Während der VfB vor dem wichtigen Bundesligaspiel am Montag in Bremen auf der Mittelmeerinsel trainiert, wird die Stimmung in der Heimat immer frostiger. Schuld daran ist auch ein Internetblogger.

Stuttgart - Auf Mallorca ist meist Verlass, nicht nur in den Sommerferien, sondern auch schon Ende April. Ein kurzer Schauer kann zwar mal vorkommen, ansonsten aber scheint die Sonne vom überwiegend blauen Himmel. Gut 20 Grad, T-Shirt-Wetter – genau deshalb weilt dieser Tage auch eine 39-köpfige Stuttgarter Reisegruppe in Trainingsanzügen auf der Schönwetterinsel im Mittelmeer.

 

Ein Fünfsternehotel samt Flughafen

Anders als bei den übrigen 14 Millionen Menschen, die jedes Jahr Mallorca besuchen, handelt es sich beim VfB allerdings um keine Urlaubs-, sondern eine Dienstreise. Doch auch diesbezüglich sind die Bedingungen durchaus arbeitnehmerfreundlich. Ein Fünfsternehotel unweit des Flughafens, ein frisch gemähter Trainingsplatz in die Anlage integriert und daher fußläufig erreichbar; gefüllte Buffets bei allen Mahlzeiten. Es ist also alles bestens angerichtet – genau so, wie es sich die Stuttgarter vorgestellt haben, als sie am Mittwoch zu ihrem Kurztrainingslager aufbrachen.

Raus aus dem schlechten Wetter und dem tristen Alltag, auf andere Gedanken kommen und sich vor allem einschwören auf das wichtige Abstiegsduell am Montag in Bremen – das sind die Ziele dieser ungewöhnlichen Reise. Man kann nur hoffen, dass der Plan aufgeht und in Bremen der gewünschte Effekt eintritt. Denn andernfalls wird die Stimmung in der Heimat noch frostiger als sie schon ist.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass der VfB-Manager Robin Dutt von den SMS berichtete, die auf seinem Handy eintrafen. Es gäbe keine Rettung mehr, der Abstieg sei besiegelt, so lautete sinngemäß ihr Inhalt, nachdem der VfB auf Schalke verloren hatte und nur noch drei Spiele übrig waren. Jetzt stehen die Stuttgarter wieder vor ihren letzten drei Spielen, diesmal müssen sie im Gegensatz zum Vorjahr nicht einmal alle gewinnen, um in der Liga zu bleiben. Doch kann man davon ausgehen, dass den VfB-Manager auch in diesen Tagen manch eher unerfreuliche Kurznachricht erreicht.

Mit einiger Verwunderung jedenfalls nehmen viele die jüngsten Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zur Kenntnis. Dass ein kurzfristiges Trainingslager zum Bündeln der Kräfte vor einem wichtigen Spiel eine sinnvolle Idee sein kann, wird kaum einer ernsthaft bestreiten. Doch fragen sich viele: musste es unbedingt Mallorca sein, die Ferieninsel, die für Müßiggang und Party steht? Wenig überraschend, dass sich nicht nur im Internet der geballte Spott ergießt und in Windeseile alle Ballermann-Hits auf den VfB umgedichtet wurden.

Zur üblichen Polemik gesellen sich ganz handfeste Bedenken. Mittwochs in den Flieger und freitags wieder zurück, einchecken, auschecken – und am Sonntag, wenn es nach Bremen geht, wieder von vorn. Ein gewaltiger logistischer Reiseaufwand steht den Stunden gegenüber, die dem Training, dem Teambuilding, den Mannschaftssitzungen gehören. Die „Bild“-Zeitung hat sich bereits festgelegt: „Der VfB steigt auf Malle ab“, so lautet die Kommentarüberschrift des Boulevardblatts.

Unterlassungserklärung an einen Internetblogger

Für einiges Erstaunen sorgt auch eine andere eher ungewöhnliche Maßnahme, zu der sich die VfB-Verantwortlichen mitten im Abstiegskampf durchgerungen haben: Eine mittlerweile unterzeichnete Unterlassungserklärung ließen sie dem Internetblogger Christian Prechtl zukommen, der sich mit dem Zustandekommen des Transfers von Artem Kravets beschäftigt hatte. Nachdrücklich widerspricht der VfB einer Darstellung, dass der Aufsichtsrat mit Dutt über „den unbegründeten Vorwurf von Prechtl gesprochen hat, wonach Kravets verpflichtet wurde, ohne zuvor beobachtet worden zu sein“. Seine Aussage sei „unrichtig“ gewesen, schreibt Prechtl nun mit Bezugnahme auf Informationen dieser Zeitung: „Herr Dutt hat Herrn Kravets am 4. November 2015 beim Spiel Chelsea gegen Kiew live gesehen“. 56 Minuten lang agierte der Ukrainer eher unauffällig. Dennoch: zu gesteigerter Ruhe rund um den VfB trägt es kaum bei, dass ein Spieler, der auf dem Feld bislang eher ein Nebendarsteller war, im Mittelpunkt einer juristischen Auseinandersetzung steht. So gesehen war es vielleicht doch nicht die schlechteste Idee, die Mannschaft in den Flieger zu setzen, weit weg von den atmosphärischen Störungen in der Heimat.

Es mag ein Trost sein, dass sich der VfB vor einem Jahr, als vor den letzten drei Spielen erst recht keiner mehr an ihn hatte glauben wollen, auf wundersame Weise retten konnte. Die Untergangsstimmung nach der Niederlage gegen Schalke verwandelte sich damals mit dem Heimsieg gegen Mainz in einen bedingungslosen Zusammenhalt zwischen Fans und Mannschaft.

Ein Wunder ist diesmal gar nicht nötig – ein Auswärtssieg in Bremen würde womöglich schon reichen. Vielleicht hilft dabei ja der neue Geist von Mallorca.