Mit großem Aufwand bereitet der VfB die Ausgliederung der Profiabteilung vor, die der HSV schon hinter sich hat. Doch die Hamburger Pläne sind bisher nicht aufgegangen. In Stuttgart soll es anders laufen.

Stuttgart/Hamburg - Im Foyer des Hamburger Kongresszentrums gibt es zum Abschluss Erbsensuppe, doch der Andrang hält sich in Grenzen. Die meisten Leute sind schon vorher nach Hause gegangen, und allzu viele waren sowieso nicht da. Nur 309 Mitglieder zählte der Hamburger SV, als der Bundesligist vor knapp zwei Wochen zu seiner Hauptversammlung lud und emotionale Ausbrüche nicht zu verzeichnen waren.

 

Ein komplett anderes Bild hatte sich anderthalb Jahre vorher geboten. Das Stadion war damals als Veranstaltungsort nötig, um den Ansturm bewältigen zu können; es wurde sieben Stunden lang diskutiert, gestritten – und am Ende laut gejubelt. 86,9 Prozent der anwesenden 9706 Mitglieder stimmten für eine Ausgliederung der Profiabteilung – klar überschritten wurde damit die erforderliche Dreiviertelmehrheit. „Das ist ein historischer Tag“, rief der damalige Clubchef Carl Jarchow an jenem 25. Mai 2014, exakt 31 Jahre nach dem Triumph im Europapokal der Landesmeister. Die Revolution, sie war vollendet.

Der VfB will am 17. Juli abstimmen lassen

Wenn Hamburg an diesem Samstag zum Duell der Traditionsclubs nach Stuttgart kommt, stehen die Norddeutschen also nicht nur in der Tabelle vier Punkte vor dem VfB – sie sind vor allem strukturell einen entscheidenden Schritt weiter. Der VfB ist derzeit dabei, die Ausgliederung vorzubereiten, die bei der Mitgliederversammlung am 17. Juli zur Abstimmung kommen soll. Alle 14 Bundesligisten, die ihre Profiabteilungen in Kapitalgesellschaften umgewandelt haben, hat die VfB-Führung nach ihren Erfahrungen befragt – und dürfte beim HSV ganz genau zugehört haben. Denn bei den Ausgangssituationen beider Clubs finden sich viele Parallelen.

Ein jahrelanger sportlicher Abwärtstrend verbunden mit finanziellen Engpässen und einer schweren Vertrauenskrise der Vereinsführung – mit diesem Problemen hat derzeit der VfB zu kämpfen. Nicht anders ging es den Hamburgern, als sie sich daranmachten, die Basis von der Notwendigkeit zu überzeugen, durch die Ausgliederung neue Geldquellen zu erschließen. „HSV plus“ nannte sich die Reforminitiative, der bekannte Hamburger Honoratioren angehörten und die generalstabsmäßig geplant wurde. Eine Werbeagentur konzipierte die PR-Kampagne, während die Verantwortlichen in einer Art Roadshow von Fanclub zu Fanclub tingelten.

Die VfB-Führung zieht momentan durchs ganze Land

Etwas anders geht der VfB vor. Seit Jahresbeginn ziehen Präsident Bernd Wahler und seine Mitstreiter durch Württemberg, um an der Basis für sich und ihr Projekt zu werben und die Vorbehalte und Ängste der Mitglieder auszuräumen. In Ludwigsburg fand am Donnerstag die achte von elf Regionalversammlungen statt, in Biberach, Rottweil und Aalen folgen nächste Woche die letzten drei. Nie zuvor hat der VfB einen so großen Aufwand betrieben, den Anhang auf die Reise mitzunehmen.

Auch am intensiven Austausch mit den Fans lag es, dass „HSV plus“ 2014 trotz aller sportlichen Turbulenzen – über die Relegation hatte sich die Mannschaft zum Klassenverbleib gezittert – eine überwältigend breite Zustimmung bekam. Der Jubel allerdings währte nur kurz, schon bald machte sich tiefe Ernüchterung breit. Für das abgelaufene Geschäftsjahr musste der Clubchef Dietmar Beiersdorfer ein Rekordminus von 16,9 Millionen Euro verkünden – nicht zuletzt deshalb, weil das Ziel der Ausgliederung verfehlt wurde: Noch immer sucht der HSV händeringend finanzkräftige strategische Partner, die bereit sind, in die ausgegliederte Fußballabteilung zu investieren.

Beim HSV investieren nur Herzblut-Fans

Einen Anteil von 24,9 Prozent will die HSV AG verkaufen, hat bisher aber erst knapp zehn Prozent an den Mann gebracht – und dabei keine großen Firmen gefunden, sondern nur drei Herzblut-Fans: neben dem Spediteur Klaus-Michael Kühne, der sich gern in das Tagesgeschäft einmischt und seine 7,5 Prozent zum Schnäppchenpreis von 18,75 Millionen Euro bekam, einen Agrarunternehmer und einen ehemaligen Weinhändler. Otto Rieckhoff, einst Initiator von „HSV plus“, hat sich längst resigniert abgewendet – genau wie viele Traditionalisten unter den Fans. Die Ultra-Gruppierung „Chosen Few“, zuvor für aufwendige Stadionchoreografien zuständig, löste sich nach der Ausgliederung auf.

24,9 Prozent will auch eine VfB AG veräußern und hofft wie einst der HSV, dessen Wert ähnlich eingeschätzt wird, auf Erlöse von bis zu 75 Millionen Euro. Doch beginnen an dieser Stelle die Unterschiede. In Daimler steht ein Weltkonzern als strategischer Partner bereit; weitere potente Firmen, so heißt es, hätten ihr Interesse bekundet. Dass die Region viel wirtschaftsstärker ist als Hamburg, das macht die Suche einfacher.

Die VfB-Fankultur soll keinen Schaden nehmen

Auch die Fankultur soll durch eine Ausgliederung keinen Schaden nehmen. Dass nicht jeder Ultra überzeugt werden kann, das wissen sie beim VfB – doch tun sie viel dafür, die breite Masse einzubinden, die nötig ist, um die Dreiviertelmehrheit zu bekommen. Ende Februar lädt der VfB zu einer Zukunftswerkstatt in die Schleyerhalle, wo die bisherigen Ideen konkretisiert werden sollen. Auf elf weiteren Regionalversammlungen geht das Projekt anschließend in seine entscheidende Phase, ehe am 17. Juli auch der VfB einen historischen Tag erleben will.

So weit ist es aber noch nicht – vorerst wird nur Fußball gespielt. Anpfiff an diesem Samstagabend ist um 18.30 Uhr.