Die Tendenz zeigt bereits nach dem vierten Spieltag eindeutig nach unten. Neuverpflichtungen sind beim VfB Stuttgart dennoch kein Thema.

Stuttgart - Die Familienzusammenkunft in Berlin-Grunewald verlief nicht ganz störungsfrei. Zwar war es, wie Fredi Bobic berichtet, ein durchaus harmonisches Wochenende, das der VfB-Manager mit seiner Frau und den beiden Töchtern im gemeinsamen Haus im Südwesten der Hauptstadt verbrachte. Allerdings blieb es Bobic einerseits nicht erspart, sich am Samstagmorgen schon vor dem Frühstück noch einmal in voller Länge die 0:1-Niederlage am Vorabend bei Hertha BSC anzuschauen. Und andererseits klingelte permanent das Telefon.

 

Am anderen Ende der Leitung: die Gilde der Spielerberater. Für sie läuft im Moment die ganz heiße Phase, noch bis Mittwoch dauert die Transferfrist, noch haben die Agenten genügend Spieler im Angebot, die auf einen neuen Vertrag hoffen. Und in ihren Fokus rücken ganz am Schluss traditionell jene Vereine, die den Saisonauftakt vermasselt haben - seit Freitagabend also auch der VfB. Nach der zweiten Niederlage hintereinander zeigt die Stuttgarter Tendenz ganz eindeutig nach unten.

Allerdings: mit Bobic werden aller Voraussicht nach trotzdem keine Geschäfte zu machen sein. "Fakt ist: wir haben kein Geld", sagt der Manager. Mit den neun Millionen Euro, die der Verkauf von Christian Träsch eingebracht hat, sind ein paar Löcher gestopft worden, andere sind noch immer offen. Selbst wenn der VfB kurzfristig noch Spieler verkaufen würde - Khalid Boulahrouz etwa, der in Italien ein Thema ist -, dürfte Bobic den Erlös nicht reinvestieren. Der Finanzchef Ulrich Ruf hat der Lizenzspielerabteilung einen Sparkurs verordnet, das hohe Gehaltsniveau muss weiter nach unten gedrückt werden. Ergo sagt auch der Trainer Bruno Labbadia mit dem Ausdruck des Bedauerns: "Das Thema Neuverpflichtungen erübrigt sich von alleine."

"Ein Tanz auf der Rasierklinge"

Zähneknirschend muss die sportliche Leitung den Kurs des Vereins mitgehen. Als "Tanz auf der Rasierklinge" bezeichnet Bobic die momentane Personalsituation, "etwas mehr Konkurrenzkampf" würde nicht schaden. Dem VfB bleibt dennoch nichts anderes übrig, als mit den vorhandenen Spielern über die Runden zu kommen - auch wenn die Sorgen seit der Niederlage in Berlin größer geworden sind.

Vier Punkte stehen nach vier Spielen auf dem Konto des VfB - einer mehr nur als in der vergangenen Saison, als die Mannschaft in der Vorrunde komplett abstürzte. Und so greift langsam, aber sicher die Angst davor um sich, dass genau das eintritt, was alle unbedingt vermeiden wollten: eine erneute Talfahrt. "Natürlich haben wir alle im Hinterkopf, dass wir wieder hinten reinrutschen könnten", sagt der Innenverteidiger Serdar Tasci.

Parallelen zur Vorsaison

Der Manager will an dieses Szenario nicht einmal denken. "Wenn wir den Teufel an die Wand malen würden, können wir den Laden gleich dichtmachen", sagt Bobic und verweist darauf, dass in dieser Saison vieles anders, vieles besser geworden sei. Tatsächlich ist der Auftritt der Mannschaft in einigen Bereichen nicht mit dem vor einem Jahr zu vergleichen. Die Defensive um Tasci macht einen stabilen Eindruck; die Spieler sind körperlich in einer deutlich besseren Verfassung. "Die Jungs wollen, das kann man ihnen nicht absprechen. Das Problem war, dass sie bei den Chancen nicht konsequent genug waren", sagt Bobic über die Niederlage in Berlin: "Für die Qualität der Mannschaft war das zu wenig."

Genau hier beginnen jedoch die Parallelen zur Vorsaison. Auch damals hieß es lange, die Spieler seien viel zu gut fürs Tabellenende. "Wir dürfen uns deshalb jetzt nicht einreden, dass wir gut spielen - das zählt im Fußball überhaupt nichts", sagt Tasci, der einen erneuten Absturz besonders fürchtet, weil sich dadurch auch seine persönlichen Ambitionen erübrigen würden, wieder ins deutsche Nationalteam zurückzukehren. Dass die Mannschaft in Berlin gut gespielt habe, wird im Übrigen auch niemand ernsthaft behaupten können. Wer gegen einen solch harmlosen Gegner nicht in der Lage ist, ein Tor zu schießen und am Ende sogar noch verliert, der sollte in sich gehen - und schon gar nicht die Schuld beim Schiedsrichter suchen.

Das Offensivspiel ist äußerst holprig

Die Kritik an den Unparteiischen - auch das ist eine Parallele zum Vorjahr, als der VfB sich verschaukelt fühlte. In Berlin haderten Bobic und Labbadia mit Jochen Drees, der aus ihrer Sicht dem VfB einen Elfmeter verweigert habe. "Das mag nur eine Randerscheinung sein, die allerdings spielentscheidend sein kann", sagt der Trainer. Immerhin weist auch er darauf hin, "dass wir bei uns anfangen müssen".

Viel schwerer wiegt in der Tat, dass das Offensivspiel äußerst holprig ist, dass es dort keinen Spieler gibt, der den Unterschied ausmacht und dass zudem einige jener Profis in einem Loch stecken, die in der Rückrunde der Vorsaison groß aufgetrumpft hatten. Von TamÖs Hajnal gehen derzeit keinerlei Impulse aus, und Martin Harnik stand in Berlin ebenfalls völlig neben sich. "Wir haben uns unseren guten Start gründlich vermiest", sagt der Österreicher: "Jetzt sind wir nur noch graues Mittelmaß, wenn nicht sogar unteres Drittel."

Zumindest an der Bereitschaft, Buße zu tun für die schwache Leistung, fehlte es Harnik nicht. Am Ende eines drückend warmen Tages jedenfalls wollte er sich beim nächtlichen Mannschaftsessen im Berliner Teamhotel selbst bestrafen: "Vielleicht trinke ich ja eine heiße Schokolade."