Robin Dutt, Sportchef beim VfB Stuttgart, denkt an die Zukunft. Doch die hängt von dem Ausgang der Partie gegen Hertha BSC am Freitag ab.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Alles geht mit ruhiger Hand. Robin Dutt führt seine Kaffeetasse mit VfB-Emblem an den Mund, schaut, überlegt und spricht. Immer wieder nimmt sich der Sportvorstand des Stuttgarter Fußball-Bundesligisten seine Trink- und Denkpausen. Nichts Unbedachtes soll ihm über die Lippen kommen – und im übertragenen Sinne will der 50-Jährige genau diesen Eindruck vermitteln: Selbst in einer der größten Krisen des Vereins behält er die Sache unter Kontrolle – soweit es eben geht.

 

Vielleicht geht ja am Freitagabend nichts mehr, vielleicht aber auch noch sehr viel für den VfB. Hertha BSC kommt in die Mercedes-Benz-Arena. Ein Spiel, in dem sich die ganze Dramatik der sportlichen Misere verdichtet. Ein Spiel, das zu Entscheidungen führt. So oder so. Dutt wird dann seine Entscheidung in Sachen Trainer treffen – treffen müssen, denn auch dafür wurde er im Januar verpflichtet. Und so viel scheint sicher: nur wenn der Tabellenletzte gegen die Berliner gewinnt, wird Huub Stevens seine Arbeit fortsetzen.

Sagen wird das Dutt nicht. Jetzt nicht, später nicht und auch in Zukunft nicht. Das ist Teil seiner Strategie. Er will dem Trainer zwar grundsätzlich ein verlässlicher Partner sein, aber er will sich nicht in den Kopf schauen lassen, sich stets alle Optionen offenhalten. Das ist sein Grundverständnis und hat in den vergangenen Tagen vermehrt zu den teilweise grotesken Situationen geführt, in denen Dutt immer wieder zu Stevens befragt wurde und in vielen Worten nichts antwortete.

Stevens muss liefern – im Hier und Jetzt

„Das gehört zum professionellen Umgang“, sagt Dutt, auch wenn das viele als herumeiern empfinden. Doch die Praxis eines Sportchefs beinhaltet, in heiklen Fragen vor Fernsehkameras nicht zu lügen, aber auch nicht die ganze Wahrheit zu sagen. So bleibt für die Öffentlichkeit offen, ob Dutt schon mit dem Kandidaten Alexander Zorniger (zuletzt RB Leipzig) verhandelt hat.

Als Helfer in der Not? Als Mann für die Zukunft? Oder vielleicht sogar für beides? „Spekulationen in unserer Situation gehören dazu“, sagt Dutt und weiß nur zu gut, dass bedingungslose Rückendeckung für einen Coach anders klingt. Schließlich hat er erst vor wenigen Wochen den Wechsel vom Trainer zum Sportdirektor vollzogen und zuvor im Herbst seinen Posten als Fußballlehrer bei Werder Bremen verloren.

Mit Lust und Leidenschaft hat sich Dutt dann in seine zweite Vereinskarriere gestürzt und sagt aus der Perspektive des Sportvorstands: „Sie können sich nicht vorstellen, wie hoch der Druck auf einen Trainer im Abstiegskampf ist.“ Mit der Erwartungshaltung an den Übungsleiter hat das zu tun. Mit dem Wunsch und der Forderung, eine Lösung zu finden, um die passenden Ergebnisse zu erzielen.

Auch Stevens muss liefern. Im Hier und Jetzt – und nicht erst morgen. „In meinem Bereich ist ein Teil der Arbeit auf die Zukunft ausgerichtet“, sagt Dutt. Viel läuft da im Verborgenen ab. Weil die neue Führungskraft auch die Überzeugung mitgebracht hat: „Erst arbeiten, dann reden.“ Wobei es Dutt am liebsten ist, wenn die Bewertung seiner Arbeit ohne große Worte abläuft, sie für sich spricht.

Das große Ganze ist in der Schieflage

Wie im Fall der beiden Talente Mart Ristl (19) und Marvin Wanitzek (21). Der VfB hat die zwei Mittelfeldspieler langfristig an sich gebunden. Wie lange, will Dutt aber nicht verraten. „Über vertragliche Inhalte werden wir nicht mehr Auskunft geben“, sagt der Sportvorstand, der diese Gepflogenheit aus seiner Trainerzeit beim SC Freiburg kennt. Sicher ist jedoch, dass Ristl und Wanitzek im Sommer in den Profikader aufsteigen werden, bei dem sie schon im Wintertrainingslager in Portugal dabei waren. Dort haben sie überzeugt. Stevens, auch Dutt – aber bis sie aufrücken, werden Ristl (U 19) und Wanitzek (U 23) weiter in ihren Nachwuchsmannschaften spielen.

Doch um solche Details geht es zurzeit ja nicht beim VfB. Auch nicht, um die Umstrukturierungen im Jugend- und Scoutingbereich oder den beabsichtigten Umbruch in der Mannschaft. Das große Ganze ist in Schieflage geraten. Und Dutt muss das während seines Crashkurses in Sachen Krisenmanagement richten. „Ich sehe die realistische Chance, dass wir den Aufwärtstrend vom 1:1 in Hannover nun gegen Berlin fortsetzen“, sagt er. Ein typischer Dutt sozusagen. Gelassen ausgesprochen in einer heißen Phase – als Beleg für die neue Politik der ruhigen Hand beim VfB.