Der Rückrunden-Champion VfB Stuttgart verliert gegen den Tabellenletzten Hannover 96 – aber gewinnt einige Erkenntnisse, die wichtig für die Zukunft sein können.

Stuttgart – Spiele gegen einen Tabellenletzten sind eigentlich immer undankbar. Dennoch hätte Jürgen Kramny gegen Hannover am Ende sogar noch richtig Spaß haben können. Dazu wäre es jedoch notwendig gewesen, dass seine Mannschaft die ein oder andere Chance in der zweiten Hälfte nutzt. So aber macht der Trainer des VfB Stuttgart nach dem Schlusspfiff erstmals seit Wochen ein ernstes Gesicht. Es sei ja klar gewesen, dass die Serie mit acht Bundesligapartien ohne Niederlage irgendwann reißt, sagt Kramny – dass das allerdings ausgerechnet im neunten Spiel gegen Hannover passiert, das aus seinen acht Begegnungen zuvor wiederum keinen einzigen Punkte geholt hatte, sorgt schon für etwas Alarm auf dem Wasen.

 

In ihren Erklärungen stellen sich Kramny und der Sportvorstand Robin Dutt hinterher zwar schützend vor ihre Spieler, die sich diesen Kredit mit erfolgreichen Auftritten nach der Winterpause erarbeitet haben. Doch ein, zwei Sätze verraten, dass der VfB vor der Partie an diesem Mittwoch bei Borussia Mönchengladbach nicht einfach zur Tagesordnung übergehen will. „Heute hat man gesehen, dass die Spiele nicht vor dem Spiel gewonnen werden, sondern auf dem Platz“, sagt Kramny – was bedeuten könnte, dass er bei seinem Team in der Vorbereitung auf Hannover eine Spur Selbstgefälligkeit entdeckt hat. Dafür spricht auch die Leistung in den ersten 15 Minuten, als der VfB neben sich stand – und das ist jetzt auch die erste Erkenntnis. „Wir werden sicher unsere Schlüsse aus dieser Erfahrung ziehen“, sagt Kramny.

Das Problem mit der Spielgestaltung

Die zweite Erkenntnis ist nicht ganz neu und lautet, dass die Stuttgarter immer dann Probleme bekommen, wenn sie das Spiel gegen defensiv ausgerichtete Gegner selbst gestalten müssen. Das war etwa auch kurz vor Weihnachten im Pokal gegen den Zweitligisten Eintracht Braunschweig so. Da mangelt es an Ideen, speziell wenn Daniel Didavi wie gegen Hannover nicht dabei ist. Sein Vertreter Alexandru Maxim ist technisch zwar beschlagen, aber ihm fehlt in seinen Aktionen das Tempo, um eine massierte Abwehr aushebeln zu können. Zudem ist Timo Werner dann als einziger Stürmer überfordert. Er braucht Raum, um seine Schnelligkeit zu entfalten – und den gibt es gegen defensive Teams nicht.

Die dritte Erkenntnis ist, dass die Erfolgsserie zwar schön und wichtig war, um sich aus der direkten Abstiegszone zu befreien. Aber nicht wenige Siege sind auch glücklich ausgefallen – Glück, das gegen Hannover nicht vorhanden war. „In den vergangenen Wochen haben wir solche Spiele gewonnen“, sagt Kramny. Das zeigt, wie eng die Mannschaften in der Bundesliga zusammenliegen, mal abgesehen von Bayern und Dortmund. So entscheiden oft Kleinigkeiten. „Heute war wieder so ein Tag, an dem das Tabellenbild keine Rolle für das Ergebnis gespielt hat“, meint Kramny.

Daraus folgt die vierte Erkenntnis, die besagt, dass eine Weiterentwicklung der Mannschaft in der Sommerpause unerlässlich ist. Die Transferpolitik bestimmt den Kurs maßgeblich – und da dürfte die Verpflichtung von Jean Zimmer (22) kaum reichen. Mit dem Verteidiger des 1. FC Kaiserslautern ist sich der VfB nach StZ-Informationen bereits einig. Die Frage ist jedoch, wie die zu erwartenden Abgänge von Didavi und Filip Kostic aufgefangen werden. Soll kein Qualitätsverlust entstehen, müsste der Verein viel Geld in die Hand nehmen, was er jedoch zumindest im Augenblick nicht hat. Aus den eigenen Reihen sind kaum Hoffnungsträger in Sicht. Die in der Hinrunde schon zu den Profis beförderten Mart Ristl (19), Arianit Ferati (18) und Marvin Wanitzek (22) trainieren und spielen inzwischen wieder nur noch bei der zweiten Mannschaft in der dritten Liga.

Noch ist die Abstiegsgefahr nicht gebannt

Die fünfte Erkenntnis heißt, dass der VfB die Niederlage fürs Erste verschmerzen kann. Noch immer beträgt der Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 sieben Zähler. Allerdings wäre der Abstiegskampf bei einem Sieg wohl erledigt gewesen. Dann hätte das Team an diesem Spieltag punktemäßig sogar zum VfL Wolfsburg aufgeschlossen und damit die internationalen Startplätze in Sichtweite gehabt. Dieses Thema dürfte sich nun erledigt haben. „Wir haben ohnehin nie nach oben geschielt“, sagt Kramny. Für den Kapitän Christian Gentner sieht die Wirklichkeit so aus, „dass wir es verpasst haben, einen großen Schritt zu machen.“ Das Spiel habe gezeigt, „dass die Abstiegsgefahr lange nicht gebannt ist.“

„Wir brauchen noch Punkte“, sagt auch Kramny . Spaß hat er dann vielleicht ja wieder beim nächsten Mal.