Der VfB Stuttgart will den eigenen Nachwuchs künftig wieder stärker fördern. Doch der Übergang von der Jugend zur Profimannschaft birgt Tücken.

Stuttgart - Die Kreativen aus der Marketingabteilung des VfB Stuttgart haben ganze Arbeit geleistet. Ein Logo haben sie zu Jahresbeginn entwickelt, mit einem alten Fußball in der Mitte, darunter die Aufschrift "Die Jungen Wilden". Sämtliche Nachwuchsteams des VfB tragen dieses Emblem auf den Trikotärmeln, und auf dem Bus der zweiten Mannschaft prangt es auch. Ein "Gütesiegel unserer Nachwuchsarbeit" (Präsident Gerd Mäuser) soll es sein - und den Talenten das Gefühl geben, dass die Chance, eines Tages Profi zu werden, nirgendwo besser ist als beim VfB.

 

Die Wiederbelebung des stark abgehangenen Begriffs der Jungen Wilden ist Teil dessen, was sie beim VfB den "Stuttgarter Weg" nennen. Dazu gehört neben der wirtschaftlichen Vernunft, die Mäuser gerne beschwört, "die Verpflichtung gegenüber dem eigenen Nachwuchs", wie der Manager Fredi Bobic sagt. Er will "mehr und mehr junge Spieler ins Profiteam integrieren" und "selbst im Falle von großen Erfolgen und entsprechenden Einnahmen keine Mannschaft zusammenkaufen".

In den vergangenen Jahren war dies anders - was ein Grund dafür ist, dass seit der Meisterschaft 2007 kein selbst ausgebildeter Feldspieler mehr dauerhaft den Sprung ins Profiteam geschafft hat. Kurioserweise ist der VfB immer dann am besten gefahren, wenn kein Geld vorhanden war. Dann konnten keine teuren Altstars wie Yildiray Bastürk oder Mauro Camoranesi verpflichtet werden; dann bekamen eigene Talente wie Serdar Tasci oder Sami Khedira die Chance und auch die Zeit, sich frühzeitig zu Stammspielern zu entwickeln.

Platz schaffen für die eigenen Talente

Hat der VfB nun tatsächlich aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt? Fredi Bobic hat seit seinem Dienstantritt im Sommer 2010 bereits einige Anstrengungen unternommen und der Nachwuchsarbeit neue Strukturen gegeben. Die Trainerstellen in der U 17, U19 und der zweiten Mannschaft hat er neu besetzt und in Marc Kienle einen sportlichen Leiter in der Nachwuchsabteilung installiert. Das dahinterstehende Ziel: eine bessere Verzahnung, eine bessere Kommunikation - und damit auch ein einfacherer Übergang von der Jugend zu den Profis.

Spätestens von der neuen Saison an, wenn die Verträge von Spielern wie Matthieu Delpierre oder Khalid Boulahrouz auslaufen, will der VfB ernst machen und Platz schaffen für die eigenen Talente. Der Mittelfeldspieler Raphael Holzhauser (19) steht dabei ganz oben auf der Liste, genau wie dessen österreichischer Landsmann Kevin Stöger (18), der Stürmer Alexander Riemann (19) oder der rechte Verteidiger Steffen Lang (18). Im Moment aber gestaltet sich die Übergang noch schwierig. Auf dem roten Teppich jedenfalls, den der VfB seinen Nachwuchskickern ausgerollt hat, gibt es einige Hindernisse.

Bruno Labbadia ist bisher nicht als der ganz große Jugendförderer in Erscheinung getreten. Zwar verweist der Trainer darauf, seit seinem Dienstbeginn im Dezember 2010 fünf Spielern zum Debüt verholfen zu haben: "Das gibt es in der Liga nicht oft." Doch gehört zu Wahrheit auch, dass Christoph Hemlein (21/drei Einwechslungen), Patrick Bauer (19/zwei Pokalspiele), Antonio Rüdiger (18/ein Ligaspiel), Ermin Bicakcic (22/ein Ligaspiel, inzwischen zu Braunschweig transferiert) und Holzhauser (zwei Einwechslungen) nur zu sporadischen Auftritten gekommen sind.

Auch etablierte Kräfte müssen bei Laune gehalten werden

Im Verein hoffen nun viele auf eine nachhaltigere Integration - vor allem dann, wenn sich die sportliche Lage entspannt und der VfB nicht mehr nach unten schauen muss. Im Vorgriff auf die neue Saison könnten die Talente dann schon einmal an höhere Aufgaben herangeführt werden. "Es ist für die Jungs natürlich ein Stück einfacher, wenn der große Druck weg und die Mannschaft gefestigter ist", sagt Labbadia. Dennoch gelte auch weiterhin, dass er die Spieler für seine Startformation "unabhängig vom Tabellenplatz" auswähle.

Dass der Trainer den Erfolgsfall nicht unbedingt zum Anlass nimmt, den jungen Nachrückern zu längeren Einsatzzeiten zu verhelfen, zeigte sich schon am vergangenen Samstag gegen Hertha BSC. Da stand es nach einer Stunde 5:0 - günstig schien die Gelegenheit, etwa dem hochveranlagten Holzhauser Spielpraxis zu ermöglichen. Labbadia jedoch wechselte neben Julian Schieber noch Cacau und Zdravko Kuzmanovic ein - und löste damit auch vereinsintern ein paar Irritationen aus.

Labbadia sieht es anders: Holzhauser habe kein "Bonbon" gebraucht, sagt der Trainer und verweist darauf, dass er den Österreicher zweimal eingewechselt habe, als es nicht lief - gegen Mönchengladbach (0:3) und im Pokal gegen die Bayern (0:2): "Das ist Wertschätzung genug, denn das zeigt, dass wir ihm etwas zutrauen." Zudem sei er als Trainer auch dafür zuständig, für "ein Gleichgewicht innerhalb der Mannschaft" zu sorgen. Und dazu gehöre eben auch, die etablierten Kräfte bei Laune zu halten.

Der VfB muss den Worten Taten folgen lassen

Hinzu kommt ein Dilemma, das nur ganz schwer zu lösen ist. Einerseits möchte der VfB zwar den Nachwuchs fördern, anderseits jedoch will der Verein verhindern, dass der Marktwert jener Spieler ins Bodenlose sinkt, die im Sommer für die Talente Platz machen sollen. Zdravko Kuzmanovic etwa ist einst für fast acht Millionen Euro verpflichtet worden; als Dauerreservist wäre für ihn nur noch ein Bruchteil dieser Summe zu erlösen.

Allerdings sagen manche im Umfeld des Vereins, der VfB wäre besser beraten, dafür zu sorgen, dass der Marktwert der vereinseigenen Talente möglichst früh zu steigen beginnt. Auf diese Weise jedenfalls haben die Stuttgarter in den vergangenen Jahren die besten Geschäfte gemacht. Mit dem Verkauf von Alexander Hleb, Mario Gomez, Sami Khedira und Co. hat der VfB rund 100 Millionen Euro verdient, während teure Neuverpflichtungen wie Ciprian Marica oder Pawel Pogrebnjak am Ende gewissermaßen verschenkt werden mussten, um die Millionengehälter zu sparen.

So weit soll es künftig nicht mehr kommen. "Auf dem Transfermarkt handeln wir nur, wenn wir von einem Spieler vollkommen überzeugt sind", sagt der Manager Fredi Bobic und will ansonsten der Jugend den Vortritt lassen. Und der Präsident Gerd Mäuser verspricht: "Die Talente aus unseren Juniorenteams bilden den Kern des Spielerreservoirs, aus dem wir künftig schöpfen werden." Jetzt muss der VfB den Worten nur noch Taten folgen lassen.