Das Unentschieden des VfB Stuttgart in Hannover spiegelt das Dilemma der Stuttgarter wider – nicht nur in der Trainerfrage, schreibt der StZ-Redakteur Carlos Ubina.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Hannover - Robin Dutt ist ja ein pfiffiges Kerlchen. Jemand, der gerne Routinen durchbricht und sich auch mal herausfordern lässt. Doch beim Interviewmarathon im Bauch von Hannovers Stadion muss ihn nach dem 1:1 eine gewisse Monotonie erfasst haben. Es vollzog sich ein Reigen der immer gleichen Fragen. Deshalb hat der Sportvorstand des VfB Stuttgart dann selbst die Initiative ergriffen und beim Gang zur letzten Reporterschar eine Prämie ausgesetzt: ein Bier für denjenigen, der eine kreative Frage stellt.

 

Danach ist ein Moment der Stille eingetreten, eine schöpferische Pause, ehe sich der nächste Journalist doch wieder getraut hat – und die Litanei um die Trainerfrage beim Fußball-Bundesligisten erneut losging. Dutt hat dabei jedoch weder bestätigt, dass Huub Stevens VfB-Trainer bleibt, noch dementiert, dass er sich schon über Nachfolgeszenarien konkrete Gedanken macht. Und vor den Fernsehkameras hat er Stevens auch nicht den Rücken gestärkt. Wie ein Regierungssprecher versuchte der schwäbische Sportchef jegliche Verbalklippen zu umschiffen und kam letztlich zu seiner Kernaussage: „Wir müssen es schaffen, mit einem Sieg gegen Hertha die Berliner wieder an uns heranzuziehen und den Punkt von Hannover zu veredeln.“

Mit Stevens auf der Bank wird es am Freitag gegen Hertha weitergehen. Ein Spiel, das für die Stuttgarter nun so bedeutsam ist wie selten ein Heimspiel zuvor. Denn durch den späten 1:0-Sieg gegen den FC Augsburg hat der ebenfalls abstiegsbedrohte Hauptstadtclub den VfB am 23. Spieltag schwer getroffen. Und gewinnt das Schlusslicht am 24. Spieltag wieder nicht, können sich die Stuttgarter nicht mehr mit dem Argument beruhigen, dass am Tabellenende im Grund doch alles geblieben ist wie zuvor.

Die Fakten hat Stevens auf seiner Seite

So hatte Stevens beim Blick auf die Tabelle zumindest die Fakten auf seiner Seite: „Wir sind nach wie vor Letzter und haben nach wie vor drei Punkte Rückstand auf den Vorletzten.“ Nur, dass der jetzt SC Freiburg heißt und nicht mehr Hertha BSC. Doch vor allem gilt es im Auge zu behalten, dass der 17. Rang auch nicht zum Klassenverbleib reicht. Auf den Relegationsplatz, den Paderborn einnimmt, konnte der VfB aber sogar einen Zähler gut machen. Das rettende Ufer erscheint noch erreichbar.

Das ist die Fußballmathematik, die im Abstiegskampf greift – und von der sich die Stuttgarter gerne lösen würden, aber es nicht schaffen, weil sie es eben auch nicht schaffen, gegen einen schwachen Gegner wie Hannover 96 zu gewinnen. „Es war eine Sache von Zentimetern“, sagt der Verteidiger Daniel Schwaab. Was stimmt, weil es die Gäste in Niedersachsen nach der Führung durch Christian Gentner (52.) ein paar Mal knapp versäumten, ein zweites Tor nachzulegen.

Niedermeiers Fehler

„Es darf uns aber nicht passieren, dass wir dann so ein Gegentor kriegen“, sagt Gentner. Georg Niedermeier verlor ein Kopfballduell gegen Joselu – und in der Mitte vollendete Lars Stindl frei und mühelos zum 1:1 (70.). Ein Resultat, welches das Für und Wider in der Personalie Stevens dokumentiert, ein Ergebnis aber auch, das den Zustand des VfB widerspiegelt.

Einerseits fußballerisch verbessert, andererseits dennoch enttäuscht. Denn gemessen an der eigenen Vorgabe war das Unentschieden für die Mannschaft zu wenig. Ebenso für den Hintergedanken, das verunsicherte Team des Trainers Tayfun Korkut weiter nach unten zu ziehen. Schließlich geht in Hannover die Angst um, mit den 96ern könnte es noch böse enden. Bayern, Mönchengladbach und Dortmund sind die nächsten drei Gegner.

Jetzt kommen die direkten Konkurrenten

Drei Kaliber, die der VfB schon hinter sich hat. Nun warten in den verbleibenden elf Partien eine Reihe von Konkurrenten aus dem unteren Tabellendrittel, die nicht ständig und zwingend einen besseren Eindruck als der VfB hinterlassen. Mannschaften, die wie die Stuttgarter mit sich selbst zu kämpfen haben. Weshalb die Stevens-Skeptiker ja meinen: Will die Clubführung einen letzten Impuls setzen, hätte sie vor dem Hertha-Spiel reagieren müssen.

Doch Dutt will nicht reflexartig reagieren. Ein Nachfolger könnte ebenfalls schnell beschädigt dastehen. Am Sonntag analysierte er deshalb wie gewohnt mit Stevens („Die vier Monate bis zum Saisonende schaffe ich auch noch“) das Samstagsspiel, danach bereiteten sie die anstehende Woche vor – und nach der Begegnung mit den Berlinern wird die Situation neu bewertet.