Unser Taktikblogger Jonas Bischofberger analysiert hier die Partie des VfB Stuttgart beim SV Sandhausen und präsentiert uns die taktischen Stärken und Schwächen der beiden Teams.

Stuttgart - Ein weiteres Stück harte Arbeit ist erledigt. Der VfB gewinnt gegen den ersten Gegner, der zumindest teilweise mit hohem Pressing arbeitet. Zudem zeigen auch die Stuttgarter neue aggressive Elemente in der Defensive.

 
  • Flexibles Pressing von Sandhausen
  • Die Schnittstelle zwischen Außen- und Innenverteidiger als Knackpunkt
  • Stuttgart erstmals mit Angriffspressing
  • Wenig Souveränität nach der Führung

Sandhausens flexible Defensive

Der vom jungen Kenan Kocak trainierte SV Sandhausen trat dem VfB in einer 4-1-4-1-Formation entgegen. Gegen den Ball wechselten sie dabei zwischen eher passivem Verteidigen und Phasen, in denen sie bis zu Torwart Langerak durchschoben. Dazu rückte meist einer der Achter, also Kulovits oder Linsmayer neben die einzige Spitze auf und stellte ein 4-4-2 her. Die zwei verbliebenen zentralen Mittelfeldspieler schoben dann vielseitig umher und versuchten die Passwege ins Zentrum zu schließen.

Grundsätzlich zeigten Sandhausens Mittelfeldspieler dabei einen hohen Arbeitsradius. Zum Beispiel kam es vor, dass der linke Achter herausschob und der rechte Achter anschließend in die entstandene Lücke nachrückte. In anderen Situationen blieb Sandhausen passiv und versuchte sich im Zentrum enger zu positionieren, um dem VfB die Passwege auf Gentner, Özcan und Terodde abzuschneiden.

Nun hatte Sandhausens Pressing ein Problem: Die Flügel wurden ein bisschen vernachlässigt. Im 4-1-4-1 war es nicht so leicht für die Mittelfeldspieler, den Außenverteidiger zu unterstützten. Die seitlichen Räume neben dem einzigen Sechser Karl waren unbesetzt. Sandhausen löste das so, dass die Außenverteidiger Paqarada und Thiede aggressiv Druck machten, wenn ein offensiver Außen des VfB an den Ball kam. Dadurch ging jedoch immer wieder die Schnittstelle zwischen Außen- und Innenverteidiger auf. Eigentlich genau die richtige Angriffsfläche für Stuttgarts Achter, die unter Luhukay immer wieder nach außen rochieren.

Der VfB ließ sich jedoch gerade am Anfang der Partie zu sehr unter Druck setzen. Es gab einige Fehlpässe im Spielaufbau und Terodde konnte nur wenige Bälle festmachen. Oft befreite man sich über lange Bälle auf den Flügel, holte Einwürfe und Ecken heraus und gab Sandhausen somit Zeit sich zurückzuziehen und am eigenen Sechzehner zu ordnen. In den wenigen Szenen, in denen der VfB mal in die Schnittstellen hineinkam, arbeiteten die SVS-Achter mit extremer Intensität nach hinten und fingen die Angriffe gerade noch so ab. Zudem mussten die Stuttgarter Außenverteidiger oder Flügelspieler oft Pässe unter Druck die Linie entlang spielen, welche nicht so sauber zu verarbeiten waren und dem Gegner Zeit gaben, zu reagieren. Erst beim 2:0 in der dynamischeren zweiten Halbzeit sollte Berkay Özcan den Raum zwischen Paqarada und Knipping entscheidend ausnutzen können.

Sandhausen mit Problemen gegen höheres VfB-Pressing

Offensiv hatte Sandhausen nicht ganz so viel anzubieten. Grundsätzlich versuchten sie um ihren Zielspieler Sukuta-Pasu herum die Flügel zu überladen. Passend dazu bewegte sich der Mittelstürmer des SVS weit nach außen, um lange Bälle aus den hinteren Reihen festzumachen. Vor allem auf der rechten Seite mit Pledl, Linsmayer und Thiede sprang dadurch die eine oder andere gute Szene heraus. Insgesamt fehlten ihnen aber gerade im Spielaufbau die Mittel.

Sandhausens Harmlosigkeit hatte auch mit einer Neuerung im Stuttgarter Defensivsystem zu tun. Bislang war der VfB zumeist in einem sehr zurückhaltenden 4-4-2 gestanden und hatte den Gegner immer ein wenig mitspielen lassen. Diesmal jedoch rückten Terodde und manchmal noch einer der Achter weit auf, um Torwart Knaller unter Druck zu setzen. Dieser schlug den Ball meist kompromisslos nach vorne. In einer Szene kurz vor der Pause versuchte er, flach auf Innenverteidiger Knipping zu eröffnen. Dem versprang der Ball und eine brenzlige Situation für den VfB entstand.

Schlechte Reaktion auf die Führung

Nach dem Führungstreffer durch eine Standardsituation verlor der VfB etwas die Kontrolle über das Spiel. Die 60% Ballbesitz aus der ersten Halbzeit schrumpften auf 44% in Durchgang zwei. Anstatt Ruhe ins Spiel zu bekommen, brachte man durch übertriebene Hektik und vorschnelles Vertikalspiel den Gegner ins Spiel zurück. Vor allem Zimmermann zeigte in dieser Phase, dass er noch nicht die strategischen Qualitäten von Hajime Hosogai besitzt.

Teilweise stand der VfB nun etwas zweigeteilt da, weil die hinteren Reihen nicht eng genug an die Offensive heranrückten. Zusammen mit der nachlassenden Intensität im Gegenpressing und einigen schwachen Positionierungen von Gentner sorgte das dafür, dass der VfB nach Ballverlust keinen Zugriff im Mittelfeld herstellen konnte. Sandhausen wurde folglich zu Kontern eingeladen. Beim Stand von 2:0 wohlgemerkt.

Da zumindest noch genug Spieler zur Absicherung bereitstanden, konnte Sandhausen daraus nicht die ganz großen Torchancen generieren, aber sie kamen zumindest zu offensiver Präsenz. Der Anschlusstreffer war somit nicht unverdient. Nach einem eigenen Freistoß stand der VfB in einer improvisierten, zu tiefen und zu breiten Formation. Die Räume neben Zimmermann waren schlecht abgesichert. Von dort aus steckte Kuhn mit etwas Glück auf Wooten durch, der zum 1:2 verwandelte. Für den Ausgleich reichte es allerdings nicht mehr.

Fazit

Sandhausen zeigte eine überzeugende Defensivleistung, die zwar mit einigem Risiko daherkam, aber abgesehen vom 2:0 gut funktionierte. Vor allem die drei zentralen Mittelfeldspieler waren bestens auf den Stuttgarter Flügelfokus eingestellt und erledigten ihre Aufgaben sehr zuverlässig. Der VfB hingegen präsentiert sich bislang noch nicht so durchschlagskräftig wie man es sich im Trainerteam vielleicht erhofft hatte. Vor allem im Spielaufbau und dem tororientierten Kombinationsspiel gibt es noch viel Luft nach oben.