Björn Seemann bewirbt sich offiziell um das Präsidentenamt beim VfB. Er will eine große Veränderung im Verein herbeiführen.

Stuttgart - Das Schreiben ist am Montag bei Dieter Hundt in Uhingen eingegangen. Ein Kurier überbrachte dem Aufsichtsratsvorsitzenden des VfB Stuttgart die offizielle Bewerbung von Björn Seemann für das Amt des Präsidenten beim Bundesligisten. Damit hat es Hundt nun auch schriftlich, dass Seemann den festen Willen hat, eine große Veränderung im Verein herbeizuführen - mit sich selbst in der Hauptrolle. "Ich würde dem Aufsichtsrat noch gerne persönlich mein Konzept vorstellen, bevor ich es öffentlich mache", sagt der 39 Jahre alte Bankmanager, der nach dem Klassenverbleib des VfB ("Ich habe großen Respekt vor der Arbeit von Bruno Labbadia und Fredi Bobic und Hochachtung vor dem Engagement der Fans") nun in die Offensive zu gehen scheint.

 

Deutlich defensiver agiert bis jetzt dagegen Dieter Hundt. Sein Kandidat für die Nachfolge von Erwin Staudt ist der ehemalige Porsche-Marketingvorstand Gerd Mäuser. Doch bestätigt hat Hundt das noch nicht. Weil die fehlende klare Ansage im Verein aber einigen Unmut verursacht hat, will der Aufsichtsratschef nach StZ-Informationen jetzt doch zeitnah mit seinen Vorstellungen an die Öffentlichkeit gehen. So sollen ganz offiziell Fakten geschaffen werden, nachdem viele beim VfB davon ausgegangen waren, dass sich Hundt schon unmittelbar nach dem am vergangenen Samstag feststehenden Klassenverbleib zu seinen Plänen äußert. Das ist zwar nicht geschehen, doch es wird aller Voraussicht nach demnächst nachgeholt.

Dazu passt dann auch, dass die ursprünglich erst für September terminierte nächste Mitgliederversammlung nun auf Juli vorgezogen wird - vorbehaltlich, dass diese Entscheidung jetzt auch noch formal abgesegnet wird. Bei diesem Anlass steht der Präsident zur Wahl - also Gerd Mäuser, der Erwin Staudt beerben soll.

Eine Abstimmung über den Grad der Zustimmung

Solange sich Hundt jedoch nicht offiziell erklärt hat, dürfte die daraus resultierende Unruhe den Vereinskritikern, zu denen neben Björn Seemann auch eine zweite Oppositionsgruppe um Patrick Knorr ("Aktion VfB 2011") gehört, in die Karten spielen. Allerdings stellt für Seemanns Pläne neben dem verhinderten Abstieg, der die Gemüter der Mitglieder wieder etwas beruhigt haben dürfte, auch die Vereinssatzung eine hohe Hürde dar. Das Clubgesetzbuch wurde bereits unter der Führung von Gerhard Mayer-Vorfelder dahingehend geändert, dass die Mitglieder den Präsidenten nicht mehr direkt wählen, stattdessen nur noch über einen vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten befinden. Selbst wenn dieser Kandidat zweimal von den Mitgliedern mehrheitlich abgelehnt werden sollte, dürfte er sein Amt antreten. Einzig durch eine Satzungsänderung, der drei Viertel der Versammlung zustimmen müssen, ließe sich der Weg für einen neuen Wahlmodus frei machen.

Es gibt aber auch durchaus einen schlüssigen Grund, warum die VfB-Mitglieder ihren Präsidenten nicht direkt wählen dürfen. Bei anderen Clubs hat die Macht der Basis in der Vergangenheit zu chaotischen Verhältnissen geführt - immer dann, wenn sich plötzlich jemand aus einer Bierlaune heraus zum Präsidenten befähigt fühlte und die Mitglieder ihren Protest mit dessen Wahl demonstrativ kundtaten.

Mäuser ist frei - auch wenn er Berater wird

Dennoch hat der aktuelle VfB-Modus eine Schwäche - nämlich die, dass es sich bei der Präsidentenwahl um gar keine Wahl handelt, sondern lediglich um eine Abstimmung über den Grad der Zustimmung. Um die Mitglieder überhaupt vor eine echte Wahl zu stellen, könnte der Aufsichtsrat zwei Präsidentschaftskandidaten vorschlagen. Muss er aber nicht. Schließlich haben die VfB-Mitglieder vor Jahren die Satzung mit der nötigen Dreiviertelmehrheit in ihre heutige Form gegossen und sich damit eigenhändig fast komplett um ihr Mitspracherecht gebracht.

Aber selbst wenn der Aufsichtsrat dazu verpflichtet werden würde, einen zweiten Präsidentschaftskandidaten zur Wahl zu stellen, dürfte sich Björn Seemann wenig Hoffnung machen, diesen Platz einzunehmen. Viel eher würde Dieter Hundt wohl an Joachim Schmidt denken, der wie Mäuser dem Aufsichtsrat angehört. Der könnte zumindest für die fernere Zukunft eine Rolle spielen. Aktuell ist Schmidt gebunden, weil sein Vertrag als Daimler-Manager bis Ende 2012 verlängert wurde. Das schließt eine Tätigkeit als hauptamtlicher VfB-Präsident aus. Mäuser ist dagegen frei - und selbst wenn er den ihm von einem Automobilkonzern angebotenen Beraterjob annehmen sollte, würde das in den Augen von Dieter Hundt nicht mit der Präsidentschaft beim VfB kollidieren.

Auszüge aus der Satzung des VfB Stuttgart

Paragraf 14: Die ordnungsgemäß einberufene Mitgliederversammlung ist ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienen Mitglieder beschlussfähig. (...) Die Mitgliederversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern die Satzung nicht eine andere Mehrheit vorschreibt. (...) Satzungsänderungen können nur mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Paragraf 15: (...) Der Präsident wird von der Mitgliederversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats für die Dauer von vier Jahren gewählt. Findet der vorgeschlagene Kandidat nicht die erforderliche Mehrheit, ist innerhalb von drei Monaten eine weitere Mitgliederversammlung zum Zwecke der Wahl des Präsidenten einzuberufen. Wird auch in dieser Mitgliederversammlung der vorgeschlagene Kandidat nicht gewählt, wird der Präsident durch den Aufsichtsrat auf die Dauer von vier Jahre bestellt. Der Aufsichtsrat entscheidet, ob der Präsident haupt- oder ehrenamtlich tätig ist.