Vor einer nicht öffentlichen Tagung des VfB-Vorstands gibt es Bestrebungen, den Verein auf allen Ebenen moderner zu machen. Es geht um Weichenstellungen und um Fragen wie: Wer sind wir? Wofür stehen wir? Wo wollen wir hin?

Stuttgart - Der VfB Stuttgart schnuppert Höhenluft. Vielleicht ja sogar auch bald einmal wieder in der Tabelle der Fußball-Bundesliga, aber ganz sicher in der Bergwelt im Tannheimer Tal. Dort trifft sich der Vorstand nach dem letzten Hinrundenspiel der Mannschaft am 14. Dezember beim VfL Wolfsburg zu einer dreitägigen Klausurtagung, „um den Club strategisch auszurichten“, wie der Manager Fredi Bobic sagt. Es geht um Weichenstellungen und um Fragen wie: Wer sind wir? Wo wollen wir hin? Was ist unser Weg? Wofür stehen wir? Im Groben gibt es darauf jedoch bereits jetzt eine Antwort. Sie lautet: der VfB ist im Begriff, sich neu zu erfinden – auf allen Ebenen. Das ist der Ansatz von Bernd Wahler.

 

Ebene eins. Der Präsident will den gesamten Verein innovativer, transparenter und kommunikativer machen – moderner einfach. In letzter Konsequenz bedeutet das eine völlige Neuordnung der Mentalität auf dem Wasen. Dafür hat Wahler die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle in den vergangenen Wochen sensibilisiert und motiviert. Das war der erste Schritt. Darum geht es auch noch einmal im Tannheimer Tal – um das Grundsätzliche, noch nicht um konkrete Entscheidungen und Maßnahmen, die daraus folgen. Das ist dann erst der zweite Schritt, der anschließend in Angriff genommen wird. Stichwort Strukturreform, Stichwort strategische Partnerschaften. „Wir schieben gerade vieles an“, sagt Bobic, „denn wir müssen uns als Ganzes überprüfen und einiges auffrischen.“

Bis auf weiteres ist der Zug wohl abgefahren

Ebene zwei. Wahler will, dass jeder beim VfB jeden Tag überlegt, was er dazu beitragen kann, um den Fußball voranzubringen. Da herrscht wie auf Ebene eins Nachholbedarf. Deshalb wird gerade auch für diesen Bereich ein Konzept erstellt, um den Anschluss an die Tabellenspitze irgendwann wieder herzustellen. Bis auf Weiteres ist der Zug wohl abgefahren. Zwar ist erst ein Saisondrittel vorbei – und doch scheinen die ersten sechs Tabellenplätze bereits fest vergeben zu sein: die ersten drei an die Bayern, Dortmund und Leverkusen, die nächsten drei an Mönchengladbach, Wolfsburg und Schalke. Dahinter kommen viele Teams, unter anderem der VfB.

Um zumindest in der neuen Runde konkurrenzfähiger mit der Spitzengruppe zu sein, gibt es wieder ein Stichwort: Spielidee. Der Trainer Thomas Schneider hat eine Vorstellung, wie die Mannschaft auftreten soll – mit mehr Tempo, mit mehr Dynamik, mit mehr Mut, mit mehr Begeisterung, mit mehr Identifikation, offensiver, laufstärker, mit mehr Kreativität und Esprit. Diese Attribute decken sich dann mit den Vorstellungen, die Wahler auf der ersten Ebene für die Philosophie des Gesamtvereins hat. Aber auf beiden Ebenen ist der zweite Schritt entscheidend – die Umsetzung.

Gelingt eine neue Generation von Leistungsträgern?

Ebene drei. Wahler weiß, dass die Umsetzung auf den ersten beiden Ebenen maßgeblich davon abhängt, ob es ein drittes Mal innerhalb von zehn Jahren gelingt, eine Generation von im Club ausgebildeten jungen Spielern zu Leistungsträgern in der Bundesliga zu machen – nach der ersten Ära mit Kevin Kuranyi, Alexander Hleb sowie Andreas Hinkel und der darauf folgenden Epoche mit Mario Gomez, Sami Khedira sowie Serdar Tasci. Beide Generationen haben dem VfB übrigens zu schönen Erfolgen verholfen, ohne dass der Verein davon jedoch nachhaltig profitiert hätte. Und jetzt?

Timo Werner (17) hat sich in der Bundesliga schon durchgesetzt – wie bald vielleicht auch Adrian Grbic (17, Stürmer), Timo Baumgartl (17, Innenverteidiger), Felix Lohkemper (18, Stürmer), Tim Leibold (19, Linksverteidiger), Sinan Gümüs (19, Stürmer) und Marvin Wanitzek (20, Mittelfeld), die gelegentlich bereits am Profitraining teilnehmen. Ist das die dritte Generation? Dann wäre der VfB auch wieder eine Marke – was Wahler ja auf Ebene eins anstrebt. „Natürlich werden nicht alle den Sprung schaffen, aber es gibt Talente bei uns, die das Zeug dafür haben“, sagt Bobic.

VfB kann sich keine teuren Einkäufe leisten

Er ist gefordert, da auch aus dem aktuellen Kader nicht jeder die Spielidee von Schneider so annehmen können wird, wie sich der Trainer das wünscht. Bobic hat deshalb angekündigt, dass man sich im Sommer von dem einen oder anderen trennen wird, der momentan zu den etablierten Kräften gehört (die StZ berichtete). Weil sich der VfB jedoch keine teuren Einkäufe leisten kann, steht Bobic vor zwei Aufgaben – die Zugänge müssen zur Idee von Schneider passen und dürfen nicht viel kosten.

2006 war die Situation vergleichbar. Damals schlug die Stunde von Gomez und Co. Zudem verpflichtete der VfB für wenig Geld die beiden Mexikaner Pavel Pardo und Ricardo Osorio. Ein Jahr später gewann das Team die Meisterschaft. So viel zum Thema Höhenluft – die jetzt aber erst mal im Tannheimer Tal geschnuppert wird.