Wie der VfB stand 1971 auch Oberhausen nach 31 Spielen auf dem letzten Platz und schaffte noch den Klassenverbleib – bis heute einmalig. Der frühere Oberhausener Stürmer Franz Krauthausen war dabei und spricht über Parallelen und Unterschiede zum VfB 2015.

Stuttgart – - Franz Krauthausen (69) hat 1971 mit Rot-Weiß Oberhausen Geschichte geschrieben. Wie aktuell der VfB Stuttgart stand die Elf damals nach 31 Spielen auf dem letzten Platz und schaffte noch den Klassenverbleib. Das ist seit Bestehen der Fußball-Bundesliga keinem anderen Club gelungen. Allerdings ist es in Oberhausen nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen.
Herr Krauthausen, wissen Sie eigentlich, für welch einen einmaligen Club Sie früher Fußball gespielt haben?
Für die Bayern vielleicht?
Falsch. In München sind Sie zwar zweimal Meister geworden, aber das ist nicht einmalig – im Gegensatz zu der Tatsache, dass Sie in der Saison 1970/71 mit Rot-Weiß Oberhausen den Klassenverbleib geschafft haben, obwohl das Team nach dem 31. Spieltag noch den letzten Tabellenplatz belegt hat. Das ist zuvor und danach in der Geschichte der Bundesliga keiner Mannschaft mehr gelungen. Jetzt ist der VfB nach 31 Spielen Letzter .
Wenn man drei Spiele vor dem Ende einer Saison auf Rang 18 liegt, grenzt es schon an ein Wunder, wenn man da unten noch rauskommt. Das muss man ehrlich sagen. Dennoch hoffe ich, dass der VfB der zweite Verein wird, dem dieses Kunststück gelingt.
Wie haben Sie einst das Wunder vollbracht?
Leider war es so, dass diese Geschichte damals schon auch einen bitteren Beigeschmack hatte.
Weil der Oberhausener Präsident Peter Maaßen tief in den nach dem letzten Spieltag enthüllten Bundesligaskandal verwickelt war und dafür später auch verurteilt wurde?
Ich erinnere mich noch genau an unsere letzte Begegnung bei Eintracht Braunschweig. Wir spielten 1:1, was uns gereicht hat. Aber da sind vor dem Anpfiff einige merkwürdige Herren mit Koffern in der Hand im Stadionbereich herumgeschlichen – wie auch schon in den Wochen zuvor.
Gab es noch andere Auffälligkeiten außer diesen merkwürdigen Herren mit Koffern?
Beispielsweise hat Werner Ohm bei unserem 4:2-Sieg am 32. Spieltag in Köln ein wichtiges Tor geschossen. Zuvor hatte er so gut wie nie getroffen oder eigentlich gar nie, aber dann ließen ihn die Kölner einfach so durchmarschieren. Der Abschluss war für ihn dann aus zehn Metern nicht mehr besonders schwer. Im Nachhinein war manches komisch, aber wir Spieler haben damals nichts geahnt und nichts gemerkt.
Statt Oberhausen ist dann Kickers Offenbach abgestiegen – und dessen Präsident Horst-Gregorio Canellas hat den Bundesligaskandal nach dem letzten Spieltag ins Rollen gebracht.
Ja, so war das. Wir waren am Ende punktgleich mit Offenbach, aber um ein Tor besser. Doch lassen wir es damit bewenden. Das ist lange vorbei.
Trotzdem interessiert es jetzt sicher speziell viele VfB-Fans, was beim Saisonfinale in Oberhausen neben den dubiosen Geschäften des Präsidenten passiert ist? Vielleicht können die Stuttgarter daraus ja etwas lernen.
Dann beginne ich mit der Vorgeschichte. Im Jahr zuvor hatten wir als Aufsteiger einen furiosen Start hingelegt. Nach den ersten fünf Spielen standen wir mit 9:1-Punkten an der Tabellenspitze. Den Klassenerhalt schafften wir später locker. Vielleicht hat uns das übermütig gemacht. Es folgte der Einbruch. In unserer zweiten Saison ging es von Anfang an bergab – obwohl wir zwischendurch den HSV mit Uwe Seeler mal kurz mit 8:1 geschlagen haben.
Wie hat die Mannschaft dann trotzdem ganz zum Schluss wieder die Kurve gekriegt?
Indem wir wieder an den Anfang unserer ersten Saison und auch an das 8:1 gegen den HSV gedacht haben. Da hatten wir ja bewiesen, dass wir es drauf haben. Deshalb sagten wir – ‚Jungs, wir packen das noch. Wir haben nichts zu verlieren, und ohne uns zu wehren und ohne alles zu geben, verlassen wir die Liga nicht’. Dazu hat uns der neue Trainer Günter Brocker das Selbstvertrauen zurückgegeben. Er sagte, dass wir jeden Gegner schlagen können – und wir haben es geglaubt. Das war entscheidend.
Das Rezept klingt so einfach, dass es der VfB doch übernehmen könnte.
Fußball ist auch nicht sehr kompliziert. Unser Fall zeigt, dass auf dem Platz immer alles möglich ist. Vieles kann man rational gar nicht erklären und gar nicht begreifen – so wie unsere Rettung damals. Oder gucken Sie aktuell den HSV an. Er hat jetzt den vierten Trainer in dieser Saison – und plötzlich geht’s aufwärts.
Der VfB hat dagegen an seinem Trainer Huub Stevens festgehalten.
Huub Stevens macht ja auch vieles richtig – und die Mannschaft hängt sich rein. Aber das hilft alles nichts, wenn dann immer wieder solche Fehler vorkommen und ein Abwehrspieler wie am Samstag in Schalke sechs Meter vor dem eigenen Tor über den Ball schlägt.
Dann steigt man ab?
Das wäre ein großes Leiden für den Club. Aber unten ist es in der Tabelle weiter sehr eng. Eine Chance hat der VfB sicher noch. Das muss rein in die Köpfe der Spieler.
Dann tippen Sie nach dem Wunder von Oberhausen 1971, dass es 2015 das Wunder von Stuttgart gibt?
Es würde mich freuen, aber fest steht nur eines – dass auch diese Saison wieder zwei Mannschaften direkt absteigen müssen.