Der VfB Stuttgart hat durch ein 2:0 gegen Bochum das Pokalhalbfinale erreicht und ist noch in drei Wettbewerben vertreten. Dennoch will nirgendwo eine richtige Begeisterung aufkommen.

Stuttgart - Dass der VfB das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht hat, blinkt nach dem Schlusspfiff in Leuchtschrift auf der Videotafel in der Mercedes-Benz-Arena auf. Das ist gut so, weil sonst kaum ersichtlich wäre, dass in Stuttgart gerade etwas nicht Alltägliches passiert ist.

 

Nach dem 2:0 gegen den Zweitligisten aus Bochum fehlt nur noch ein Sieg bis zum Endspiel am 1. Juni in Berlin. Zudem ist der VfB nun neben den Bayern der einzige deutsche Verein, der in drei Wettbewerben mitmischt – in der Bundesliga, im nationalen Cup und auf internationaler Ebene. Das ist eine Seite. Andererseits springt der Funke nicht über. Wo soll er auch herkommen?

Von den Fans?

Als die Partie vorbei ist, gehen die meisten Zuschauer schnell nach Hause. Ohnehin war die Kulisse mit 20 000 Besuchern (davon mehr als 2000 aus Bochum) mehr als dürftig. Damit setzt sich aber nur der Trend fort, der sich schon seit langer Zeit in der Europa League offenbart und in abgeschwächter Form inzwischen auch die Bundesliga ergriffen hat. Die Lücken auf den Rängen werden immer größer. Der VfB ist offenbar im Begriff, sein Stadion nach und nach leerzuspielen.

Nach Feiern ist an diesem Abend aber auch den meisten Anwesenden nicht zu Mute. Selbst in der Cannstatter Kurve, wo die treuesten Anhänger stehen, macht der Evergreen „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin“ nur sehr zögerlich die Runde und wird höchstens zwei- oder dreimal angestimmt. Begeisterung sieht anders aus.

Fast schon bizarr wirkt dieses Bild, da der VfB immerhin unter den letzten vier Teams im Pokal steht. Das kann sich sehen lassen – genauso wie der Einzug ins Achtelfinale der Europa League gegen Lazio Rom. „Für den Club ist es eine Riesensache, dass wir das geschafft haben“, sagt der Trainer Bruno Labbadia. Aber dazu passt die Stimmung im Umfeld nicht. Selbst in dem mit 13 Personen besetzten Fanausschuss herrscht Frust über die grundsätzliche sportliche Entwicklung – und mehr noch über die Vereinsführung mit dem Präsidenten Gerd Mäuser, der in diesem Kreis keine Befürworter hat. Was daraus folgt, wird sich eventuell auf der Mitgliederversammlung weisen, die am 22. Juli stattfinden soll. Von außen zündet der Funke jedenfalls nicht.

Und von der Clubspitze aus?

Der VfB ist momentan dabei, die Mitgliederversammlung vorzubereiten, auf der für das Geschäftsjahr 2012 ein Verlust von rund zehn Millionen Euro bilanziert werden muss. Zur Beruhigung der aufgeladenen Gemüter würde da der Sprung ins Pokalfinale beitragen. Insofern ist der VfB geradezu zum Erfolg verdammt. Denn im Misserfolg müsste die Vereinsführung befürchten, dass es auf der Versammlung hoch hergeht und dass sich Widerstandsgruppen bilden – mit dem Ziel, über einen Antrag auf Satzungsänderung die Chefetage mit dem noch bis 2015 gewählten Mäuser abzusetzen. Entsprechende Signale sind beim VfB bereits eingegangen.

Folglich sind die leitenden Angestellten sehr mit sich selbst beschäftigt. Kaum noch die Rede ist von dem einst ausgerufenen Stuttgarter Weg mit der Förderung der eigenen Nachwuchskräfte. Zu diesem Thema haben in dieser Woche die langjährigen VfB-Jugendchefs Frieder Schrof und Thomas Albeck, die mittlerweile bei RB Leipzig tätig sind, der „Sport-Bild“ ein Interview gegeben. Sie bemängelten, dass den Talenten beim VfB nicht mehr das nötige Vertrauen geschenkt werde. Das werden Mäuser und Co. nicht gerne hören. Von oben ist jedoch kein Funke in Sicht.

Und aus dem Team der sportlichen Abteilung?

„Vor zwei Wochen gab es hier zurecht eine Stimmung, als würde gleich die Welt untergehen, aber jetzt sind wir besser geworden“, sagt der Kapitän Serdar Tasci. Von den Ergebnissen her betrachtet stimmt das auch. Ein anderes Kapitel ist die Spielweise der Mannschaft, der jede Leichtigkeit abhanden gekommen ist.

Alles scheint schwer und steht auf wackligen Beinen. „Es ist nicht so, dass wir entzückt sind“, erklärt der Manager Fredi Bobic nach dem 2:0 gegen Bochum, „viel Fußball habe ich nicht gesehen.“ Das Wenige genügt aber nicht, um vom Platz aus den Funken zu entfachen. So trifft bestenfalls das zu, was der Mittelfeldspieler Christian Gentner sagt: „Das ist eine große Freude – auch wenn es nicht bei jedem so aussieht.“ Wie gut, dass es dafür die Videotafel gibt.