Der VfB Stuttgart hat in der Fußball-Bundesliga mit dem 2:0 gegen Mainz das erste von drei Spielen mit Finalcharakter gewonnen. Jetzt folgt das nächste gegen Hamburg.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Schon lange nicht mehr sind nach dem Schlusspfiff im Stuttgarter Stadion so viele Fäuste nach oben geschossen. Die geballte Freude brach sich sowohl auf dem Platz bei den Fußballern des VfB Stuttgart als auch bei den Fans auf den Zuschauerrängen Bahn. Überall jubelte man, umarmte sich, tanzte vor Freude und brüllte seine Erleichterung hinaus.

 

Doch inmitten dieser Explosion an Emotionen schritt ein Mann in seinem weiß-roten Trainingsanzug ruhig über den Rasen, bedankte sich höflich beim Schiedsrichtergespann, beglückwünschte unaufgeregt seine Spieler und versammelte das komplette VfB-Team mit ernstem Gesicht nach dem 2:0-Sieg über den FSV Mainz 05, so schnell er nur konnte, um sich.

Huub Stevens ließ erstmals noch auf dem Platz einen Mannschaftskreis bilden. Eine Demonstration des Zusammenhalts nach außen, eine spontane Zusammenkunft, um seine Kernbotschaft nach innen gleich loszuwerden. „Wir haben zwar gewonnen, aber noch nichts erreicht. Wir stehen nach wie vor unten“, sagt der Trainer.

Abseits jeder aufkeimenden Euphorie hat der VfB auch nichts anderes getan, als seine Pflicht zu erfüllen. Die Mannschaft hat im bis dahin wichtigsten Spiel der Saison die Nerven behalten und sich damit im Abstiegskampf der Bundesliga die Chance auf ein nun noch wichtigeres Spiel bewahrt – am Samstag gegen den Hamburger SV.

Wiederum eine Woche später soll die Bedeutung der Begegnung für die Stuttgarter noch einmal steigen, da der erste Auftritt beim SC Paderborn gleich im doppelten Sinne finalen Charakter aufweisen soll: Im womöglich letzten Saisonspiel – die Relegation gegen den Zweitligadritten könnte ja auch noch anstehen – will es der VfB noch immer in der eigenen Hand haben, den Klassenverbleib zu sichern.

Dutt findet es am Tabellenende „richtig kuschlig“

Im Stuttgarter Sprachgebrauch hat sich deshalb bei den Spielern die Pokal-Metapher durchgesetzt: Viertelfinale, Halbfinale, Endspiel – jede Partie kann den praktischen K. o. bedeuten, aber jede Begegnung eröffnet auch die Möglichkeit, den ersehnten großen Schritt in Richtung rettendes Ufer zu vollziehen. „In der Tabelle ist es da unten gerade richtig kuschlig“, sagt der Manager Robin Dutt, „und wenn es nicht Gegner wären, dann könnten wir uns gegenseitig richtig wärmen.“

Drei Mannschaften (Paderborn, Hannover, Freiburg) sind nur einen Punkt besser als der VfB, ein Team zwei Zähler (Hamburg). Und was den Gastgebern neuen Mut gibt, ist die Tatsache, dass sie ohne großen Aussetzer in das Herzschlagfinale der Abstiegskandidaten gehen. Gegen Mainz lieferte die VfB-Elf ein Spiel ab, das sie auch in ihren schwächeren Phasen noch kontrollierte. In dem Unsicherheiten wie zu Beginn von Innenverteidiger Antonio Rüdiger noch ausgebügelt wurden und nicht gleich wieder zu einem Gegentor führten.

So gehört das Momentum im Tabellenkeller nun dem VfB, weil er als einziger gefährdeter Club gewonnen hat. Dank eines Verzweiflungsschusses, der sich unter freundlicher Mithilfe des FSV-Torhüters Loris Karius als Glückstreffer erwies. Aus mehr als 30 Metern hatte Daniel Didavi mit dem linken Fuß abgezogen, und dem in der Jugendabteilung des VfB ausgebildeten Karius flutschte der Ball durch die Finger (66.).

Didavis Glückstor weckt das Team wieder

„Ich habe grünes Licht von der Mannschaft und auch das Selbstbewusstsein, es aus größerer Entfernung zu versuchen“, sagt Didavi, der natürlich nichts dagegen hätte, wenn sich die Geschichte aus der Vorsaison wiederholen würde. Auch da war der Mittelfeldspieler lange zum Zuschauen verdammt gewesen, auch da vertraute ihm Stevens, auch da half der 25-Jährige noch mit, dass es zum Happy End reichte.

Gerade rechtzeitig meldete sich Didavi auch im Spiel gegen Mainz zurück. Denn der lange verletzte und erstmals wieder von Beginn an spielende Techniker wirkte nach einer Stunde müde und der Elan der Stuttgarter erlahmte insgesamt. Doch nach der Führung war der Matchplan des Mainzer Trainers Martin Schmidt futsch, auf die Ungeduld und Anfälligkeit der Stevens-Schützlinge in der Schlussphase zu setzen. Und Stevens selbst blieb es erspart, durch offensive Einwechslungen ein höheres Risiko einzugehen.

So war es dem starken Filip Kostic vorbehalten, mit dem zweiten Tor die restlichen Zweifel am Samstagabend wegzuschießen (79.) und dem VfB das Gefühl zu vermitteln, dass nach vielen Fehlern und Fehlentwicklungen die Saison doch noch eine glückliche Wende nehmen könnte. Schließlich hat diesmal nicht nur die Konkurrenz für den VfB gespielt, sondern der VfB selbst. Nun muss er nachlegen. Ein Vorhaben, das seit September 2013 stets misslungen ist. Auch deshalb hat sich Stevens nur ein kurzes Lächeln erlaubt – und ansonsten auf den dramatischen Ernst der Lage bei den Stuttgartern hingewiesen.