Julian Schieber wird den Vertrag beim VfB Stuttgart nicht verlängern. Zu verlockend scheint das Angebot vom Meister Borussia Dortmund zu sein. Doch zum Nulltarif wird Schieber den VfB nicht verlassen.

Stuttgart - Eigentlich ist Fredi Bobic (40) am Montag nach Istanbul geflogen, um Kontakte zu pflegen und um ein bisschen abzuschalten. Dazu wird in der Stadt am Bosporus bis heute Abend eine kleine Traditions-WM mit Altstars und Nationalmannschaften aus sechs Ländern ausgetragen: Portugal, Spanien, Holland, die Türkei und Belgien sind die Gegner, auf die Bobic mit der deutschen Elf trifft.

 

Mal abgesehen von dem schlimmen Muskelkater, den sich der Manager des VfB Stuttgart in den Spielen einhandelte, hat so weit alles gepasst – aber nur bis Dienstagabend. Dann war zumindest das Ziel mit dem Abschalten hinfällig. Bobic erhielt einen Anruf auf sein Handy – von Julian Schieber (23), der eine bittere Nachricht überbracht hat. Nachdem ihm der VfB vor drei Wochen ein neues Vertragsangebot bis 2016 vorgelegt hatte, lehnte der Stürmer diese Offerte nun ab. „Julian hat mich über seine Entscheidung informiert. Das muss ich erst einmal sacken lassen“, sagt Bobic.

Der Grund für den Korb des Angreifers heißt Borussia Dortmund. Nach StZ-Informationen hat der Deutsche Meister und Pokalsieger fest vor, Schieber zu verpflichten – schon für die nächste Saison und nicht erst im Sommer 2013 nach dessen regulärem Vertragsende in Stuttgart. Sollte das klappen, würde sich die Geschichte wiederholen, nachdem Christian Träsch (24) vor einem Jahr unter gleichen formalen Voraussetzungen vom VfB zum VfL Wolfsburg wechselte. Damals betrug die Ablöse neun Millionen Euro. Und jetzt?

Nach der Rückkehr aus Istanbul wird Bobic mit seiner Vereinsführung die weitere Vorgehensweise abstimmen. „Im Moment sind die Eindrücke noch zu frisch“, sagt der Manager. Klar ist für Bobic jedoch bereits, dass es wenig sinnvoll wäre, Schieber zu zwingen, bis 2013 zu bleiben. Deshalb dürften die Gespräche mit der Borussia bald aufgenommen und abgeschlossen werden. Denn die Parteien verbindet eines: sie streben Planungssicherheit an.

Schieber gibt es nicht zum Nulltarif

Die Dortmunder wissen, dass sie Schieber nicht zum Nulltarif bekommen werden. Wie viel Geld sie letztlich zahlen müssen, hängt vor allem vom Verhandlungsgeschick des VfB ab, der wohl mit einer Einnahme von mindestens sechs bis acht Millionen Euro rechnen kann. Für die Borussia ist das kein Problem, da der finanzielle Spielraum durch die erneute Qualifikation für die Champions League ziemlich groß ist. Zudem kassierte der Club durch den Transfer von Lucas Barrios (27) nach China zwölf Millionen Euro – und der wahrscheinliche Abgang von Shinji Kagawa (23) nach England dürfte noch einmal 20 Millionen in die Kasse bringen.

Da kann der VfB nicht mithalten, der bei Schieber an seine Schmerzgrenze gegangen ist. Dem Vernehmen nach hätte der Spieler künftig rund zwei Millionen Euro pro Jahr verdienen können, zuzüglich der Prämien. Der Club hat alle ihm zur Verfügung stehenden Register gezogen – schon im September, als er dem damals schwer verletzten Schieber erstmals deutlich signalisierte, die Abmachung mit ihm unbedingt verlängern zu wollen. „Wir haben alles getan, was möglich war“, sagt Bobic.

Aber Schieber ist dem Lockruf des Champions erlegen – was ein anderes Kaliber darstellt als das mit Träsch und Wolfsburg. Interessenten in der sportlichen Mittelmaßpreisklasse des VW-Clubs fühlten auch jetzt vor, doch das war kein Thema für Schieber, der lange dazu tendierte, das Angebot des VfB zu unterschreiben – bis Dortmund kam. Das ist das Nonplusultra in der Liga. Deshalb verzichtet Bobic auch auf verbale Muskelspiele und droht nicht mit der Verweigerung der Freigabe wie bei Träsch.

Der Trainer Jürgen Klopp hat Schieber überzeugt, auch wenn ihm bei der Borussia die Ersatzbank drohen würde. Denn im Angriff ist Robert Lewandowski (23) gesetzt – wie in Stuttgart Vedad Ibisevic (27). Der bevorstehende Abgang von Schieber bedeutet für den VfB erstens, dass Cacau (31) kaum noch auch verkauft werden kann. Zweitens braucht der Verein einen Ersatz. „Ab sofort prüfen wir die Optionen“, sagt Bobic. Und drittens wird es für ihn so schnell nichts mit Abschalten, nicht mal in Istanbul.