Erst erstaunlich gut und zuletzt nicht fehlerfrei: mit beidem geht der junge Verteidiger Timo Baumgartl vom Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart gelassen um.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Das Bild von Klaus-Dieter Sieloff hängt da an der Wand, auch die von Günther Schäfer, Thomas Schneider und Serdar Tasci. Sie alle begleiten die Jugendspieler des VfB Stuttgart zu ihren neuen Kabinen, sie sind der abwehrstarke Teil der sogenannten Panini-Galerie – einer Ansammlung von Fotografien, die mit Unterstützung des italienischen Sammelband-Giganten konzipiert wurde und motivierend auf die Talente wirken soll: Diese Spieler haben es geschafft, sie sind den beschwerlichen Weg von der eigenen Jugend bis zu den Profis gegangen.

 

30 Bundesliga-Einsätze für den VfB braucht es, um in die kleine Ruhmeshalle der Stuttgarter Nachwuchsakademie zu gelangen. Und wenn nicht der Abstieg dazwischenkommt, dann können sie beim VfB den nächsten Bilderrahmen schon fertigen lassen – für Timo Baumgartl. Der hat zwar erst zwölf Erstligapartien absolviert, doch an der Mercedesstraße zweifelt niemand daran, dass der 19-jährige Innenverteidiger das nächste Eigengewächs wird, das in den Kreis der bislang 30 Panini-Lokalhelden aufgenommen wird.

Zu gut ist Baumgartl fußballerisch, zu klar im Kopf, als dass ihn die kritischen Momente aus der Bahn werfen könnten, die er zuletzt in seiner noch jungen Karriere erleben musste. „Ich wusste doch schon vorher, dass ich nicht ohne Fehler auskommen werde. Das schaffen ja selbst Weltklasseverteidiger nicht“, sagt Baumgartl. Er sagt es, wie er spielt: erstaunlich ruhig und abgeklärt für einen, der erst im vergangenen November mit 18 aus der dritten Liga in das Bundesligabecken geworfen wurde – und gleich funktionieren musste.

Zehn Spiele lang lief alles gut

Zehn Spiele lang verlief das reibungslos, mit starken Zweikampfwerten und hoher Passquote. Oft wirkte es auf dem Platz sogar so, als müsse nicht der blonde Jungspund geführt werden, sondern als organisiere er die Abwehr. Doch dann kamen die Begegnungen mit Hoffenheim und Dortmund – und Baumgartl wurde voll in die Wirren des Abstiegskampfes verstrickt. Mit zwei Aktionen, die in den Schlussminuten zu Gegentoren führten.

Seither ist die Wahrnehmung eine andere. Auch weil der enttäuschte Baumgartl nach der 2:3-Niederlage gegen den BVB in der eigenen Fankurve nicht mit Pfiffen und Schmähungen empfangen wurde, sondern weil ihn die Anhänger getröstet haben. Das Bild ging sogar um die Welt, weil es als ein Sinnbild für den Schulterschluss zwischen Fans und Spielern verstanden wurde.

Doch diese aufwühlenden Minuten im Stadion ordnet Baumgartl ebenso unaufgeregt ein wie seine Unkonzentriertheit gegen Dortmund: „Wenn einem bewusst ist, dass Fehler normal sind, dann analysiert man die Situation, spricht darüber und nach einem Tag muss es wieder gut sein.“ Und selbstbewusst genug schiebt das Talent aus Maichingen noch nach: „Nur weil ich einen Fehler gemacht habe, heißt das ja nicht, dass alles andere in dem Spiel auch schlecht war. Von einem Tief kann man da nicht sprechen.“

Trainer Huub Stevens gibt Tipps – und Halt

Zumal in der Fraktion der Baumgartl-Befürworter die Meinung vorherrscht, dass sein Pass gegen Hoffenheim, der in der Nachspielzeit den Angriff zum bitteren 1:2 ausgelöst hatte, gar nicht das Problem gewesen sei. Sondern eher der Empfänger Oriol Romeu. Der Spanier ging nicht entschlossen genug zum Ball. Einem Pass, den Baumgartl wie so häufig zuvor in das Mittelfeld gespielt hatte, um den nächsten Angriff einzuleiten – mit dem Mut, das Spiel noch einmal schnell zu machen, um selbst vor das gegnerische Tor zu gelangen.

Für diese Spieleröffnung schätzen sie ihn, gerade an der Seite von Georg Niedermeier. Dennoch ist davon auszugehen, dass Baumgartl am Freitag (20.30 Uhr) in Leverkusen wieder nicht in der Anfangself stehen wird. Wie zuletzt gegen Hertha BSC und zuvor in Hannover, wo er krank ausfiel. Auch als Schutzmaßnahme des Trainers Huub Stevens für den zuletzt strauchelnden Abwehrlehrling wird das verstanden.

Trotzdem spürt Baumgartl das Vertrauen des Niederländers. „Das zeigt schon allein, wie oft er mich mit 18 hat spielen lassen. Und auch jetzt gibt er mir Tipps und Halt“, sagt Baumgartl, der sich weder durch die Reservistenrolle noch durch den immensen Druck beim Tabellenletzten den Spaß am Spiel verderben lassen will.

Denn wenn er bei seinen Kumpels aus der zweiten Mannschaft auf der Tribüne mitfiebert, kommt Baumgartl die eigene Situation noch immer wie im Traum vor. Der Traum vom Jungen, der beim VfB erst groß und dann zum Profi geworden ist – und der möglichst bald eine der freien weißen Flächen in der Panini-Galerie besetzen soll.