Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Gut also, dass Hannes Wolf die erste genutzt hat. Der neue Chefcoach hat sich selbstbewusst und sympathisch beim VfB Stuttgart vorgestellt – seine erste Bewährungsprobe steht schon bevor.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Es gibt ja so einiges, was Hannes Wolfin seinem bisherigen Dasein als Fußballtrainer noch nicht erlebt hat. Das liegt in der Natur der Sache – der junge Mann ist gerade einmal 35 Jahre alt. Erfahrung im Profibereich, das ist klar, als er am Mittwoch den voll besetzten Presseraum im VfB-Clubzentrum betritt, ist nicht das Pfund, mit dem er wuchern kann. Also dreht er den Spieß lieber gleich um: „Jeder Trainer auf Top-Niveau hat mal sein erstes Spiel gemacht.“

 

Hannes Wolf lächelt, als er diesen Satz spricht, mit wachem Blick hat er zuvor die Runde beobachtet, den jeweiligen Fragesteller mit seinen blauen Augen fixiert. Nervös wirkt er nicht bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Cheftrainer des VfB Stuttgart, stattdessen stolz und gelöst, aber er wird auch verbindlich, wenn es ums Wesentliche geht. „Ich habe einen sehr hohen Anspruch“, sagt der Mann, der als Juniorencoach bei Borussia Dortmund zuletzt drei Meistertitel in Folge gefeiert hat. Und über dessen Verpflichtung Jan Schindelmeiser sagt: „Ich hatte schon meinen Bundeswehr-Schlafsack im Auto und war darauf vorbereitet, so lange bei Hans-Joachim Watzke auf dem Grundstück zu campieren, bis er den Hannes freigibt.“ Lange Warten musste er aber nicht.

Nach dem ersten Kontakt geht alles ganz schnell

Nach dem Rücktritt von Jos Luhukay am vergangenen Donnerstag nahm der Sportvorstand der Roten am Freitag Kontakt zu Wolf auf. Der Aufsichtsrat war über die Richtung, nicht aber über den Namen informiert, am Wochenende fand dann ein Gespräch mit Schindelmeisers Vorstandskollegen und dem Kandidaten statt, danach sei klar gewesen: Der soll’s werden, „das ist Ausdruck unserer Strategie für die nächsten Jahre“ (Schindelmeiser). Am Montag folgten die Verhandlungen mit Borussia Dortmund, am Dienstag hatte Wolf die Freigabe von BVB-Chef Watzke (ohne Ablöse), am Mittwoch leitete er das erste Training in Stuttgart – über das der neue Coach sagt: „Die Mannschaft hat einen sehr offenen Eindruck gemacht. Das ist das Einzige, was wir zunächst wollen, den Respekt müssen wir uns erarbeiten.“ Wir – damit meint Wolf sich und seinen Co-Trainer Miguel Moreira, den er mit nach Stuttgart bringt (Vertrag bis 2018). Die erste Bewährungsprobe für das Duo steht bereits am diesem Freitag (18.30 Uhr) an.

In Bochum, Wolfs Geburtsstadt, geht es darum, die jüngsten Erfolge zu bestätigen. „Mit dem Kader“, sagt Wolf, „kann man richtig was erreichen.“ Für den Kaltstart mitten in einer englischen Woche hat er sich aber Zurückhaltung auferlegt. Nur so viel sagt er zu der bevorstehenden Aufgabe: „Die Mannschaft muss gut regenerieren und dann Haltung aufbauen.“ Und danach? Wie sieht Fußball à la Wolf aus?

Prominente Lehrmeister

„Schnell, intensiv, emotional“, sind Wolfs Schlagworte, die viel über seine Trainer-Sozialisation aussagen. Als junger Kerl hat er bereits eine Aktivenmannschaft in die Verbandsliga geführt, danach lotste ihn Jürgen Klopp zum BVB, wo er zuletzt viel von dem aufsaugte, was Thomas Tuchel lehrt. „Ich hatte gute Mannschaften und dazu großartige Lehrer“, sagt Wolf, „diese Kombination ist hervorragend.“ Wobei er klarmacht: „Ich will niemanden kopieren.“

Viel lieber sucht er seinen eigenen Weg – und will vor allem eines nicht: Sich in ein Schema pressen lassen. Kopfmensch oder Bauschmensch? Von allem ein bisschen: „Man kann sich lange mit Taktik beschäftigen und detailversessen sein, die Mannschaft dann aber trotzdem auf den Platz schreien.“ Mehmet Scholl, mit dem Wolf 2012 seinen Fußballlehrer machte, riet ihm noch: „Der Mensch ist wichtiger als der Laptop.“ Entsprechend lobt Jan Schindelmeiser neben allen Fachkenntnissen die Sozialkompetenz seines „Wunschkandidaten“. Der ab sofort zwei Ziele verfolgt.

Das VfB-Wappen hat es Wolf angetan

Am Saisonende soll die Bundesligarückkehr stehen, zudem gilt es, Spieler und Mannschaft fit für eine längere Strecke zu machen. Auf diesem Weg, versichert Wolf, dürfe das Thema Aufstieg nicht die tägliche Arbeit bestimmen, „sonst werden wir nicht scharf genug sein“. Dass er selbst auch ein bissiger Wolf sein kann, lässt er immer wieder durchblicken, darauf müssen sich auch diejenigen einstellen, die der 35-Jährige aus Dortmunder Zeiten bereits kennt: Kevin Großkreutz, Mitch Langerak und Daniel Ginczek. Die erste Wiedersehensfreude war dennoch groß.

Größer, das gibt Wolf (verheiratet, zwei Töchter) zu, ist der Respekt vor der Aufgabe beim VfB. Noch mächtiger erscheint ihm aber die Chance, die sich ihm nun bietet. „Die ist viel größer als alles, was ich zu verlieren habe“, findet der neue Cheftrainer, der schon früh Bindung zum VfB aufgebaut hat – wenn auch nur in Form eines Computerspiels: „Beim Bundesligamanager Professional war das VfB-Wappen immer mein Lieblingswappen, es sieht einfach gut aus.“ Darauf sollte sich aufbauen lassen.