Martin Harniks Tor zum 1:1 auf Schalke zeigt, dass der Aufschwung beim VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga viel mit den Einwechselspielern zu tun hat.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Gelsenkirchen - Robin Dutt hat überlegen müssen. Denn so einfach war die Frage nicht. Sie kam ja auch nicht direkt auf ihn zu, sondern von halblinks – und mit Anlauf. Ein Schalker Reporter hatte sie nach einigen Ausführungen gestellt und den Manager des VfB Stuttgart gezwungen, sich die Bundesligatabelle zu vergegenwärtigen – und zu rechnen. Schließlich hat Dutt gelächelt: „Wir sind zunächst froh, dass uns jetzt diese Art von Fragen gestellt werden.“

 

Es ging um die Punkteabstände und reflexartig hatte Dutt in Gedanken erst einmal den Puffer nach unten geprüft, aber in Gelsenkirchen nehmen sie den VfB offenbar wieder als Kandidaten für höhere Fußballaufgaben war. Als eine Mannschaft, die dank ihrer Erfolgsserie auch dem FC Schalke gefährlich werden kann. Acht Zähler liegen die Stuttgarter vor dem Relegationsplatz, aber eben nur sechs hinter den Königsblauen, die als Sechster einen Europa-League-Rang belegen und sich in Wahrheit nur nach der Champions League sehnen.

Der VfB fühlt sich im Niemandsland wohl

Doch der Tabellenelfte hat trotz der zuletzt acht Ligabegegnungen ohne Niederlage nicht vergessen, wo er herkommt: von ganz unten. „Wenn es in der Tabelle ein Traumland, ein Niemandsland und ein Land nahe der Hölle gibt, dann fühlen wir uns mit einem Platz in diesem Mittelland gut“, sagt Dutt. Dort wollen sich die Stuttgarter festbeißen, und von dort wollen aus wollen sie in Ruhe sportlich wachsen, um den Erfolg nachhaltig zu gestalten. Nicht allein über mehrere Spiele, wie der Manager erklärt. Sondern über Jahre.

Das erfordert Geduld, und was es dem VfB gerade erleichtert, sich ein wenig Zeit zu nehmen, sind die schwäbischen Bankreserven. Denn auf Schalke sicherten erneut eingewechselte Spieler den 1:1-Endstand nach einer mittelmäßigen ersten Hälfte. Wie schon gegen den Hamburger SV. Diesmal drückte schließlich Martin Harnik, der drei Minuten zuvor in die Partie gekommen war, den Ball über die Linie. Der ebenfalls eingewechselte Alexandru Maxim hatte den Eckball hereingegeben und Christian Gentner diesen per Kopf verlängert. „So ein Tor kennen wir ja schon“, sagt Jürgen Kramny. Weil die Eckballvariante einstudiert ist. Weil der Trainer nicht müde wird, zu betonen, wie wichtig alle Spieler im Kader sind. Und weil Kramny mit seinen Impulsen von außen oft richtig liegt.

„Unsere stark besetzte Bank ist im Augenblick sicher entscheidend für den Erfolg“, sagt Dutt. Neben den auffälligen Harnik und Maxim kam gegen Schalke auch wieder Artem Kravets zum Einsatz. Ein Stürmer, der Gegner bindet und selbst torgefährlich ist. Dahinter stehen noch Spieler wie Florian Klein und Toni Sunjic, die es bis vor Kurzem gewohnt waren von Anfang an aufzulaufen – und diesen Anspruch auch weiterhin erheben.

Harnik lauert auf seine Chance

Doch für Kramny gibt es wenige Gründe, seine Erfolgself zu verändern (es sei denn Daniel Didavi ist wie am nächsten Samstag gegen Hannover gelbgesperrt). Das weiß auch Harnik, der sich nach langer Verletzungspause Schritt für Schritt und Tor für Tor wieder in die erste Reihe arbeiten will. „Die Mannschaft funktioniert gut“, sagt der Angreifer. Und sie funktioniert auch deshalb als Einheit, weil niemand den Teamgeist gefährdet. Maxim nicht, der sich aufgrund seines fußballerischen Potenzials vernachlässigt fühlen könnte. Harnik und Klein nicht, die mit Österreich EM-Ambitionen hegen und auf ihre Chance lauern. Und auch die ausgewechselten Daniel Didavi und Serey Dié nicht, die gemäß ihrem Selbstverständnis und Status in der Mannschaft den Platz nur ungern vorzeitig verlassen.

So hat sich beim VfB ein Leistungsklima entwickelt, in dem sich einzelne Befindlichkeiten zwar berücksichtigen lassen, sie aber nicht mehr das große Ganze gefährden. „Solange wir erfolgreich sind, bleibt das auch so“, glaubt Dutt. Und damit das möglichst lange so bleibt, helfen der Realismus des Managers sowie der Pragmatismus des Trainers. Auch gegen die Ansprüche, die nach zuvor fünf Siegen in Serie intern ebenfalls gestiegen sind.

„Wir hadern nicht mit dem 1:1 auf Schalke, auch wenn wir am Ende dem Sieg näher waren“, sagt Kramny, der dem Unentschieden viel abgewinnen kann: Der VfB spielt immer mehr mit der Selbstgewissheit eines Gewinnerteams, und er hat nach einem Rückstand erneut die passende Antwort gefunden. Was dazu führt, dass sich Dutt schon einmal darauf einstellen kann, dass er im Fall von drei weiteren Punkten gegen Hannover 96, sicher auch in Stuttgart zu den internationalen Träumen des Vereins für Bewegungsspiele befragt wird.