Seit etwas mehr als drei Monaten arbeitet Jan Schindelmeiser nun für den VfB Stuttgart. In dieser Zeit hat der Sportvorstand des Fußball-Zweitligisten schon viel erlebt. Eine erste Bilanz.

Stuttgart - Am 11. Juli hat Jan Schindelmeiser seine Arbeit beim VfB Stuttgart begonnen. 58 Tage nach dem Abstieg aus der Fußball-Bundesliga war das, seither hat der Sportvorstand kaum geruht. Transfers, der Trainerwechsel und die Mitgliederversammlung haben ihn intensiv beschäftigt – nach 100 Tagen ist es nun Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.

 

Die Innenwirkung

Jan Schindelmeiser blickt gerne auf das große Ganze. Alles hängt mit allem zusammen, wenn der Sportvorstand über die Situation beim VfB spricht. Der 52-Jährige redet dann von dieser Kraft, die dem Verein noch immer inne wohnt; der Demut, die notwendig ist, um die zweite Liga komplett anzunehmen; der Hochleistungskultur, die es wieder zu entwickeln gilt. Vielleicht ist das sogar die wichtigste Botschaft, die er nach innen richtet: Nichts geht auf dem Platz von allein, aber abseits des Platzes auch nicht – und wir brauchen alle dazu.

Als Teamplayer und Kommunikator, Vordenker und Entscheider präsentiert sich Schindelmeiser. Mit dem Kaderplaner Marc Kienle und dem Clubbotschafter Thomas Hitzlsperger diskutiert er über das Personal, mit dem Aufsichtsrat pflegt er einen regelmäßigen Austausch, mit dem Präsidenten Wolfgang Dietrich verbindet ihn die Überzeugung, einen neuen, frischen VfB aufstellen zu wollen. Dabei scheut der stets besonnen wirkende und überlegt formulierende Sportchef jedoch keine Konflikte und Konsequenzen – wie sich im Umgang mit Jos Luhukay gezeigt hat.

Die Trainerentscheidung

Von Anfang an hat Jan Schindelmeiser den Plan verfolgt, einen jungen Trainer zu verpflichten – nachdem Jos Luhukay bereits nach vier Spieltagen und vielen Missverständnissen seinen Rücktritt erklärt hatte. Zur Überraschung vieler kam schließlich der erst 35-jährige Hannes Wolf anstatt eines gestandenen Fußballlehrers wie Markus Gisdol oder André Breitenreiter.

„Erfahrung wird überschätzt“, sagt Schindelmeiser und betrachtet den früheren U-19-Trainer aus Dortmund als Mann für die Zukunft, der schon in der Gegenwart Erfolg bringen kann. Ein Alleingang war die Verpflichtung Wolfs aber nicht. Schindelmeiser band seine Vorstandskollegen Stefan Heim und Jochen Röttgermann (ein Präsident war noch nicht gewählt) in die Entscheidungsfindung ein.

Die Transfers

„Jeder Transfer muss sinnvoll sein.“ So lautet ein Leitsatz des Sportvorstandes. Diesen Sinn zu erkennen und die richtigen Entscheidungen auf dem Spielermarkt zu treffen, ist die große Kunst. „Kaderplanung hört nie auf“, sagt Jan Schindelmeiser – und hat bereits am Tag nach dem Ende der Sommer-Transferperiode begonnen, weitere Verpflichtungen anzubahnen.

Dass er kurzfristigen Erfolg liefern muss, dabei aber auch an die Zukunft denkt, zeigen vor allem die drei Verpflichtungen, die Schindelmeiser Ende August einfädelte. Carlos Mané, Benjamin Pavard und Takuma Asano sollen beispielhaft sein für diesen Spagat zwischen Gegenwart und Zukunft – und sie stehen für eine fantasiereichere Transferpolitik als in der Vergangenheit. Alle drei haben bereits ihre Qualitäten angedeutet oder bewiesen. „Wir haben einige Entscheidungen getroffen, die notwendig waren und sich im Nachhinein als richtig herausgestellt haben“, sagt Schindelmeiser, „aber etwas erreicht haben wir natürlich noch nicht.“ Bester Beweis für diese These: Die jüngste Pleite in Dresden – bei der auch die Neuen vieles schuldig blieben. Im Winter könnte noch einmal nachgebessert werden, doch auch hier muss dann die Perspektive stimmen.

Die Außendarstellung

Wer wissen wollte, wie Jan Schindelmeiser beim weiß-roten Anhang so ankommt, für den bot die Mitgliederversammlung vor eineinhalb Wochen besten Anschauungsunterricht. Der Sportvorstand konnte unbelastet seine Strategien präsentieren, erntete viel Applaus, beruhigte immer wieder die aufgebrachte Menge und kam mit seiner Mischung aus Bescheidenheit und Ehrgeiz gut an. Er baut auch keine Luftschlösser. „Ich habe selbstverständlich meine Vorstellungen, wo wir mit dem Verein in Zukunft hinwollen, möchte sie aber aktuell nicht öffentlich artikulieren. Das haben die Menschen hier zu oft gehört“, beschreibt er seine Zurückhaltung. Was er auf keinen Fall möchte: Als „Ankündigungsweltmeister“ gesehen zu werden, der den Worten keine Taten hat folgen lassen.

So trifft Schindelmeiser bislang den Nerv der Fans und tut dem VfB gut. Er weiß aber auch, dass er am Ende seiner Vertragslaufzeit (bis 2019) nicht an seinen Aussagen gemessen werden wird. Sondern daran, ob er den VfB nach vorn hat entwickeln können. Mit allem, was dazugehört.