner Spielanalyse. Der Satz ist ihm sehr wichtig, da sonst tatsächlich der Eindruck hätte entstehen können: hier hat soeben ja gar nicht der Trainer von Werder gesprochen, sondern der Trainer des VfB. So überschwänglich lobt Robin Dutt den Gegner – und speziell Thomas Schneider. „Glückwunsch an dich für die fantastische Arbeit in den letzten Wochen“, sagt Dutt. Das hört Thomas Schneider gerne. Er ist dabei, sich zu profilieren. Bis zu Dutt nach Bremen hat es sich jedenfalls schon herumgesprochen, dass er einiges in Gang gebracht hat.

Das ist dann schon recht beachtlich für einen, der seinen Posten erst am 26. August angetreten hat. Der VfB war mit drei Niederlagen in die Saison gestartet und lag weit hinten auf Platz 17 der Tabelle. Oder um es mit Schneider zu sagen: „Uns stand das Wasser damals bis zum Hals.“ Um im Bild zu bleiben – jetzt ist Land in Sicht.

Wahler spürt Aufbruchstimmung

Schneider spricht aber nicht in Bildern, sondern in Phasen, die er mit der Mannschaft durchläuft. Dabei befinde man sich gerade noch in der Anfangsphase, sagt er. Sie besteht vor allem daraus, dem Team die handwerklichen Fähigkeiten wieder zu vermitteln – etwa Kompaktheit, Leidenschaft und Geschlossenheit. „In diesen Bereichen haben wir uns gefestigt“, sagt Schneider. Das Ergebnis sind jetzt drei Siege und zwei Unentschieden aus seinen ersten fünf Bundesligapartien.

Keine schlechte Zwischenbilanz in der Phase Nummer eins. „Für den Moment passt alles“, sagt Schneider, „aber wir müssen weiter in kleinen Schritten denken.“ Das nächste Minischrittchen soll nun in der zweiwöchigen Pause bis zum Spiel am 20. Oktober in Hamburg erfolgen. Dabei geht es um die Verbesserung der konditionellen Grundlagen. „Wir brauchen Geduld“, sagt Schneider. Auf die Frage, wann die zweite Phase beginne, antwortet er: „Wir geben dann Bescheid.“ Das ist die neue Lockerheit beim VfB. Spätestens beim Rückspiel Mitte März in Bremen dürfte Phase zwei aber angelaufen sein. Sonst wäre Robin Dutt vermutlich auch ziemlich enttäuscht.

Der gefühlte Umschwung

„Zuletzt ist ja viel von Aufbruchstimmung geschrieben worden, aber ich spüre sie auch“, sagt Bernd Wahler. Er spürt sie überall – im Verein, im Stadion, in der Stadt und bei den Sponsoren in seinem geschäftlichen Umfeld. Da ist der neue Präsident besonders gefordert, weil Verträge mit wichtigen Partnern nach dieser Saison enden.

Verhandlungen mit der Mercedes-Benz-Bank

Priorität für Wahler haben zurzeit die Verhandlungen mit dem Hauptsponsor, der Mercedes-Benz-Bank, die rund sechs Millionen Euro pro Jahr überweist. Das Ziel des VfB ist es, die Abmachung zu verlängern – möglichst zu verbesserten Konditionen. Und im Idealfall gelingt es Wahler und dem Aufsichtsratschef Joachim Schmidt über diese Schiene zudem auch, den Daimler-Konzern insgesamt noch enger an den Club zu binden. Das wäre dann der große Befreiungsschlag, der dem VfB ganz andere Perspektiven eröffnen würde.

Auf dieser Ebene ist die Gesprächsatmosphäre ein nicht zu unterschätzender Faktor – und der Umgangston am Grünen Tisch wird wiederum entscheidend davon geprägt, was die sportliche Abteilung auf dem grünen Rasen gerade ausstrahlt und abliefert. Wahler weiß um die Zusammenhänge und darum, dass ihm die Entwicklung der Mannschaft die Arbeit auf seinem Gebiet erleichtert – selbst wenn das nicht direkt in einen Vertragsabschluss mündet.

So hat sich der Wind in den vergangenen sechs Wochen gedreht – aus Gegenwind ist beim VfB leichter Rückenwind geworden. Das hat damit zu tun, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt – die Lage in der Liga, das Potenzial des Kaders, der Einfluss des Trainers und der gefühlte Umschwung.