Nach dem enttäuschenden Unentschieden gegen den SC Paderborn hat Huub Stevens deutliche Worte gefunden. Der Trainer des VfB Stuttgart vermisst die nötige Aggressivität im Abstiegskampf.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Für Huub Stevens ist die Mannschaftskabine ein heiliger Ort. Möglichst nichts von dem, was dort passiert oder gesprochen wird, soll nach draußen dringen. „Das ist doch nicht wie bei Big Brother“, sagt der Trainer des VfB Stuttgart. Aber auch ohne die Fernsehkameras und Mikrofone der TV-Show aus dem Wohncontainer konnte man sich diesmal ein Bild davon machen, wie es im innersten Kreis zugegangen sein muss. Ausgerechnet Stevens hatte dafür gesorgt. Selbst wenn der Trainer des Fußball-Bundesligisten nichts über den Inhalt oder die Fonstärke seiner Halbzeitansprache verriet. Doch es muss laut in der Kabine gewesen sein, und an Klarheit ließen die Worte des Niederländer auch nichts vermissen.

 

Bedrückt schlichen die meisten VfB-Spieler nach dem enttäuschenden 0:0 gegen den SC Paderborn aus dem Stadion. Noch einmal hatte ihnen Stevens nach dem Abpfiff die Meinung gegeigt. Von der „mangelnden Aggressivität“ hatte er geredet, davon, dass einige wieder „einen Tritt“ bräuchten, alle „ganz schnell wach“ werden müssten. Und für den Fall, dass die kernigen Botschaften des auserkorenen Retters im Team und im Verein immer noch nicht angekommen sein sollten, kann man sie sich in TV-Beiträgen gerne in Endlosschleifen anschauen sowie in den Montagsausgaben diverser Zeitungen nachlesen.

Paderborn hat die bessere Spielanlage

Da Stevens aber ganz sicher gehen will, dass die Spieler ihn im Abstiegskampf auch wirklich verstehen, hat er sie nicht schlicht mit deutlichen Worten in den Weihnachtsurlaub geschickt, sondern am Sonntag ein Training angesetzt – samt gemeinsamem Frühstück und anschließender Videoanalyse. Da ist zu sehen, dass die Gäste aus Paderborn die bessere Spielanlage boten; und es ist vor allem zu sehen, mit wie wenig Gewinnermentalität die Stuttgarter eine große Chance ungenutzt ließen.

Das ist das Problem. „Wir haben in fünf Spielen acht Punkte geholt. Das ist okay, aber es hätten zehn sein müssen“, sagt Stevens. Denn mit einem Sieg hätte der VfB nicht nur diesen unbequemen und aufmüpfigen Aufsteiger aus Ostwestfalen überholt, er hätte nicht nur einen wahrnehmbaren Schritt nach oben in der Tabelle vollzogen, er hätte vor allem für ein paar Wochen dieses mulmige Gefühl rund um den Wasen vertreiben können, dass es die Stuttgarter diesmal doch erwischt.

So bleibt erst einmal nichts als ein Pünktchen Hoffnung. Und die ruht auf Huub Stevens, der schon vor dem Paderborn-Spiel versucht hatte, ein Gerüst aus Zuversicht zu errichten. Indem er seit seinem zweiten Amtsantritt am 25. November zur Besinnung auf dieses eine Ziel aufgerufen, an Herz und Leidenschaft appelliert, Kampfbereitschaft gepredigt und auch einen unerschütterlichen Arbeitsethos vorgelebt hatte. Alles für den Klassenverbleib. Aber nach dem Spiel gegen Paderborn sagt der Trainer: „Ich kann die Mannschaft auch nicht ändern. Ich kann nur behilflich sein, aber wir werden etwas tun müssen.“

Stevens ordnet alles der defensiven Stabilität unter

Die Suche nach neuen Spielern läuft. Der Trainer sucht im Kader aber vor allem nach den Typen, die sich bedingungslos in den Dienst der Sache stellen, die sich im Dauerabstiegskampf schon länger nicht mehr zu Höherem berufen fühlen. Denn anders als im vergangenen Frühjahr, als es dem 61-Jährigen gelungen war, dem VfB für zehn Spiele eine Wagenburgmentalität (wir hier drinnen, ihr da draußen) zu vermitteln, muss er diesmal erkennen: „Letzte Saison war das doch etwas anderes.“

Dabei stört es den Realisten Stevens, dass es beim VfB noch immer (oder schon wieder) eine beunruhigende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt. „Es geht nicht darum, schön Fußball zu spielen. Es geht darum, erst einmal den Kampf anzunehmen“, sagt der Trainer. Dafür hat sich Stevens von jeglichem spielerischen Anspruch verabschiedet, alles der defensiven Stabilität untergeordnet.

Labil bleiben die Stuttgarter in ihren Leistungen dennoch. Seit September 2013 haben sie nicht mehr zweimal hintereinander gewonnen. Was auch dazu führt, dass Prognosen über den aktuellen Spieltag hinaus kaum noch Bestand haben. Mal schlecht, mal ordentlich, mal gar nichts. Doch der Konkurrenz im gut gefüllten Tabellenkeller ergeht es ähnlich. Und das ist vielleicht die beste Botschaft für den VfB, ehe es am 3. Januar wieder mit dem Training weitergeht. „Da hoffe ich, dass die Spieler besser zurückkommen, als sie jetzt gegangen sind“, sagt Stevens.