Der miserabel spielende VfB Stuttgart klammert sich in Mainz an ein Zufallstor – und kann sich nicht lange auf dem einen Punkt ausruhen. Schon am Dienstag geht es für den Fußball-Bundesligisten in Hamburg weiter.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Mainz - Der deutsche Wortschatz ist ja reich an Begriffen und Formulierungen, die einen fußballerischen Notstand beschreiben können. Vom Klassiker der „erschreckend schwachen Leistung“ über das Auftreten „wie ein Absteiger“ bis hin zum „Fußball des Grauens“ ist alles drin. Doch im Dauerregen von Mainz konnte einen schon das Gefühl beschleichen, dass diesmal die Worte fehlen würde. Dass sich diesmal keine Sprachbilder finden lassen würden, um zu analysieren, wie der VfB Stuttgart beim 1:1 auf der nach unten offenen Skala der fußballerischen Fehlleistungen einen neuen Tiefpunkt setzte.

 

Vielleicht lag es also an diesen ermüdenden Aussichten, dass ein Mainzer Journalist während der ersten Hälfte auf seinem Presseplatz einfach einschlief, er die Augen vor der miesen Vorstellung beider Teams verschloss. Augenzeugenberichten zufolge war der Kollege bei den Toren aber wieder hellwach. Beim Treffer der Mainzer kündigte sich dieser auch durch einen Freistoßpfiff an. Johannes Geis verwandelte dann direkt (36.). Beim Ausgleich der Stuttgarter durch Filip Kostic (72.) war es dagegen nicht so leicht, das Tor kommen zu sehen. Denn wann schießt man schon ein Tor, wenn man gar nicht aufs Tor schießt.

Es war ein ziemlich krummes Ding, das der kurz zuvor eingewechselte Kostic fabrizierte. Von rechts, mit links – und wäre der Mainzer Nikolce Noveski nicht irgendwie schräg in die Flugbahn der Kugel gesprungen, dann hätte sein Torhüter Loris Karius diese locker aufgenommen. Doch so landete sie im Netz. „Ich weiß nicht, ob es ein Schuss oder eine Flanke war“, sagt Huub Stevens, „ich weiß nur, dass ich zu Filip Kostic gesagt habe, er solle vom rechten Flügel nach innen ziehen und den Abschluss suchen.“

Kostic versucht es immer wieder

Animiert durch die Aufforderung des Trainers und sein erstes Bundesligator hat Kostic das anschließend noch dermaßen oft versucht, dass der Statistikbogen den Serben als den fleißigsten Stuttgarter in Sachen Torschuss hervorhob. „Ich bin natürlich froh, dass ich getroffen habe, und hoffe, dass dieses Tor der Mannschaft in dieser schwierigen Situation hilft“, sagt Kostic.

Nach wie vor ist der VfB Tabellenletzter. Und im Bemühen, nicht völlig desillusioniert in die Winterpause zu rumpeln, klammert er sich an diesen Glücksschuss. „Klar war es ein komisches Tor, aber das ist völlig egal. Einen Punkt hier mitzunehmen ist nicht so schlecht“, sagt Daniel Ginczek. Der lange verletzte Stürmer spielte erstmals von Anfang für die VfB-Profis. Ihn aber jetzt schon als Hoffnungsträger zu sehen fällt schwer. Weil seine Bewegungen noch hölzern wirkten, er kaum einen Ball behauptete, und Stevens weiß: „Er ist noch nicht da, wo er sein muss.“

Doch nach dem Ausfall von Martin Harnik (Nackenprobleme) sah der Trainer keine andere Möglichkeit, als den Angriffshünen in die Schlacht zu werfen. In die Abwehr baute er Georg Niedermeier für den ebenfalls verletzten Antonio Rüdiger ein. Damit erschöpften sich die Änderungen in der VfB-Elf aber nicht. Drei weitere kamen im Vergleich zum 0:4 gegen Schalke hinzu und hatten ihren Ursprung in Stevens’ übergeordnetem Ansinnen für den Samstagabend: „Stabilität“.

Mehr davon wollte der Niederländer nach zuvor 31 Gegentoren haben – und wechselte deshalb auch das System. Auf den Außenbahnen positionierte er nicht nur die Verteidiger Daniel Schwaab und Gotoku Sakai, sondern vor ihnen zusätzlich die Defensivkräfte Florian Klein und Adam Hlousek. Sie sollten im Verbund mit Oriol Romeu im zentralen Mittelfeld ein Bollwerk gegen weitere Frusterlebnisse bilden.

Baumgartl genießt Welpenschutz

Bis auf wenige Szenen gelang das Vorhaben. Vor allem, weil die Mainzer ebenfalls nur Flipperfußball boten. Allerdings klärte Timo Baumgartl vor dem Führungstor nicht konsequent. „Damit habe ich aber kein Problem“, sagt Stevens. Weder mit dem 14. Gegentor nach einer Standardsituation noch mit dem Verhalten des Innenverteidigers. „Er ist 18 Jahre und darf Fehler machen. Wichtig war, dass er danach super weitergespielt hat“, sagt der Trainer.

Dennoch stellt sich im Abstiegskampf immer öfter die Frage, wen der VfB bis zum Mai 2015 hinter sich lassen will. Mainz? Bremen? Dortmund? Hertha? Freiburg? Köln? Alles Konkurrenten, die nicht weit entfernt scheinen. Ebenso wie der Hamburger SV und der SC Paderborn – die beiden letzten Gegner in diesem Jahr. Doch Prognosen gibt es von Stevens, dem Realisten, nicht. Wenngleich er sich an diesem Dienstag beim zuletzt heimstarken HSV etwas ausrechnet. „Es geht ja bei 0:0 los“, sagt der VfB-Trainer. Was zudem verdeutlicht, dass der Niederländer nicht viele Worte braucht, um auf den Punkt zu kommen.