Die Darbietungen im Fußball-Unterhaus halten dem häufig bemühten Slogan nicht immer stand – was ist dran an der angeblich stärksten zweiten Liga der Welt?

Stuttgart - Über mangelnden Zuspruch kann sich der VfB Stuttgart seit dem Abstieg aus der Bundesliga nicht beklagen. 50 000 Fans pilgern im Schnitt zu den Heimspielen in der zweiten Liga, auch am kommenden Montag (20.15 Uhr) gegen den 1. FC Nürnberg dürfte das Stadion wieder proppevoll werden. Dass der VfB endlich wieder erfolgreich Fußball spielt, trägt sicher dazu bei, genauso wie die Abenteuerlust viele Anhänger bei Wind und Wetter zum Besuch von Kicks gegen Heidenheim und Bielefeld animiert. Nur eines treibt sie sicher nicht vorrangig ins Stadion: Die Qualität der fußballerischen Darbietungen. Die ist, soviel lässt sich nach einem ersten Streifzug durchs Unterhaus feststellen, bisweilen eher dürftig. Sprichwörtlich zweitklassig eben, mit großen Unterschieden zu dem, was gemeinhin in der Beletage des Fußballs geboten wird. Womit sich die Frage anschließt, wie gut die zweite Liga wirklich ist. Tatsächlich so gut, wie manche Medien und Experten behaupten, nämlich „die beste zweite Liga der Welt“ zu sein?

 

Eine direkte sportliche Vergleichbarkeit zu den Unterklassen Englands, Spaniens und Italiens fällt mangels Wettbewerben flach. Wobei schon die Rankings der Uefa zu den Top-Ligen Europas (Spanien vor Deutschland, England und Italien) Fragen aufwerfen. Schließlich verraten die Ergebnisse in der Champions- und der Europaleague nichts über die Qualität der Ligen in ihrer Gesamtheit. Also darüber, ob in Mainz oder Middlesbrough das gepflegtere Passspiel geboten wird. Auch die Marktwerte der zweiten Ligen sind kein verlässlicher Gradmesser. Dann müsste der Fußball, der in der englischen Championship (Gesamtmarktwert aller Spieler: 931 Millionen Euro) geboten wird, dreimal so gut sein wie in der deutschen zweiten Liga (314 Millionen).

Deutschland hat die meisten Fans

Das ist er mit Sicherheit nicht. Einer, der es wissen muss, heißt Alexander Merkel. Der 24-jährige frühere Jugendspieler des VfB steht nach diversen Stationen in England und Italien aktuell beim Zweitligisten VfL Bochum unter Vertrag. Er sagt: „Das Niveau in der zweiten Liga und der englischen Championship ist gleichermaßen hoch. Wahrscheinlich handelt es sich in beiden Fällen um die beste zweite Liga der Welt. Italien falle dagegen schon deutlich ab – vor allem was die Stadien und den Fanzuspruch angeht.

Rouwen Hennings von Fortuna Düsseldorf (und ehemals FC Burnley) meint: „Die zweite Liga ist der englischen mindestens ebenbürtig – vielleicht sogar ein bisschen stärker.“ Hennings aktueller Trainer Friedhelm Funkel schätzt die Leistungsdichte bei VfB, Heidenheim und Co ebenfalls höher ein als in Huddersfield, Almeria oder Cesena. Zweitligaurgestein Funkel führt die Überlegenheit auf die gute Infrastruktur, die viele Tradition und den damit einhergehenden Fanzuspruch zurück: „Wir haben viele Vereine mit 30 000 Fans im Schnitt. Allein deshalb ist die Art Fußball zu spielen, eine ganz andere.“ Zumindest temporeicher und emotionaler als bei Dorfclubs wie Avellino oder Numancia, wo meist nur vor wenigen tausend Zuschauern gekickt wird.

Tatsächlich liegen Deutschland mit einem Gesamtschnitt von 19 000 in der vergangenen Saison und die englische Championship (17 500) weit vor ihren Pendants in Spanien (7600) und Italien (7100), von anderen Ligen in Europa ganz zu schweigen. Weshalb TV-Experte Peter Neururer, dessen Sender Sport 1 (vormals DSF) den Claim mit der stärksten zweiten Liga einst erfand, zumindest so weit geht zu behaupten: „Es ist wenn nicht die stärkste, aber auf jeden Fall die attraktivste zweite Liga Europas.“

Neururer zieht den Vergleich

Neururer zieht den Vergleich: „Die Spitzenclubs der zweiten englischen und spanischen Liga könnten bei uns mitspielen, vielleicht auch oben. Alle anderen haben höchstens das Niveau unserer dritten Liga.“ Was tatsächlich für die Stärke der Spielklasse spricht, ist die Tatsache, dass sich die Bundesliga-Aufsteiger im Oberhaus meist auf Anhieb gut zurechtfinden. Clubs wie Mainz und Augsburg sind längst etabliert, andere (Ingolstadt, Darmstadt) konnten sich zumindest im ersten Jahr behaupten.

„Der Unterschied zwischen erster und zweiter Liga ist trotzdem deutlich“, findet VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser ein. Vor allem sportlich. Weniger, was die Rahmenbedingungen angeht. Schindelmeiser, einst mit Hoffenheim von der dritten in die erste Liga durchmarschiert, führt drei Gründe für die Stärke des deutschen Unterbaus an: Erstens eine anspruchsvollere Lizenzierung als in den meisten anderen Ländern. Zweitens die ausführliche TV-Berichterstattung, was für eine hohe Attraktivität bei Sponsoren und zusätzliche Einnahmen sorgt. Und drittens die verlässliche Verteilung der TV Gelder. Die Fußball Liga (DFL) lässt ihr Unterhaus nicht ausbluten – auch wenn die finanzielle Kluft zu den Eliteclubs durch die Neuverteilung der Fernseh-Millionen weiter wachsen wird.

So ist die zweite Liga nach Auskunft der DFL und gemessen an wirtschaftlichen Erlösen die siebtgrößte Profifußball-Liga in Europa, vor der ersten schottischen Liga und hinter der ersten holländischen Liga. Das klingt alles wunderbar. Die Fans des VfB Stuttgart wären trotzdem ganz froh, wenn sie bald Lebewohl sagen könnten.