Torhüter Sven Ulreich ist beim VfB Stuttgart eine Identifikationsfigur. Das allein genügt Armin Veh aber nicht. Der Trainer fordert vor dem Spiel bei den Bayern in aller Deutlichkeit: „Ulreich muss sich verbessern.“

Stuttgart - Gastspiele beim FC Bayern sind für Torhüter eine sehr komplizierte Angelegenheit. Einerseits dürfen sie in einem voll besetzten Stadion spielen und gegen einige der weltbesten Fußballprofis zeigen, was sie können. Andererseits müssen sie befürchten, dass es regelmäßig im eigenen Tor einschlägt. Und angesichts des erhöhten Arbeitspensums bleibt es nicht immer aus, da sich auch mal ein nicht ganz unhaltbares Tor einschleicht.

 

Sven Ulreich, so scheint es, sollte sich am Samstag (15.30 Uhr) in München besser keine groben Fehler erlauben. Denn der Torhüter des VfB Stuttgart steht unter genauer Bobachtung – wieder einmal.

Ulreichs Status scheint nicht mehr in Stein gemeißelt

Seinen Status als Nummer eins „stelle ich nicht infrage“, das hat der VfB-Trainer Armin Veh gesagt, als er in diesem Sommer zum VfB zurückgekehrt ist und die Saisonvorbereitung aufgenommen hat. Zehn Wochen und drei sieglose Pflichtspiele später ist das offenbar nicht mehr in Stein gemeißelt. Wenn die Eindrücke nicht täuschen, muss Sven Ulreich sehr auf der Hut sein.

Der 26-Jährige sei in den vergangenen Jahren „ein wesentlich besserer Torhüter“ geworden, sagt Armin Veh, er sei „gewachsen“ an den Rückschlägen, die er im Laufe seiner Karriere habe hinnehmen müssen. Allerdings fordert der VfB-Trainer vor dem Spiel bei den Bayern auch in aller Deutlichkeit: „Ulreich muss sich verbessern.“

Veh erkennt Defizite im modernen Torwartspiel

Die Fähigkeit, ein Spiel zu lesen und von hinten heraus zu eröffnen, die fußballerischen, technischen Fertigkeiten, die Ausstrahlung, kurz: das moderne Torwartspiel, das Manuel Neuer bei der Weltmeisterschaft in Brasilien in extremer Form praktiziert hat – in diesem Bereich habe Ulreich noch immer Defizite. „Das muss er hinkriegen“, sagt Veh, „denn das wird im heutigen Fußball immer wichtiger.“

Ob er glaube, dass es Ulreich gelingen wird, sein Spiel umzustellen? „Ich hoffe, dass er es hinbekommt.“ Doch wird Veh vermutlich nicht ewig darauf warten – was auch damit zusammenhängt, dass der Ersatztorwart Thorsten Kirschbaum auf seine Chance lauert. Wie eine Drohung dürfte es für Ulreich klingen, was Veh schon vor Saisonbeginn gesagt hat: Kirschbaum, vergangenes Jahr aus Cottbus gekommen, sei „von der Leistung her kein zweiter Mann“.

Veh und Ulreich – ein spezielles Verhältnis

Das Verhältnis zwischen dem VfB-Trainer und Ulreich ist sehr besonders. Veh war es, der den damals 19-Jährigen im Februar 2008 aus dem Nichts ins Bundesligator stellte. Und Veh war es auch, der den unerfahrenen Neuling ein paar Wochen später öffentlich kritisierte und wieder rausnahm. Ulreich musste sich hinten anstellen und war vorübergehend nur noch dritter VfB-Torwart. Im Sommer 2010 wurde er zur Nummer eins erklärt – doch ein halbes Jahr später flog er unter Bruno Labbadia noch einmal raus. Nur weil sich Marc Ziegler gleich danach verletzte, kehrte Ulreich zurück ins Tor.

Genau 150 Bundesligaspiele hat er inzwischen bestritten; in den Ranglisten der Fachmagazine ist er meist eher im Vorderfeld zu finden; zum Klassenverbleib in der Vorsaison leistete er einen wichtigen Beitrag. Und auch wenn er in seinem Leben wohl kein Nationalspieler mehr wird: gewiss war es in den vergangenen Jahren nicht das größte VfB-Problem, dass der Torhüter auch mal einen Ball passieren ließ. Dennoch muss er nun ein weiteres Mal gegen Zweifel ankämpfen – die des Trainers und die von Teilen der VfB-Fans.

Kritik in den sozialen Netzwerken

Als Eigengewächs, das sich immer bedingungslos zum VfB bekannt hat, könnte Ulreich eigentlich die große Identifikationsfigur sein. Nach dem 0:2 gegen Köln jedoch geriet er in den sozialen Netzwerken ins Kreuzfeuer der Kritik, weil er angeblich mit einer abfälligen Handbewegung auf die Pfiffe reagiert habe. Auf seiner Facebook-Seite stellte Ulreich klar, dass „mein Abwinken nicht gegen die Fans, sondern gegen die allgemeine Situation gerichtet“ war. Weitere Beleidigungen ersparte ihm aber auch das nicht. Also sah sich Ulreich veranlasst, sich noch einmal zu Wort zu melden: „Ich habe mir für mein Fußballerleben das Wort Respekt als die wichtigste Leitlinie festgelegt. Und ich würde mich freuen, wenn wir diesen Respekt auch hier berücksichtigen könnten.“

Noch bitterer als der Fangroll bei Facebook dürfte für Ulreich freilich etwas anderes sein: ein Platz auf der Ersatzbank.