Der VfB Stuttgart geht mit Jürgen Kramny als Cheftrainer und frischem Schwung ins neue Jahr. Doch von dem 3:1 gegen Wolfsburg soll sich beim Fußball-Bundesligisten niemand blenden lassen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Ein kleines Geheimnis ist nicht gelüftet worden. Nach dem 3:1-Sieg des VfB Stuttgart gegen den VfL Wolfsburg hatten sich Jürgen Kramny und Robin Dutt innig umarmt, der Manager Dutt hatte dem Fußballlehrer Kramny auch ein paar Worte ins Ohr geflüstert – und wenn ein Lippenleser im Stadion gewesen wäre, dann hätte dieser für Klarheit sorgen können. Doch so behielt Kramny die wahre Nachricht für sich und meinte lächelnd: „Er hat mir eine gute Nacht gewünscht und gesagt: Wir sehen uns ja morgen wieder.“

 

Das war am späteren Samstagabend, und dieses Morgen ist der Sonntagvormittag gewesen. So war es seit Längerem vereinbart, und abseits des Spiels wurden dann unter dem roten Dach an der Mercedesstraße die letzten Vertragsdetails geklärt, um anschließend das große Geheimnis zu lüften, das aber längst keines mehr war: Aus dem Interimstrainer Jürgen Kramny ist der Chefcoach Jürgen Kramny geworden, ausgestattet mit einem Vertrag, der weiterhin bis in den Sommer 2017 datiert ist.

„Da mussten wir nicht herumdiskutieren“, sagt Dutt. Denn Kramny ist ja ohnehin beim Bundesligisten angestellt gewesen und sein Kontrakt als Trainer der U 23 wurde jetzt einfach umgewandelt – mit der entsprechenden finanziellen Anpassung nach oben. Darüber ist der 44-Jährige nun ebenso froh wie über den Umstand, dass er sich nicht mehr als Übergangslösung betrachten muss. 26 Tage lang lebte der Ludwigsburger mit diesem Zusatz in seinem Berufstitel, und in dieser Zeit musste er vor allem durch seine Arbeit überzeugen.

Manager Dutt hat schon länger ein gutes Gefühl

„Ich weiß, dass ich eine Riesenverantwortung übernehme“, sagt Kramny – und er weiß auch, dass er mit dem VfB vor einer Riesenherausforderung steht. Zwar zeigte das Team gegen Wolfsburg noch einmal, wie es funktionieren kann, aber weitaus öfter hat es in der Vorrunde demonstriert, wie es eben nicht funktioniert. „Die Mannschaft braucht eine gute Ordnung und eine gute Mentalität“, sagt Kramny. Beides hat er ihr mit seinem neuen Assistenten Kai Oswald (bisher U 17) vermittelt. Unaufgeregt in der Art, aber klar in der Ansprache. Das hat Dutt recht schnell erkannt, weshalb sich der Mann aus den eigenen Reihen vom Außenseiter auf den Cheftrainerposten zum Favoriten gemacht hatte.

„Den Erfolg gegen Wolfsburg hätte es für mich nicht mehr unbedingt gebraucht“, sagt Dutt über Kramnys Beförderung. Der Manager hatte schon vorher ein gutes Gefühl, doch die Eindrücke und Emotionen sollten schon auch mit positiven Ergebnissen unterfüttert werden. Das ist mit zwei Siegen in drei Tagen gelungen: einmal glücklich gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig im DFB-Pokal, einmal überzeugend gegen den Champions-League-Achtelfinalisten aus Wolfsburg.

Irgendwo zwischen Zorniger und Stevens angesiedelt

Beides zusammen ergibt nun den Schwung, den die Stuttgarter mit in das neue Jahr nehmen. Beides zusammen fegt aber nicht die vielen Zweifel weg, die den VfB seit mehreren Jahren im Abstiegssumpf begleiten. „Es ist jetzt nicht alles gut“, sagt Dutt, „aber der Sieg gegen Wolfsburg hat uns allen gutgetan.“ Auch dem Manager selbst, der sich bis zuletzt eine Alternative zu Kramny offenhalten musste – für den Fall, dass es zum Vorrundenabschluss ein vergleichbares Debakel wie am 21. November gegeben hätte. An dem Tag, als der VfB mit 0:4 gegen den FC Augsburg verlor, und in dessen Folge der Cheftrainer Alexander Zorniger gehen musste.

Im Vergleich zum Fußballvisionär Zorniger verfolgt Kramny nun einen sehr pragmatischen Ansatz. Irgendwo zwischen seinem gescheiterten Vorgänger und dem zweifachen Retter Huub Stevens ist er anzusiedeln. Wobei das Stuttgarter Spiel mit dem frisch geschnürten Stabilitätspakt in der Defensive mehr dem Stevens-Stil gleicht, methodisch liegt Kramny jedoch näher bei Zorniger. „Diese Entscheidung hat jetzt den angenehmen Nebeneffekt, dass wir unseren konzeptionellen Weg mit Jürgen weitergehen können“, sagt Dutt.

Die Verzahnung zwischen Profi- und Nachwuchsbereich ist das übergeordnete Thema, das jetzt aber dem Kampf um den Klassenverbleib untergeordnet wird. „Die Rückrunde wird knallhart“, sagt Kramny – seit 26 Jahren im Fußballgeschäft und mit einem großen Sinn für die Notwendigkeiten in der Branche ausgestattet. Über eines verfügt Kramny jedoch nicht: einen Hang zur Selbstdarstellung. Weshalb er bisher nicht nur beim VfB gerne unterschätzt und gelegentlich auch übersehen wurde.