Die Entwicklung beim VfB Stuttgart erinnert an jene bei Eintracht Frankfurt vor zwei Jahren. Die Hessen hatten ebenfalls ein vermeintlich sicheres Polster – und stiegen am Ende ab. Thomas Haid schreibt noch einmal auf, wie das damals in Frankfurt ablief.

Stuttgart - Bruno Labbadia bemüht sich um Normalität. Im Grunde sei ja jedes Bundesligaspiel ein Schlüsselspiel, sagt der Trainer des VfB Stuttgart. Damit will er die Bedeutung der Partie am Samstag gegen Werder Bremen tiefer hängen – wobei er weiß, dass die Mannschaft nach vier Niederlagen dringend einen Sieg benötigt, um nicht noch in den Abstiegskampf verwickelt zu werden. Siehe die Saison 2010/11: die Frankfurter Eintracht lässt grüßen.

 

Die Vorgeschichte

Heribert Bruchhagen hatte sich schon vor längerer Zeit dem Plan verschrieben, die Eintracht finanziell in ein ruhiges Fahrwasser zu führen. „Es ist einer unserer wesentlichen Grundsätze, dass wir uns nicht verschulden“, sagte der Frankfurter Vorstandschef im Sommer 2010 wieder einmal. Der Etat wurde auf 28,5 Millionen Euro reduziert. Um die Kosten weiter zu senken, trennte sich der Club im Januar 2011 von vier Spielern. Sparen war angesagt – und Kontinuität. Michael Skibbe hieß der Trainer, der die Eintracht seit Juli 2009 vermeintlich Schritt für Schritt nach oben geführt hatte. Er übernahm die Mannschaft auf Rang 13 und schaffte in seiner ersten Saison den zehnten Platz.

Der VfB spielt auf Konsolidierung

Der VfB fährt seit einiger Zeit auch einen Konsolidierungskurs und senkte seinen Etat von mehr als 50 Millionen Euro auf aktuell 42 Millionen. „Wir können nicht mehr Geld ausgeben als wir einnehmen“, sagte der Präsident Gerd Mäuser im Sommer 2012 wieder einmal. Dazu wurden dann jetzt in der Winterpause in Maza und Zdravko Kuzmanovic zwei Spieler abgegeben, die zur erweiterten Stammelf gehörten. Beständigkeit soll auch auf dem Trainerposten herrschen, da der Vertrag mit Bruno Labbadia nun bis 2015 verlängert worden ist. Tabellarisch ging es unter ihm aufwärts – von Rang 17 im Dezember 2010 auf Platz sechs in der vergangenen Runde.

Die Ausgangslage

Nach der Hinserie 2010/11 belegte die Eintracht mit 26 Punkten den siebten Platz. „Da hat jeder gedacht – okay, absteigen werden wir definitiv nicht mehr“, sagt Christoph Daum, der Skibbe am 22. März 2011 ersetzte. Stattdessen träumte man im Januar 2011 schon vom Einzug in den Europapokal. Aber die Rückrunde begann mit drei Niederlagen gegen Hannover, Hamburg und Mönchengladbach. Dennoch war das Polster nach unten offensichtlich noch ausreichend.

Der VfB lag nach der Hinserie 2012/13 mit 25 Punkten auf Rang neun. Aber die Rückrunde begann mit drei Niederlagen gegen Wolfsburg, Bayern und Düsseldorf. Dennoch scheint das Polster nach unten immer noch ausreichend. „Von Abstiegskampf will ich noch nicht sprechen. Das wäre den Teufel an die Wand gemalt“, sagt der Mittelfeldspieler Martin Harnik vor der Partie heute gegen Werder Bremen.

Wie es bei der Eintracht lief

Aber wie es beim VfB weitergehen wird, ist ungewiss. Fest steht indes, dass in Frankfurt das Unheil seinen Lauf nahm. Die Mannschaft verlor und verlor, aber Bruchhagen hielt lange zu Skibbe – zu lange? Im Nachhinein machte sich der Eintracht-Chef jedenfalls den Vorwurf, nicht schon früher auf den sich abzeichnenden Absturz reagiert zu haben. Denn bereits im Wintertrainingslager hatte Bruchhagen erkannt, dass die Chemie zwischen dem Trainer und der Mannschaft nicht mehr stimmte. Für Irritationen im Umfeld sorgte dann, dass er ausgerechnet nach dem ersten und einzigen Sieg in der Rückrunde – dem 2:1 gegen St. Pauli am 19. März 2011 – handelte. Skibbe wurde entlassen, aber auch Daum konnte die Eintracht nicht mehr retten.

Er übernahm eine Mannschaft, die weitgehend von Theofanis Gekas abhängig war. In der Hinserie 2010/11 hatte der Stürmer aus Griechenland noch 14 Treffer erzielt. In der Rückrunde waren es dann jedoch nur noch zwei. Eine ähnlich bedeutende Rolle wie Gekas in Frankfurt besetzt heute beim VfB übrigens Vedad Ibisevic. In den 17 Partien vor Weihnachten war der Serbe zehnmal erfolgreich, seitdem jedoch nicht mehr.

Ladehemmung und Verletzungsmisere

In Frankfurt kam zur Ladehemmung von Gekas hinzu, dass das Team von einer Verletzungsmisere befallen wurde. Maik Franz, Giorgios Tzavellas und Sonny Kittel fielen mit Kreuzbandrissen in der entscheidenden Phase aus. „Dadurch gerieten wir in personelle Engpässe“, sagt Daum. Der VfB muss jetzt schon monatelang auf Cacau verzichten, der sich ebenfalls einen Kreuzbandriss zugezogen hat – für Daum eine Parallele zu Franz und Co. und ein gravierendes Problem. „Cacau ist beim VfB eine wichtige Figur und der Spieler, der die anderen mitreißen kann“, sagt der Trainer.

Bei der Eintracht wurden die Risse im Winter und im Frühling 2011 immer tiefer – auch in der Mannschaft selbst, in der es rumorte. Grüppchen bildeten sich, zwischen denen es kaum noch etwas Verbindendes gab. Das waren die Nachwehen der Skibbe-Ära. Manche Spieler machten Politik in eigener Sache und interne Vorgänge öffentlich. Der Verein verhängte Strafen und Abmahnungen, aber der Sittenverfall war nicht mehr zu stoppen.

Die Fans gingen auf die Barrikaden

Als Folge davon gingen die Fans auf die Barrikaden. Sie verselbstständigten sich und distanzierten sich sowohl vom Verein als auch von der Mannschaft. Nachdem sie bereits eine Woche zuvor in Mainz mit der Polizei aneinandergeraten waren, stürmten sie nach dem 0:2 am vorletzten Spieltag gegen Köln den Platz. Der Skandal war perfekt. Die Anhänger des VfB verhalten sich friedlich. Allerdings brodelt es im 13 Personen umfassenden Fanausschuss, der den Vorstand in Sachfragen beraten soll. Viele Mitglieder des Gremiums sind frustriert und denken bereits offen an Rücktritt, weil sie sich von der angeblich rigiden Art des Präsidenten Gerd Mäuser so brüskiert fühlen, dass sie in einer Fortsetzung der Zusammenarbeit keinen Sinn mehr sehen.

In Frankfurt war der Scherbenhaufen damals nicht mehr zu kitten. Der Weg führte in die zweite Liga, wo sich der Club erholt hat. In Armin Veh kam ein neuer Trainer und in Bruno Hübner ein neuer Manager. Nach dem sofortigen Wiederaufstieg liegt die Elf jetzt auf dem vierten Platz und hat ordentliche Perspektiven. Und der VfB? „Im Gegensatz zur Eintracht ist er stark genug, um den Hebel umzulegen und sich aus dieser Situation zu befreien“, sagt Daum.