„Unforced errors“ vermeiden, „Klarheit ins Passspiel“ bringen und nicht zu viel „rückwärts verteidigen“. Wer es mit VfB-Coach Hannes Wolf zu tun hat, muss nicht nur fußballerisch auf der Höhe sein.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Authentisch zu sein, so besagt eine Lebensweisheit, hilft einem weiter im Leben. Das gilt für Pädagogen mit Sendungsbewusstsein umso mehr. Also auch für Fußballlehrer, zu deren Kernkompetenzen es zählt, vor einer Gruppe junger Menschen die richtigen Worte zu finden. Wie ich rede, so bin ich – und das jeder auf seine Weise. Beim VfB Stuttgart hat man diesbezüglich in der Vergangenheit so einiges erlebt. Vom eher introvertierten Niederländer Jos Luhukay über den brachialen Alexander Zorniger („Des isch Kacke“) und den Bruddler Huub Stevens (Lieblingssatz: „Das hoffe ich für Sie!“) bis zum ironieverliebten Armin Veh war alles dabei. Auch die Schöpfer möglichst langer, verschachtelter Satzkonstruktionen (Bruno Labbadia) und die Vertreter der einfachen Kabinenpredigt wie Jürgen Kramny („Alles raushauen“) oder Jens Keller („Arsch aufreißen)“ sind auf dem Wasen bestens bekannt.

 

Seit nunmehr zwei Monaten schwingt mit Hannes Wolf wieder ein ganz anderer Typ Fußballlehrer das Kommando beim Zweitligisten. Wolf ist anders als seine Vorgänger. Er steht für ein höheres Anspruchsdenken und eine variablere Auffassung von Fußball, die sich auch sprachlich niederschlägt. So hilft es, bei Interviews die Ohren genau zu spitzen, um zu verstehen, was der 35-Jährige meint. Etwa, wenn er vom „Abschlussraum“ spricht, den es zuzustellen gilt. Also der Bereich, in dem es brenzlig wird – im modernen Trainerdeutsch auch gern als Box bezeichnet. Oder von der „Klarheit im Passspiel“, was wohl so viel heißen soll, wie den Ball möglichst sauber an den Mitspieler zu bringen. Des Weiteren legt Wolf Wert darauf, nicht zuviel „rückwärts zu verteidigen“ und „Tempo auf die Abseitslinie zu bekommen“. Grundsätzlich soll sein Team „Intensität reinbringen“ und möglichst viele Chancen „entwickeln“. Kurz: „gut performen“.

Unforced errors vermeiden und mit Tempo auf die Abseitslinie

Die Öffentlichkeit gewöhnt sich erst langsam an das Fußballdeutsch des Hannes Wolf, bei der Mannschaft ging es etwas schneller. „Für Außenstehende mag das etwas neuartig klingen“, sagt Kapitän Christian Gentner, „für uns als Mannschaft gibt es da aber kaum Verständigungsschwierigkeiten.“ Also auch dann nicht, wenn der studierte Sportwissenschaftler in der Vorbesprechung auf ein Spiel mit seinen Mannen darüber diskutiert, welche „unforced errors“ zu vermeiden sind oder „welche Themen der Gegner bietet“. „Entscheidend ist, dass das, was ein Trainer sagt, Hand und Fuß hat. Als Spieler merkt man das schnell. Und bei Wolf hat alles Hand und Fuß“, meint Gentner.

Der frühere Jugendtrainer von Borussia Dortmund ist ein Fußballlehrer moderner Prägung, für die Mehmet Scholl die Bezeichnung Laptop-Trainer geprägt hat. Was in der öffentlichen Diskussion etwas geringschätzig rüberkam, hat sich im heutigen Profifußball längst eingebürgert. Hoffenheims Julian Nagelsmann wirft wie selbstverständlich mit Begriffen wie „andocken“ oder „auffächern“ um sich, und schon Ralf Rangnick wusste Abseits in „ziehendes und drückendes Abseits“ zu unterscheiden. Nicht zu vergessen Thomas Tuchel, der statt der Kicker des BVB problemlos auch Studenten an der Uni unterrichten könnte. Tuchel dient Wolf in gewisser Weise als Lehrmeister – fußballerisch wie sprachlich. Was nicht heißen soll, dass sich der frühere Jugendtrainer des BVB nicht schon von Tuchel emanzipiert hätte. Bei allem wissenschaftlichen Duktus spricht der 35-Jährige auch die Sprache der Jugend und findet vieles „cool“, zum Beispiel seinen Job in der zweiten Liga. „Da geht’s richtig ab.“

„Jeder Trainer hat seinen eigenen Sprachraum entdeckt“, sagt Chefausbilder Frank Wormuth von der Hennes-Weisweiler-Akademie des Deutschen Fußball-Bundes. Dazu muss man sich den Alltag eines Proficoachs nur einmal vor Augen führen: Von morgens bis abends befassen sie sich mit nichts anderem als mit einem eigentlich simplen Spiel, in dem es darum geht, einen Ball ins Tor zu schießen. Aber das kann ja nicht alles sein.

Trainerausbilder Wormuth: Weniger ist mehr

„Die jungen Trainer nehmen den Fußball komplett auseinander. Da kommt man vom Hundertsten ins Tausendste – dabei entstehen ständig neue Begriffe“, berichtet Wormuth aus seinem Alltag als Ausbilder. Augenzwinkernd fügt er hinzu: „Wenn man den Fußball schon nicht ständig neu erfinden kann, dann wenigstens die Fußballsprache.“

Er empfiehlt seinen Absolventen immer:  „Weniger ist mehr.“ Schließlich dürfe man die Spieler, die teilweise noch nicht einmal Deutsch verstehen, mit der Theorie auch nicht überfrachten. So musste Wormuth auch bei Wolf immer wieder Stopp rufen, wenn dieser auf dem Trainingsplatz mit dem Dozieren begann. Der VfB-Trainer scheint das verinnerlicht zu haben, wenn er sagt: „Die Bereitschaft, sich in unsere Inhalte und unsere Sprache einzufinden, ist hoch. Aber wir dürfen auch nicht zu viel Information reinpumpen, dass jeder nur noch am Nachdenken ist.“

Das gilt zumindest beim Torabschluss als hinderlich, aber Wolf will seiner Mannschaft ja das Spiel in all seinen Facetten nahebringen. Schließlich geht es ihm um nichts weniger als das: „die Kultur auf dem Platz“.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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