Der neue Trainer Jürgen Kramny hat es geschafft, der Mannschaft des schwäbischen Bundesligisten frische Impulse zu geben und einiges zu verändern.

Stuttgart - Für den VfB Stuttgart fängt die Zukunft an diesem Sonntag an. Dann lädt der Club seine Mitglieder zu einem Workshop in die Schleyerhalle ein, um darüber zu diskutieren, welcher Kurs mittelfristig gewählt werden soll. Im Zentrum steht die für Sommer geplante Ausgliederung der Profiabteilung mit dem Ziel, mehr Geld für die Verstärkung der Mannschaft zu erwirtschaften. Zumindest am Rande des Treffens dürfte es jedoch auch noch um die Gegenwart gehen mit der positiven sportlichen Entwicklung. Nach dem Trainerwechsel am 24. November von Alexander Zorniger zu Jürgen Kramny sieht es so aus, als habe der VfB die Trendwende geschafft. Aber was sind die Gründe dafür?

 

Die Aufstellung Florian Klein, Toni Sunjic, Timo Baumgartl, Emiliano Insua – das sind die Spieler, die unter Zorniger in der Abwehrviererkette gesetzt waren. Kevin Großkreutz, Daniel Schwaab, Georg Niedermeier, Emiliano Insua – das ist die Formation, die Kramny auf den Platz schickt. Drei Mann wurden also ausgetauscht, übrig geblieben ist nur Insua. Das Ergebnis? In den 13 Begegnungen mit Zorniger kassierte der VfB 31 Gegentore und damit mit Abstand die meisten aller 18 Teams in der Fußball-Bundesliga. Seit Kramny im Amt ist, kamen in neun Partien nur noch elf Gegentreffer hinzu. In der Gesamtstatistik ist jetzt Werder Bremen schlechter. Die Umstellungen haben sich also gelohnt. Kramny hat die Mannschaft vor allem in der Innenverteidigung mit Niedermeier und Schwaab stabiler gemacht.

Die Kontinuität In den fünf Spielen der Rückrunde lief viermal die gleiche Anfangsformation auf – nur einmal nicht, als Daniel Didavi gegen Hertha BSC gesperrt war. Und selbst die Spieler, die eingewechselt wurden, waren in der Regel die gleichen: Artem Kravets für Timo Werner, Alexandru Maxim für Didavi und dazu jüngst Martin Harnik, nachdem er seine Verletzung überwunden hat. Das ist ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass etwa der Bayern-Trainer Pep Guardiola seine Startelf bis Dezember 2015 in 99 Partien nacheinander auf mindestens einer Position geändert hatte. Auch bei Zorniger waren Umstellungen an der Tagesordnung. Der Plan von Kramny ist aber ein anderer. Er setzt auf Beständigkeit und Berechenbarkeit.

Die Spielweise Weg vom Emotionsfußball unter Zorniger, hin zu mehr Verstandsfußball – diesen Prozess hat Kramny eingeleitet. Oder um mit dem Manager Robin Dutt zu sprechen: „Das Stilmittel Pressing wird nun situativ eingesetzt.“ Das bedeutet, dass der VfB seinen Gegner nicht immer aus Prinzip früh attackiert, was für Zorniger alternativlos gewesen ist. In dieser Beziehung habe Kramny kleine, aber letztlich entscheidende Korrekturen vorgenommen, sagt Dutt. Augenfällig wird das am Beispiel von Serey Dié, der inzwischen als einziger Spieler im defensiven Mittelfeld agiert. Sein Partner Christian Gentner wurde weiter nach vorne gezogen und ist offensiver als zuvor ausgerichtet. So hat Kramny eingegriffen und die Ordnung in der Mannschaft leicht umgekrempelt.

Das glückliche Händchen Ein Trainer ohne Fortune sei ein schlechter Trainer, sagte der frühere VfB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder einmal. Demnach ist Kramny ein guter Trainer, was schon seine Einwechslungen beweisen. Beim 2:1 gegen den Hamburger SV kamen Maxim und Kravets ins Spiel, die zusammen den 2:1-Siegtreffer besorgten. In Frankfurt war es wieder Kravets, der den Elfmeter vor dem 4:1 herausholte, und in Schalke traf Harnik zum 1:1, als er gerade drei Minuten auf dem Feld war. „Es ist ein Qualitätsmerkmal von uns, dass wir hoch motivierte Leute von der Bank reinwerfen können“, sagt Dutt.

Das Betriebsklima Der Erfolg verändert offenbar alles, sogar die Mentalität der Mannschaft. Hatte es bis vor Kurzem beim VfB noch geheißen, die Spieler würden sich nur am Riemen reißen, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, hört sich das heute anders an. „Wir sind da auf einem guten Weg“, sagt Dutt, der mit dem Wort „da“ die Binnenverhältnisse insgesamt und den Teamgeist im Besonderen meint. Dabei sind es noch die gleichen Spieler wie im Herbst, und auch die Angestellten im Verein wurden nicht ausgetauscht – aber dennoch hat die von Dutt entdeckte neue Mentalität für den Manager „etwas mit dem Gesamtunternehmen zu tun und betrifft die Mitarbeiter in unserer Buchhaltung genauso wie die Profiabteilung“. Denn Mentalität sei etwas, was man vorleben könne. „Momentan präsentiert sich die Mannschaft so, dass sie Vertrauen verdient hat“, sagt Dutt zwar, um jedoch auch hinzuzufügen, „dass es jetzt um Nachhaltigkeit geht.“

Damit schlägt er die Brücke zur Zukunft, die ja demnächst beginnt.