Der SV Wehen Wiesbaden hat beim VfB Stuttgart II am Freitagabend mit 2:1 gewonnen - und stürzt die VfB-Reserve in eine Krise, die in der Regionalliga enden könnte.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Stuttgart - Das Geheimnis wurde rasch gelüftet. Vom SV Wehen Wiesbaden, der den VfB Stuttgart II wahrscheinlich so gut kennt wie kein anderer Gegner in der dritten Fußball-Liga. Der Sportdirektor Michael Feichtenbeiner wohnt schließlich nur fünf Kilometer entfernt und schaut bei passender Gelegenheit immer mal wieder im Gazi-Stadion vorbei. Und der Trainer Marc Kienle ist als ehemaliger Jugendkoordinator ein Insider schlechthin.

 

Die Karten lagen also auf dem Tisch. „Wir wussten, dass Stuttgart Probleme bei Standards hat“, sagte später Wehens Stümer José Vunguidica, der zum 1:0 abstaubte, nachdem zuvor Alf Mintzel mit einem Freistoß den Pfosten getroffen hatte. Mintzel leistete letztlich auch den Siegtreffer ein, als Luca Schnellbacher seinen Freistoß einköpfte. Und das, obwohl an der Außenlinie der VfB-Trainer Jürgen Kramny noch gerufen hatte „24“, um auf die Nummer des Einwechselspieler aufmerksam zu machen. Vergebens. „Was soll man da machen?“, fragte Kramny bedient und fügte hinzu: „Bei Standards sind wir eben anfälliger geworden – seit der Winterpause“.

Klang da etwa Kritik an der Personalpolitik des Vereins durch? „Nein“, wiegelte Kramny ab. „Das habe ich eben mal so eingeworfen.“ Ohne Öl ins Feuer zu gießen. Doch man muss sich schon Fragen, warum der Verein ohne große Not in Daniel Vier (Heidenheim) und Benedikt Röcker (Fürth) zwei Innenverteidiger mit Gardemaß hat einfach ziehen lassen. So dass nun am Freitag Patrick Funk auf der ungewohnten Position in die Bresche springen musste. Der hat seine Sache zwar ordentlich gemacht, allerdings darf nicht vergessen werden, dass auch dieser Notnagel im Grunde schon gehen sollte, wenn er denn einen Abnehmer gefunden hätte.

Wie auf dem Rangierbahnhof

All das könnte sich jetzt rächen. „Wir sind eben eine kleine Mannschaft“, sagte er Ersatzkapitän Marco Grüttner unaufgefordert. Aber Achtung: man sollte die fehlenden Zentimeter auch nicht als Alibi durchgehen lassen, schließlich war der Siegtorschütze auch kein „1,90-Meter-Hüne“, wie Kramny zurecht anmerkte. Sein Gegenspieler Tim Leibold hatte schlichtweg gepennt.

Ach ja: die einen sind weg, die anderen wieder da. Wie eben Leibold, der Senkrechtstarter der Hinrunde, oder auch Robin Yalcin, als frisch gebackener Profi, der just am Freitag einen Vertrag bis 2016 unterschrieben hat. Beide sollten unter dem Ex-Trainer Thomas Schneider als Möchte-Gern-Vorzeigeprofis für den Jugendkurs des Verein stehen und sind unter Huub Stevens, wie auch der lange verletzte Daniel Didavi, vorerst wieder nach unten degradiert worden. Da kann sich ein Spieler schon mal vorkommen wie auf dem Rangierbahnhof, und der VfB muss aufpassen, dass dieser Zick-Zack-Kurs für die zweite Mannschaft nicht auf dem Abstellgleis endet: Regionalliga!

Einstweilen sagt Stürmer Pascal Breier: „Wir haben gut gespielt und müssen das Positive aus dem Spiel mitnehmen.“ In der Tat konnte man der Mannschaft kämpferisch und phasenweise nach der Pause auch spielerisch keine Vorwürfe machen, umso schlimmer wiegt die Niederlage, so dass der VfB nun bereits seit sieben Spielen ohne Sieg ist. „Der wäre wichtig fürs Selbstvertrauen gewesen“, weiß Kramny.

Doch die nächste Chance kommt schon am Mittwoch, beim Kellerduell (Fünftletzter gegen Viertletzter) in Kiel. Für das der Trainer noch zwei Eisen im Feuer hat: „Ich hoffe, dass Tobias Rathgeb und Thomas Geyer dann wieder dabei sind“, sagt Kramny bezüglich der zuletzt verletzten Stammspieler. Doch in Punkte Größendefizite bieten die beiden Hoffnungsträger wenig. Rathgeb misst 1,73, Geyer als Innenverteidiger 1,79. Das dürfte sich bis nach Kiel rumgesprochen haben. Doch, wer weiß: vielleicht probt der VfB dort ja den Zwergenaufstand.