Der VfB hat Karl Allgöwer als Berater engagiert und will weitere Ex-Spieler einbinden. Nicht immer aber ist es in der Liga gut gegangen, wenn Legenden am Werk sind.

Stuttgart – Es hat in den Jahren, in denen Karl Allgöwer das Trikot des VfB Stuttgart trug, auch diese Zeiten gegeben: Einmal, 1984/1985 war das, flog der Verein als Deutscher Meister in der ersten Europapokalrunde gegen Levski Sofia raus und beendete die Saison als Zehnter. Ein anderes Mal, zwei Jahre später, fuhren aufgebrachte Anhänger nach einer Niederlage ins Remstal und belagerten das Haus des Trainers Egon Coordes. Mit anderen Worten: auch damals in den 80er Jahren ist die VfB-Welt nicht immer rosarot gewesen.

 

Weil der Mensch vor allem in schlechten Zeiten dazu neigt, die Vergangenheit zu verklären, erinnern sich die VfB-Fans aber vor allem daran: An die Meisterschaft 1984, den einzigen Titel, den Karl Allgöwer in seiner Karriere gewonnen hat. An seine vielen und teils spektakulären Tore – 129 Mal traf er insgesamt, öfter als jeder andere in der VfB-Historie. Und auch daran, dass es Allgöwer, in jungen Jahren ein überzeugter Linker, nicht nur einmal gewagt hat, dem erzkonservativen Vereinspräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder forsch die Stirn zu bieten.

Karl Allgöwer erwarb sich in jenen Jahren den Ruf, ein kritischer, unbequemer Zeitgenosse zu sein, ein Querdenker, ein Mann, der über den Tellerrand hinausblickt. Dieser Ruf haftet ihm auch heute noch an, obwohl er ein Vierteljahrhundert lang öffentlich kaum in Erscheinung getreten ist. Nach seinem Karriereende 1991 zog er sich aus dem Fußballgeschäft zurück und verdient sein Geld als Handelsvertreter von Heilsalben und als Organisator von Sportevents. Seine Freizeit verbringt der 59-Jährige gerne auf dem Golfplatz.

Der Jubel ist gewaltig

Trotzdem war der Jubel beim Anhang gewaltig, als der VfB bei seinem Neujahrsempfang Allgöwer als neuen Berater präsentierte. Mit seinem Namen verbinden die Fans nicht nur die schönen Erinnerungen an die Vergangenheit, sondern vor allem die Hoffnung, dass in Zukunft endlich wieder alles besser wird. So gesehen ist Allgöwers Verpflichtung für den VfB ein Coup, der größer als jeder Spielertransfer ist. Denn nichts benötigt der Verein derzeit mehr als ein bisschen Aufbruchstimmung.

Es ist kein Zufall, dass gerade Traditionsclubs wie der VfB in den vergangenen Jahren so ins Schlingern geraten sind. Man hat manchmal den Eindruck, dass Tradition im modernen Fußball weniger Gütesiegel als vielmehr Belastung ist. Die Vereine wissen einerseits ein riesiges Fanpotenzial hinter sich – und müssen andererseits mit der ebenso großen Erwartungshaltung fertig werden und dem steigenden Anspruch der Fans, die Vereinspolitik maßgeblich mitgestalten zu wollen. Die Clubs sind stolz darauf, Herr im eigenen Haus zu sein – und müssen mitansehen, wie alimentierte Werksvereine und neureiche Emporkömmlinge an ihnen vorbeiziehen. Mindestens genauso stolz sind sie auf die früheren Meisterspieler – und müssen immer wieder gerade von ihnen herbe Kritik über sich ergehen lassen, wenn es nicht läuft. Was ist nur aus meinem Verein geworden – so lautet oft der Tenor.

Vorreiter der Bewegung: der FC Bayern

Auch Karl Allgöwer hat sich in den vergangenen Jahren immer mal wieder zu Wort gemeldet und einige Turbulenzen ausgelöst. Nun, da er eingebunden ist und erstmals zeigen darf, dass er es besser kann, dürfte diese Gefahr vorerst gebannt sein.

Der VfB ist nicht der einzige Traditionsclub, der mit seinen Helden der Vergangenheit gemeinsame Sache macht. Bei Werder Bremen wurde Marco Bode zum Aufsichtsratschef ernannt, Torsten Frings sitzt als Assistent auf der Trainerbank. Rainer Bonhof ist Vizepräsident von Borussia Mönchengladbach. Und bei Eintracht Frankfurt, wo Karl-Heinz Körbel die Fußballschule leitet und Bernd Hölzenbein das Scouting verantwortet, firmiert seit Weihnachten Jürgen Grabowski, zuvor ein scharfer Kritiker, als offizieller Clubrepräsentant. Vorreiter dieser Bewegung ist der FC Bayern, der seit Jahren wichtige und auch unwichtige Aufgaben an verdiente Ex-Spieler überträgt.

Beim HSV ist es mit Uwe Seeler schiefgegangen

Nicht immer aber läuft das so glatt wie beim Rekordmeister. Als eher unrühmliche Episode ging beim Hamburger SV das Wirken der Vereinsikone Uwe Seeler als Präsident in die Geschichte ein. Gar im Chaos endete beim 1. FC Köln, bei dem der VfB am Samstag in die Rückrunde startet, die Clubchefära von Wolfgang Overath, der sich 2011 völlig verbittert zurückzog und erst dieser Tage eine mögliche Versöhnung angekündigt hat. „Die Kölner haben wieder eine große Stabilität im Verein“, stellt Robin Dutt fest – was vor allem daran liegt, dass die Geschicke des Vereins von Jörg Schmadtke, einem Düsseldorfer, und Alexander Wehrle, einem Schwaben, gelenkt werden.

So viel Stabilität ist beim VfB nicht vorhanden. Groß ist nach wie vor das Misstrauen der Anhänger in die Clubführung. Auch deshalb hat sie so sehr um Karl Allgöwer geworben, der sich nun einreiht in die Riege anderer im Verein tätiger Meisterspieler: Günther Schäfer arbeitet seit dieser Saison als Teambetreuer, für den Ehrenspielführer Guido Buchwald hat sich vergangenes Jahr ein Platz im Ehrenrat gefunden, dessen Vorsitzender Hermann Ohlicher ist.

Allgöwer soll überall reinschnuppern

Zwar weiß niemand so genau, worin Allgöwers konkrete Aufgabe besteht – „an Sitzungen teilnehmen, überall reinschnuppern, seine Meinung sagen“, so umreißt Robin Dutt das mögliche Betätigungsfeld. Doch steht schon jetzt fest, dass Allgöwers Wort Gewicht hat – vor allem beim Anhang. Sollte er zu gegebener Zeit kundtun, dass nur eine Ausgliederung den VfB wieder nach vorne bringen kann, dann dürfte er damit viel mehr Gehör finden als der Vereinspräsident Bernd Wahler.

Karl Allgöwer soll nicht der letzte Ex-Profi bleiben, den der VfB einbinden will. „Wir werden da nicht Halt machen, wir brauchen ganz viele Leute, die mitmachen“, sagt Robin Dutt. Es stellt sich dabei nur ein Problem: Tore werden auch die alten Helden nicht mehr schießen können, nicht einmal Karl Allgöwer.