Seit kurzem gehört Carlos Gruezo zur Startelf des VfB Stuttgart. Gemeinsam mit Christian Gentner und Daniel Didavi verleiht er dem Spiel des Fußball-Bundesligisten mehr Halt.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Carlos Gruezo ist ein strebsamer Typ. Schon Stunden vor dem Training erscheint er häufig auf dem Gelände des VfB Stuttgart. Um Deutsch zu pauken. „Grundlagenvokabular“, wie sein Lehrer Jens Andrei sagt. Gruezo macht das seit einigen Wochen so fleißig, dass er Andrei gar an seinen einstigen Musterschüler Pavel Pardo erinnert. Den großartigen mexikanischen Mittelfeldspieler, der schnell lernte und noch schneller lachend mit seinen paar Brocken Deutsch um sich warf; der aber auch als Berühmtheit seines Landes kam und als deutscher Meister ging.

 

Fußballerisch ist Gruezo natürlich noch ein erhebliches Stück weit weg von Pardo, bis 2008 der Stratege im Zentrum des VfB-Spiels. Genau genommen hat der Ecuadorianer sogar erst seine Bundesligalehre begonnen. Mit 18 Jahren, tausende Kilometer weit weg von der Heimat und der Familie, in einer Wohnung in Stuttgart-Feuerbach. Doch der Trainer Huub Stevens hat in dem Mittelfeldspieler rasch einen Baustein erkannt, der dem VfB im Abstiegskampf bis dahin gefehlt hatte, der die Statik seiner Elf noch einmal verändern würde.

„Der Trainer erwartet aber nichts Außergewöhnliches von mir. Täglich arbeiten und laufen“, sagt Gruezo. Das macht er so gut und unaufgeregt, dass sich die Skepsis, die den Wechsel auch vereinsintern begleitete, Spiel für Spiel legt. Nach dem Motto: Der Junge kann ja doch was – und zwar schon ziemlich viel für sein Alter.

Investition in die Zukunft zahlt sich schon aus

Ende Januar wurde das Talent verpflichtet, nachdem es im Wintertrainingslager in Kapstadt überzeugt hatte. Eine Ablösesumme von 1,5 Millionen Euro an Barcelona SC Guayaquil kursiert seither. Eine Zahl, die der VfB-Manager Fredi Bobic aber ins Reich der Fabeln verweist. Deutlich niedriger sei der Betrag. Sicher ist dagegen, dass Gruezo von Anfang an als Investition in die Zukunft galt. Ein sogenannter Perspektivspieler, der die Mannschaft nicht gleich weiterbringt. Sondern irgendwann.

Doch dieses Irgendwann ist jetzt. Was selbst Gruezo überrascht: „Ich dachte, es würde einige Monate dauern, bis ich zum Zug komme.“ Mit Aggressivität, Ballsicherheit und taktischer Disziplin verengt er aber nun dort die Räume, wo die Stuttgarter Gegner noch vor kurzem lässig durchkombinierten. Einfach, weil niemand da war, der ihnen den Weg versperrte. Seit drei Spieltagen müssen sie jedoch an dem 1,71 Meter großen Mann vorbei, der im Verbund mit Christian Gentner und Daniel Didavi dem VfB-Spiel in diesen schweren Zeiten mehr Halt gibt.

Es wäre jedoch zu viel der Ehre, dem Neuling schon eine Schlüsselrolle zuzusprechen. Mit seinem „links, rechts, vorne, hinten“ gibt er nur selten Kommandos, die Richtlinienkompetenz in der Zentrale liegt bei Kapitän Gentner. Gruezo hält vor allem seine Position, wodurch aber Gentner wieder mehr Antriebskraft nach vorne entwickeln kann. Und wodurch sich jemand wie der Techniker Didavi im offensiven Mittelfeld sicher sein kann, dass hinter ihm die Lücken geschlossen werden.

Spielen wie einst mit den Kumpels

Gentner rennt und denkt also, Didavi rennt und lenkt – und Gruezo rennt und rennt. Das ist die Aufgabenverteilung in Stuttgarts neuer Mitte. Wohl auch am Sonntag gegen Schalke. „Ein schwieriges Spiel, eine schwierige Situation“, wie Gruezo sagt. Was gleichzeitig aber sein Erfahrungsspektrum erweitert: 2012 ist er mit dem Barcelona Sporting Club ecuadorianischer Meister geworden, nun steckt er im Tabellenkeller der Bundesliga.

Grundverschiedene Herausforderungen, die der Südamerikaner aber versucht mit der gleichen Einstellung zu bewerkstelligen: „Ich muss spielen, als ob es mit meinen Freunden im alten Viertel wäre.“ Nur auf diese unbekümmerte Art glaubt er, seine Stärken voll einbringen zu können – und seinem nächsten Traum näher zu kommen. Der WM in Brasilien. Denn vor einigen Wochen besuchte ihn der Nationalcoach Reinaldo Rueda. Zum Einsatz für den VfB kam Gruezo damals noch nicht. Doch nun geht es für den zielstrebigen Ecuadorianer ja voran – und Pardo hat es für Mexiko immerhin auf 148 Länderspiele gebracht.