Nach dem 1:0 in Hamburg richtet sich beim VfB der Blick auf das letzte Vorrundenspiel gegen Paderborn. Endet das verkorkste Jahr doch noch einigermaßen versöhnlich?

Hamburg - Der Flugkapitän verzichtet bei seiner Begrüßung auf Glückwünsche via Bordmikrofon. Das ändert an der guten Stimmung auf dem Germanwings-Flug 2045 von Hamburg nach Stuttgart aber nichts. Den VfB-Spielern, die in ihren roten Trainingsanzügen müde im Mittelteil der Maschine sitzen, wird am frühen Mittwoch kräftig auf die Schultern geklopft. Das unverwechselbare Lachen des Präsidenten Bernd Wahler aus Reihe zwölf ist auch noch ganz hinten zu hören.

 

Auch in schlechten Zeiten lässt sich Wahler die gute Laune nicht verbieten – diesmal hat er ausnahmsweise allen Grunde zur Fröhlichkeit: Mit 1:0 (1:0) hat der VfB am Vorabend beim Hamburger SV gewonnen, es war ein Sieg, dessen Bedeutung gewaltig ist. Die Stuttgarter haben neue Hoffnung im Abstiegskampf geschöpft – und gleichzeitig zu einem direkten Konkurrenten aufgeschlossen, der ganz offensichtlich noch größere Probleme hat.

Die Bundesliga-Uhr des HSV könnte aufhören zu ticken

Regelmäßig sind an dieser Stelle in den vergangenen Monaten die dürftigen Darbietungen des VfB beklagt worden. Nun muss man, ohne die Stuttgarter Leistung schmälern zu wollen, eines ganz klar festhalten: So erschütternd schlecht wie der HSV am Dienstagabend hat sich der VfB selbst in seinen dunkelsten Momenten nicht präsentiert. Man möchte nach diesem Auftritt viel Geld darauf wetten, dass die ewige Bundesliga-Uhr im Hamburger Stadion im nächsten Mai nach 52 Jahren aufhören wird, die Minuten zu zählen.

Der VfB hingegen hat beim HSV (im Gegensatz zu vielen anderen Spielen) wieder einmal gezeigt, dass er fest gewillt ist, den Absturz auch dieses Mal zu vermeiden. Die Stuttgarter standen, von den ersten zehn Minuten abgesehen, konzentriert in der Abwehr und nutzten die unzähligen Hamburger Fehler immer wieder zu schnellen Kontern. Und auch nach dem Platzverweis von Georg Niedermeier, der vom DFB-Sportgericht für ein Spiel gesperrt worden ist, haben sie die meiste Zeit über kühlen Kopf bewahrt und in Unterzahl den völlig verdienten Sieg über die Zeit gebracht.

Huub Stevens sieht keinen Anlass zum Jubel

Selbstverständlich verbittet sich Huub Stevens hinterher dennoch jeden Anflug von Euphorie. Zu oft hat er schon erlebt, dass seine Spieler nach Erfolgserlebnissen übermütig wurden; zu oft folgte auf einen Sieg die nächste Pleite. Streng verweist der VfB-Trainer daher auf die Probleme in der Anfangsphase, auf die vergebenen Torchancen und darauf, dass der Sieg „nur ein ganz kleiner Schritt“ gewesen sei. Eigenhändig schickt Stevens anschließend seinen Kapitän Christian Gentner zum kalt-warmen Büffet im Kabinengang, auf dass die leeren Kohlenhydratspeicher wieder gefüllt werden.

Noch steht schließlich ein letzter Kraftakt vor den Weihnachtsferien an: das Heimspiel am Samstag gegen den SC Paderborn, das für die Stimmungslage im Verein, im Umfeld und bei den Fans noch größere Bedeutung hat als die Partie in Hamburg. Folglich gibt es keinen im Stuttgarter Lager, der nicht gleich nach dem Schlusspfiff über Paderborn reden würde.

Sportdirektor Jochen Schneider appelliert an die Fans

„Wir dürfen nicht glauben, dass der Sieg in Hamburg ein Befreiungsschlag war – wir müssen jetzt nachlegen“, sagt der Torschütze Florian Klein. „Für das Gefühl, mit dem man in die Winterpause geht, wäre ein Sieg extrem wichtig“, sagt der Verteidiger Daniel Schwaab. Und der Sportdirektor Jochen Schneider schwört bereits den leidgeprüften Anhang auf das Duell mit dem Aufsteiger ein: „Ich kann nur an jeden VfB-Fan appellieren, die Mannschaft noch einmal total zu unterstützen.“ Aufgrund verbilligter Preise für Kinder und Jugendliche hat der VfB bereits jetzt stattliche 51 000 Tickets verkauft.

„Egal wie das Spiel ausgeht – wir können so oder so mit der Vorrunde nicht zufrieden sein“, sagt Georg Niedermeier. Das stimmt zwar. Denn die 19 Punkte, die im besten Falle noch zu holen sind, entsprechen in Summe mit dem Rauswurf des Managers Fredi Bobic und dem Rücktritt des Trainers Armin Veh nicht ansatzweise dem, was sich der VfB vor Beginn der Saison vorgestellt hat. Doch eröffnet sich immerhin die große Gelegenheit, mit zwei Siegen das verkorkste Jahr noch einigermaßen versöhnlich abzuschließen. Über den Jahreswechsel würde erstmals seit sehr langer Zeit wieder so etwas wie Ruhe einkehren. Nach nichts sehnt sich der Verein nach all den Turbulenzen der vergangenen Monate mehr.

Der Trainer treibt Alexandru Maxim an

So weit will Huub Stevens aber noch nicht denken. Erst einmal müsse die Partie mit dem aufsässigen Aufsteiger aus Ostwestfalen gespielt werden, „das wird ganz, ganz schwierig“. Der Trainer ärgert sich, dass Georg Niedermeier ausfällt; und er erwartet, dass Alexandru Maxim im Training auch weiterhin so engagiert zur Sache geht, wie zuletzt. „Ich hatte ihm gesagt, dass ich nicht zufrieden mit ihm war – dann hat er eine Reaktion gezeigt.“ In Hamburg stand der Rumäne erstmals unter Huub Stevens in der Startelf und bot eine gute Leistung.

Maxim wird also nicht nachlassen können, die anderen auch nicht. Nach der Landung der Germanwings-Maschine in Stuttgart wartet vor dem Flughafen schon der Teambus – für die Weiterfahrt zum Training.